Listen




Banner, 120 x 600, mit Claim


Rosanne Cash - The list

Rosanne Cash- The list

Manhattan / EMI
VÖ: 29.01.2010

Unsere Bewertung: 6/10

Eure Ø-Bewertung: 9/10

Der Apfel und der Stamm

Manche Geschichten müssen einfach weitererzählt werden. Rosanne Cash, Tochter des großen Johnny Cash, erzählt eine zu ihrem zwölften Studioalbum. Als Erziehungsmaßnahme für eine Achtzehnjährige, die sich mehr für Popkram interessierte, als es der Vater dulden wollte, hatte dieser ihr einst eine Liste mit Liedern zugesteckt. Darauf standen 100 von ihm für essentiell gehaltene Country- und Folk-Klassiker, wie er sie später für seine "American recordings" aufnahm. Seine Tochter wurde erfolgreich bekehrt, und eine Plattenkarriere später bedankt sich die mittlerweile 54jährige bei ihrem Inspirator.

Cashs Erinnerung an die Songversammlung ihres Vaters heißt passenderweise "The list". Ein Dutzend Lieder tief aus dem Herzen Amerikas, aufgenommen mit viel Liebe und keiner Scheu vor Kitsch. Der gehört eben dazu, wenn man von Allmusic schon vor dem ersten Cover-Album der Karriere als Neotraditionalistin ausgemacht wird. Cash inszeniert das ausgewählte Americana-Dutzend mit routinierter Unaufgeregtheit. Die Klassiker aufzuscheuchen hätte denen vermutlich auch eher geschadet als ihr genutzt.

Also schwoft sich Cashs Band um Ehemann und Saiten-Allzweckwaffe John Leventhal entspannt durch "Miss the Mississippi and you", "Take these chains from my heart" oder "Bury me under the weeping willow". Diese Klassiker erzählen klassische Geschichten von Liebe, Tod und Teufel, auch ein schicksalsgebeutelter Blues wie "Motherless children" ist dabei. Natürlich baden die Songs allesamt zutiefst in Folk und Country. Mal twangt es, dann säuselt die Pedal Steel. Und immer wieder stellt sich die gekonnt agierende Band an die Seite, um Platz für Cashs präsente Stimme zu lassen. Das klappt mal gut wie beim trockenen "I'm moving on" und mal durchwachsen im etwas zu betulich georgelten "500 miles".

Mit Bruce Springsteen im Elvis-Modus tänzelt Cash durch Don Gibsons Seufzer "Sea of heartbreak", den Papa Cash auf "Unchained" zum Besten gegeben hatte. Ein anderer Elvis konnte höchstpersönlich vorbeischauen: Mit Costellos näselndem Backing geht der Guy-Mitchell-Klassiker "Heartaches by the number" altersgemäß in die Breite. Das ist Rock'n'Roll für die muntereren Ü50-Partys. Dort ist es keine Schande, die jugendliche Wucht auszusperren. Dem ebenfalls rekrutierten Nachwuchs ist jedoch allzu wildes Aufbegehren gegen die Tradition fremd. Mit Wilcos Jeff Tweedy kann sich Cash in Lefty Frizzells "Long black veil" hineinlegen und der bizarren Situation am eigenen Grab einen stillen Honkytonk-Twist mitgeben. Im Angesicht der Legenden hält sie sich für "Girl from the north country", das ihr Vater zusammen mit Bob Dylan eingesungen hatte, vornehm zurück. Sogar Rufus Wainwright muss verstanden haben, dass jede Aufdringlichkeit vermessen wäre. Mit ihm bekommt Merle Haggards "Silver wings" allerdings eine ungewohnte Seventies-Schlagseite. Viel weiter weg könnte die mittlerweile sogar MTV-taugliche Nashville-Beliebigkeit kaum sein.

Erstaunlich ist, dass "The list" bei aller Geschichtsträchtigkeit keine Schwere aufkommen lässt. Die Songs wippen einfach vor sich hin, die Ecken und Kanten haben schließlich längst schon andere Interpreten abgeschliffen. Wie eben auch Cashs alter Herr, dessen knorrigen Gesang man sich manchmal dazu wünscht. Cash versucht erst gar nicht, diese Lücke zu schließen, was "The list" zu einer behäbigen, aber würdigen Ehrerbietung macht. Das Album ist natürlich keineswegs eine Fortsetzung der "American recordings". Deren letzter Teil wird "American VI: Ain't no grave" heißen und Ende Februar erscheinen. Darauf wartet man sowieso. Doch auch "The list" macht neugierig: Welche 88 anderen Songs standen wohl noch auf Daddys Liste? Das behält Cash erst einmal für sich.

(Oliver Ding)

Bei Amazon bestellen / Preis prüfen für CD, Vinyl und Download
Bei JPC bestellen / Preis prüfen für CD und Vinyl

Bestellen bei Amazon / JPC

Highlights

  • Motherless children
  • I'm moving on
  • Long black veil (feat. Jeff Tweedy)
  • Girl from the north country

Tracklist

  1. Miss the Mississippi and you
  2. Motherless children
  3. Sea of heartbreak (feat. Bruce Springsteen)
  4. Take these chains from my heart
  5. I'm movin' on
  6. Heartaches by the number (feat. Elvis Costello)
  7. 500 miles
  8. Long black veil (feat. Jeff Tweedy)
  9. She's got you
  10. Girl from the north country
  11. Silver wings (feat. Rufus Wainwright)
  12. Bury me under the weeping willow

Gesamtspielzeit: 40:13 min.

Bestellen bei Amazon

Anhören bei Spotify