Ben Christophers - Spoonface
V2 / Zomba
VÖ: 29.10.2001
Unsere Bewertung: 5/10
Eure Ø-Bewertung: 9/10
Messer und Gabel
"Schneller, höher, weiter" lautet bekanntlich das olympische Motto. Die britische Popjugend allerdings trainiert derzeit nur in einem Punkt für Olympia: Auf das "höher" scheint es ihnen anzukommen. Dort, wo Leute wie Thom Yorke, Fran Healy, Matt Bellamy oder Chris Martin ihre Stimme fleißig Gipfel stürmen lassen, steht neuerdings auch Ben Christophers in den Startlöchern. Prinzipiell der Zerbrechlichkeit verpflichtet stellt er auf seinem zweiten Album "Spoonface" aber nicht nur einiges mit seiner Stimme an. Auch die bisweilen verschwommenen Strukturen und Instrumentierungen seines elektrifizierten Folks erscheinen von Merkwürden gesegnet. Beste Aussichten also, auf der von Elbow, der Beta Band und Simian bereiteten Bahn schnell zum Ziel zu gelangen.
Auf dem Weg dorthin begegnet uns in Songs wie "Hooded kiss" eine ungewohnte Form von Blues. Ein stoisches Riff wird dort von allerlei kruden Klängen umflattert. Es piepst, ruckelt und quengelt, und Christophers singt von "that cutting stingray smile". Hier wird das Leiden eben noch richtig genossen: "Why does my sorrow make me feel so good?" Verhuschte Klaviertöne schleichen sich ans Ohr, doch wenn man bei "Falls into view" oder "Easter park" meint, Tori Amos in die Arme schließen zu können, setzt der Londoner Barde wieder sein schiefes Lächeln auf und erwischt den Hörer auf dem falschen Fuß. In "Songbird scrapes the sky" legen fahrige Elektronik und jazzatmende Harmonien einen Köder aus, aber Christophers vermag den besungenen Piepmatz nicht zu erfassen. Zu unstet ist sein Gesang, zu unwirklich seine Existenz.
Die Stille sucht sich ihren Platz, aber so ganz traut ihr Christophers dennoch nicht. "Silence is deceiving me" heißt es im traumverlorenen Titelstück. Rhythmen stehen dabei meist unbeteiligt in der zweiten Reihe. Selten genug kommen sie den reduzierten, oft entrückten Arrangements zur Hilfe. Das schwermütige Goldkehlchen läßt seine Melodien - mal unterkühlt, mal voller Leidenschaft vorgetragen - eher in der eigenen Entrücktheit versumpfen und landet so ein ums andere Mal in einer Sackgasse. Nur wenn die akustische Gitarre, der Baß und das Schlagzeug sich auf ihre Bestimmung entsinnen wie im Opener "Leaving my sorrow behind" oder bei "Transatlantic shooting stars", flattern die Songs nicht ziellos durch die Gegend. In solchen Momenten erscheint das "Spoonface" blitzblank poliert. Trotz dieser funkelnden Lichtblicke aber bleibt Christophers Zweitling die meiste Zeit stumpf. Diese Suppe muß er wohl selber auslöffeln.
Highlights
- Leaving my sorrow behind
- Transatlantic shooting stars
Tracklist
- Leaving my sorrow behind
- The stream
- Falls into view
- Transatlantic shooting stars
- Hooded kiss
- Easter park
- Songbird scrapes the sky
- Spoonface
- Losing myself
- The opium willows
Gesamtspielzeit: 38:57 min.
Referenzen
David Sylvian; Ben Harper; Raz Ohara; Radiohead; Elbow; The Beta Band; Simian; Maximilian Hecker; Tom McRae; Chris Cornell; Scott Weiland; Mark Eitzel; John Frusciante; Talk Talk; Her Space Holiday; Bows; Polar; Arid; Unbelievable Truth; Ben Lee; Tori Amos