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Owl City - Ocean eyes

Owl City- Ocean eyes

Motown / Universal
VÖ: 05.02.2010

Unsere Bewertung: 5/10

Eure Ø-Bewertung: 7/10

Blubberlutsch

Wer heute noch Karriere machen will, der hat weniger Einschussmöglichkeiten als weiland Udo Jürgens. Casting Shows? Zwei Minuten Rampenlicht-Schweiß, drei "Explosiv"-Specials Sommerloch-Klatsch, Resteverwertung im Dschungel-Camp mit Thomas Godoj, Ende. Plattentests.de? Gute Idee, bloß: Da kommt längst nicht jeder hin. Myspace? Gute Idee, nur: Da ist sowieso schon jeder. Warum nicht mal realistisch sein? Warum nicht mal ganz unten anfangen? Adam Young füllte bis neulich hauptberuflich Cola-Flaschen und buckelte bei UPS - eine Myspace-Seite pflegte er nebenbei allerdings auch noch. Beruflich beschäftige er sich mit Brausegesöff und Paketen, zuhause in der Garage mit seinem Synthesizer, Projektname Owl City. Nach einigen Indie-Veröffentlichungen, noch mehr LKW-Ladungen Cherry Coke und noch viel mehr Myspace-Klicks klopfte der Aufstieg an seiner Tür. Es folgten: Vertrag beim großen Plattenlabel, Top-10-Hit in unter anderm Übersee, Australien, Dänemark. Und mit Blubberlutsch und Paketen ist jetzt endgültig Schluss, der Artikel im Rolling Stone angeblich schon so gut wie redigiert - schluck das, Küblböck! Der Durchbruch in Deutschland? Folgt.

Unlängst haben schweizer und österreicher Format-Spezialisten Adam Youngs Single "Fireflies" für die Musikpausen zwischen ihren Werbeblöcken entdeckt, und auch in Deutschlands Morning-Shows stehen Owl City immer öfter dann parat, wenn die Plaudertasche am Mikrofon wieder Kaffee tanken muss. Genau da passt Young überall gut rein, ohne anzuecken. Der Grund dafür findet sich vermutlich in Youngs Vergangenheit abseits von UPS und Coca Cola. Jede Wette: Wann immer The Postal Service sich in seine Heimatstadt verliefen, stand Adam Young mit Notizblock und Handy-Kamera in der ersten Reihe, studierte Aufbau und Gestik der Show wie ein F-Jugend-Knirps die Jubelposen von Schweini, Poldi und Luca Toni. Adam Youngs Stimme, Betonung und Phrasierung ähnelt Ben Gibbards Schmeichel-Gesang so sehr, dass dieser eigentlich Alimente beantragen müsste. Und Youngs Versuche, Dntel-Elektronik nachzuprogrammieren, sind bisweilen so offensichtlich, dass es ein Fall für den Datenschutz ist.

Kaum verwunderlich also, dass Young mittlerweile abwinkt, sobald jemand auch nur einen Plagiats-Vorwurf antäuscht. Dabei liegen hierin ein paar Stärken seiner Platte "Ocean eyes". Wenn Young in "Fireflies" zu Gibbonscher Melodieverliebtheit diese Beats schaltet, die zu intim für Hüttenzauber und zu verschlafen für Filmriss-Zappelbude sind, schafft er einen toleranzbefreiten Klang-Raum. Und kriegt sie damit fast alle: SR3-Programmdirektoren, die sich schon kurz vor Green Day Sorgen um die Toleranzgrenze ihrer kleinsten gemeinsamen Laufkundschaft machen. Wummsbuden-Pomeranzen, die sonntags nach der großen Sause noch ein wenig Auslauf brauchen. Papa. Mama. Kind. Und auch uns Eher-Gitarren-Typen, die wir elektronische Musik sonst für einen Betrugsversuch am Hörer halten, sechs Punkte maximum, klar.

Und wer "Fireflies" mag, der mag diese Platte. Müsste sie eigentlich mögen. Schließlich sind sämtliche der anderen Songs um die Hitsingle nach dem gleichen Strickmuster gebaut: Adam Young flüstert, mauzt und umschmeichelt diese Gesangsharmonien wie ein ralliger Kater, rattert Harmonien runter, als hätte er sie vorher im Katalog auf Vorrat bestellt und lässt seinen Synthesizer wie Commodore-Computer klingen, die er reanimiert hat. Dennoch: So einfach ist es nicht. Ohne Adam Youngs Beats, mit denen er seine Stücke be- und entschleunigt, könnte man bisweilen denken, gerade eine Wiederholung von vorhin zu hören. Und wenn er zur Halbzeit von "Vanilla twilight" mal die Tonart wechselt oder in "Cave in" mit den Fingern schnippt, ist das schon ein Riesenaufreger auf dieser Platte, die Indietronica, Disco und Pop schon mal wie Konfektionsware aneinanderreiht. In "Dental care" verstopft Adam Young einen ganzen Song mit einer Geschichte vom Besuch beim Zahnarzt. Aber was soll heute schon jemand zu erzählen haben, der gestern noch Flaschen und Pakete stapelte?

(Sven Cadario)

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Highlights

  • Cave in
  • Fireflies

Tracklist

  1. Cave in
  2. The bird and the worm
  3. Hello Seattle
  4. Umbrella beach
  5. The saltwater room
  6. Dental care
  7. Meteor shower
  8. On the wing
  9. Fireflies
  10. The tip of the iceberg
  11. Vanilla twilight
  12. Tidal wave

Gesamtspielzeit: 42:52 min.

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