Efterklang - Magic chairs
4AD / Beggars / Indigo
VÖ: 19.02.2010
Unsere Bewertung: 8/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
Das Universum in einer Nussschale
Wer sich selbst genügt, von dem hat man oft genug schnell genug. Auch der Pomp im Hause Efterklang hätte durchaus auf Ewigkeiten so weiterschlemmen können. Kompositionen, die stets bis zum Horizont und noch darüber hinaus dachten und - wie bereits Kollege Jakobs zu "Parades" feststellte - vor allem Zeit und eine wahre Materialschlacht an Gastmusikern forderten. "Magic chairs" verkleinert nun das Anliegen und spielt doch um so größer auf. Das Ausufernde, Orchestrale und stets weit Geträumte versenkt sich in schlanke Kompositionen aus Kammer-Pop und Folk-Elegie. Gleich bei Opener und Nachfolger fließen die Bläsersektionen unter perlende Klavier- und Drum-Staccati. Dass und wie sehr Mundgeblasenes trippen kann, beweisen diese Songs aufs Vorzüglichste. Nun gut: Wer die Gastmusikanten von über 30 auf 17 reduziert, dem ist dennoch schwerlich ein LoFi-Ansatz nachsagbar. Dass die Verschlankung an Material und Aufwand somit lediglich Koketterie ist, ist zudem erfreulich zu hören.
Coldplays Hymnik und die offensive bis glatte Melancholie von Snow Patrol werden auf "Magic chairs" zur Nussschale auf hoher See. Sie wogen auf und ab, werden umhergeworfen und bieten doch eine sichere Fahrt. Sind Spielball der Gezeiten aus schlagwerkelnder Zerstreung, aufstrebender Harmonik und Casper Clausens meist schöngeistiger, beizeiten aber auch tief brummender Stimme. Prototypisch und bereits im Titel bezeichnend - sowie in dieser Konsequenz nur sehr selten vernommen - ist hier wohl "Harmonics": Gezupfte und gestrichene Geigen, Bläser- und Flötenschleifen, mehrere exaltierte Gesangsfiguren, Handgeklatschtes und Selbstgepfiffenes schwofen durch einen angefunkten, über die Flageoletts tiggernden Takt, der sich ebenso unbeugsam wie flatterhaft zeigt. Wo eben noch von Gitarrenpop die Rede war, lässt sich nun denken, Efterklang seien die nur wenig spinnerten, glasklar auf Eintracht ausgelegten Brüder Animal Collectives - derart präzise werden die Melodien ineinander verschoben, spielen Frage und Antwort, haben keinerlei Flausen, dafür aber umso mehr Innigkeit im Kopf.
Nur selten erträgt ein Song eine derart eindeutige Klimax wie "The soft beating". Hier gibt es ein waschechtes Postrock-Finale mit schwelgerischen Gitarrenteppichen und einem fordernden Beat. Ansonsten aber geht es immer wieder um Verdichtung, Ablenkung und vielschichtigen Wohlklang. So bei den Morricone-Chorälen und dem Talk-Talk-Vibe von "Full moon" oder bei "Scandinavian love" mit seiner zugleich polternden und feierlichen "Amazing grace"-Hommage. Oder auch beim perkussiven Rattern von "Raincoats", zu dem neben den üblichen Engelsstimmen ein Männerchor zugeschaltet wird, der die Kanongesänge kongenial vertieft. Diese Songs gehen eindeutig in die Breite, vergrößern ihren Aktionsradius in sanften und fließenden Bewegungen, treten aber lieber auf der Stelle, als sich vorschnell auf eine zu zielorientierte Reise zu begeben. Zumal all die rhythmische Güte und Versiertheit ohnehin derart geschickt platziert wird, dass von hier aus alles in Greifweite ist. Efterklang geben die indische Durga, sammeln vielarmig und in aller Ruhe immer mehr musikalische Delikatessen in ihren Buddhabauch, sortieren gewissenhaft und teilen dann freigiebig wieder aus.
Möchte man ein Album also als "reich" bezeichnen, so ist man bei "Magic chairs" sicherlich genau richtig. Reich an Spielwillen, reich an Instrumenten, reich an Melodien und zungeschnalzenden Arrangements, reich - nicht zuletzt - an Stimmung und Leidenschaft. Dass zwischen Radiohead und Coldplay doch noch ein Plätzchen frei sein muss, ließ sich ja schon länger vermuten. Dass Efterklang diesen Zwischenraum jedoch zu einem Habitat von eigener Strahlkraft umarbeiten, sollte die beiden großen Brüder zittern lassen. Denn "Magic chairs" ist sich durchaus selbst genug. Und schafft es dennoch, alle anderen mitzunehmen. In a nutshell - over the sea.
Highlights
- Modern drift
- Harmonics
- Full moon
- Scandinavian love
Tracklist
- Modern drift
- Alike
- I was playing drums
- Raincoats
- Harmonics
- Full moon
- The soft beating
- Scandinavian love
- Mirror mirror
- Natural tune
Gesamtspielzeit: 43:48 min.
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(Neueste fünf Beiträge)
User | Beitrag |
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The MACHINA of God User und Moderator Postings: 33288 Registriert seit 07.06.2013 |
2013-07-19 18:54:49 Uhr
Der Opener ist wunderschön. Der Rest auch sehr nett. |
SamVimes |
2011-04-04 20:23:26 Uhr
An Island noch bis Freitag auf Pitchfork.tv anschaubar:http://pitchfork.com/tv/#/one-week-only/1581-efterklang/ |
as5 |
2010-11-17 20:29:33 Uhr
konzerthaus, cool! |
mika |
2010-11-17 20:14:51 Uhr
Unbedingt hingehen: Efterklang 201111.03. Leipzig, Centraltheater 12.03. Bremen, Lagerhaus 13.03. Berlin, Volksbühne 14.03. Frankfurt, Brotfabrik 15.03. Dortmund, Konzerthaus 16.03. Hamburg, Knust 17.03. Rostock, Mau |
dr. note |
2010-11-16 19:10:41 Uhr
Noch mal vorgeholt und für gut befunden.Vor Monaten ließ mich die Scheibe noch ziemlich kalt. Ist wohl doch eher was für die dunkle Jahreszeit... Jetzt passt's jedenfalls und gefällt mit jedem Durchlauf besser. |
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Referenzen
Sunset Rubdown; Coldplay; Talk Talk; A Mountain Of One; Neverending White Lights; The Album Leaf; Snow Patrol; Frightened Rabbit; Wintersleep; Stars; Broken Social Scene; Radiohead; Radical Face; The Acorn; Animal Collective; Mercury Rev; Wild Beasts; TV On The Radio; The Beta Band; Prefab Sprout; Brian Wilson; The Beatles; Paul Weller; Belle & Sebastian; The Divine Comedy; The Flaming Lips; Guided By Voices; The Shins; Grandaddy; The Weakerthans; Valleys; Aereogramme; The Unwinding Hours; Art Of Fighting; Yamon Yamon; Maps; Sigur Rós; Caspian; Sin Fang Bous; Daturah; Audrey
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