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Le Peuple De L'Herbe - Tilt

Le Peuple De L'Herbe- Tilt

Discograph / Rough Trade
VÖ: 12.02.2010

Unsere Bewertung: 7/10

Eure Ø-Bewertung: 6/10

Moderne Zeiten

Früher ging städtisches Leben ungefähr so: zur Telefonzelle für den Anruf bei Freunden. Auf der Straße jemanden nach dem Weg fragen. Einen Film einlegen und dann ein Foto mit der analogen Kamera machen. Und für Musik unterwegs hatte man einen klobigen Kassetten-Kasten namens Walkman. Heute braucht es dazu vier Griffe zum iPhone, das es in wenigen Jahren bereits zum Inbegriff modernen Lifestyles gebracht hat. Le Peuple De L'Herbe dürften für beide Lebensarten ihre Sympathien haben: Das Sextett zieht Funk und Soul, HipHop und Dancehall, TripHop, Elektro und Rock auf seinem fünften Album "Tilt" in einem Schmelztiegel urbaner Sounds zusammen und klingt dabei mal altbacken, mal progressiv.

Seit 1997 hat sich die Band aus dem französischen Lyon (lediglich Rapper Jc001 stammt aus England) zu einer Art festem Geheimtipp im HipHop-Umfeld entwickelt. Vor allem mit ihren explosiven Live-Auftritten, bei denen Bläsereinsätze und Rockinstrumentarium gleichberechtigt mit Samplern und Drummachines dem Publikum den Schweiß auf die Stirn treiben. "Tilt" markiert aber nicht nur wegen der überzeugend eingefangenen Live-Energie einen vorläufigen Höhepunkt: Flüssig greifen Breakbeat- und Crossover-Stücke ineinander, lösen eruptive Dub-Bässe entspannte Lounge-Nummern mit Jazz-Einschlag ab, fügen sich Rap und Gesang wie ein Instrument in den Sound ein, bis sich der Stil-Mashup zu einer Klangtapete mit Soundtrackcharakter für den urbanen Lebensstil zusammenfügt.

Der Opener "Heart & soul" verdient sich seinen Titel in den folgenden knapp drei Minuten redlich: Flirrender Funk küsst eine Ladung Post-Soul-Bläser wach, und wer bei dem Groove dieses vertonten Warhol-Tagtraumes noch stillsitzen kann, dem ist nicht mehr zu helfen. Auch "L'esprit d'une epoque" ist so ein treibendes, hypnotisches Quasi-Instrumental, das Jazz-Trompete und -schlagzeug in elektronischem Future-Pop aufgehen lässt, bevor "Matchbox" dekadent-trippige Töne anschlägt. "Look up!" dagegen entwickelt auf tiefem Dub-Bass eine zweistimmige Warnung vor dem datenheischenden Big Brother. Die dunkle Drum-'n'-Bass-Nummer "Pretty bad drug" wiederum wechselt kurzfristig zwischen ange- und entspanntem Breakbeat hin und her, und bei "Swamp erwartet man eigentlich in jedem Moment, dass sich der elektronische Beat endlich aus seinem Song-Fundament erhebt und in die Höhe schraubt.

"Get stronger" und das energetische und hochmelodische "Bach against the wall" schließlich ermöglichen mit ihrer heutzutage schon klassischen Fusion von Reggae-infiziertem Rap und Rock ein Wiederhören mit dem alten Crossover. Stark ist "Tilt" damit vor allem wegen der Leichtigkeit, mit der es aus seiner musikalischen Breite schöpft, und der prägnanten Bläser. Dass viele Stile und Stilmittel heute beinahe antiquiert wirken, stört den stimmigen Gesamteindruck glücklicherweise kaum. Lediglich die Vokalisten wirken insgesamt ein wenig blass, zu sehr bleiben Text und Stimme eine von vielen Zutaten dieses Stil-Suds der Lyoner Stadtaffen. Trotzdem ist diese Platte der perfekte Allrounder urbanen Lebensgefühls: oldschool und retro in der Attitüde, stabil auf Beat gebaut, dabei aber unerwartet flexibel und anpassungsfähig - wie städtischer Beton.

(Dennis Drögemüller)

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Highlights

  • Heart & soul
  • Pretty bad drug
  • Back against the wall

Tracklist

  1. Heart & soul
  2. Brick by brick
  3. L'esprit d'une epoque
  4. Look up!
  5. Pretty bad drug
  6. Matchbox
  7. Supabreakin'
  8. Swamp
  9. Get stronger
  10. Green card
  11. Nightmare
  12. Back against the wall
  13. Catch up

Gesamtspielzeit: 51:24 min.

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