Fanfarlo - Reservoir

Atlantic / Warner
VÖ: 22.01.2010
Unsere Bewertung: 8/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10

Die Weichmacher
Das erste Jahrzehnt der 2000er Jahre ist geschafft, der Indie-Rock ist tot, und Chucks trägt mittlerweile sowieso jeder dahergelaufene Depp mit den Jeans in den Socken. Vieles im abgelaufenen Jahrzehnt gab es zu bestaunen, vieles zu belächeln, und wahrscheinlich hat man ebensoviel auch einfach schlicht übersehen. Trotzdem, die Indie-Fraktion hatte zehn schöne Jahre voller neuer Lieblingsbands und 100 verschiedener Songs, von denen jeder einzelne DER Song überhaupt war. Auf den Konzerten ist man gemeinsam mit der Menge so lange in die Luft gesprungen, bis die Hose langsam bedrohlich weit nach unten rutschte. Man lag sich in den Armen und konnte zu jedem Klang der Akustikballade Rotz und Wasser heulen. Und bei einem netten englischen Gassenhauer auch einfach mal ordentlich voll sein.
Kann denn jetzt noch etwas kommen, was jeden überrascht, der meint, alles zu kennen? Der The National, Arcade Fire und Belle & Sebastian in seinem Plattenregal in Ehren hält? Der mit Paul Smith nach der Show angestoßen hat? Und der sowieso alles, was je den "Indie"-Stempel aufgedrückt bekam, in sich aufgesogen hat wie ein Schwamm? Den soll man noch beeindrucken? Nach so einer langen Zeit? Fanfarlo kennen da nichts. Die klopfen mit ihrem Debüt "Reservoir" nicht einfach nur recht spät an, sondern lassen den Holzhammer dabei auch noch daheim. Spät, aber Gott sei Dank gerade richtig. Dass die sechs Londoner klingen, als hätten sich oben genannte Indie-Wohltäter zusammengetan und würden nun ihre jeweilige Stärke nach außen kehren, kann dabei nur von Vorteil sein.
Los geht es mit "I'm a pilot" und Streichern, während der Gesang von Simon Balthazar die Melodie selbst dermaßen weich trägt, dass man glauben könnte, Weihnachten stünde gerade erst wieder vor der Tür. Die Zeile "If I stay in this room / They'll remember me for my youth" versteht sich von alleine als the next big Lieblingszitat in den coolsten Profilen der sozialen Netzwerke. Und während das ruhige, von Bläsern begleitete "If it is growing" eine Art der Gänsehaut verursacht, wie man sie sonst vielleicht nur dann erlebt, wenn man im T-Shirt durch den Sommerregen läuft, trifft einen "Comets" wie ein eben solcher ganz tief. Da soll mal ein Auge trocken bleiben, während man mit Balthazar im Chor singt: "We'll tear it down / We'll hold the truth by the neck." Und schon fängt man an, die letzten zehn Jahre Revue passieren zu lassen.
Diese Momente machen "Reservoir" aus. Für jeden neuen Tag gibt es den neuen liebsten Song, und die philosophische Runde wird an den Texten ihre helle Freude haben. Das poppig polternde "The walls are coming down" weiß mit Glockenspiel und Trompete zu überzeugen, und "Harold T. Wilkins, or how to wait for a very long time" eignet sich trotz des komplizierten und langen Titels, aber dank seinem Mitmach- und Mitwippeffekt perfekt für das Mixtape zur nächsten großen Liebe. Die könnten Fanfarlo selbst auch werden, wenn sie auch in Zukunft weitermachen, wo unsere alten Lieblingsbands irgendwann aufgehört haben. Ein "Reservoir" von guten Gefühlen. Bereit für eine neue Liebe?
Highlights
- Luna
- Comets
- Drowning men
- If it is growing
Tracklist
- I'm a pilot
- Ghosts
- Luna
- Comets
- Fire escape
- The walls are coming down
- Drowning men
- If it is growing
- Harold T. Wilkins, or how to wait for a very long time
- Finish line
- Good morning midnight
Gesamtspielzeit: 42:34 min.
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(Neueste fünf Beiträge)
User | Beitrag |
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diggo Postings: 156 Registriert seit 02.09.2016 |
2021-10-02 20:20:54 Uhr
vor kurzem (eher zufällig) wiedermal aufgelegt… nach wie vor eine fantastische platte. absolutes meisterwerk! |
@colin |
2010-05-30 00:49:47 Uhr
*facepalm* |
colin |
2010-05-29 23:36:29 Uhr
komm grade vom konzert. sogar in live eine macht... das album ist sowieso grandios |
novemberfliehen |
2010-05-28 14:38:31 Uhr
Fanfarlo - In the Aeroplane over the Sea (Neutral Milk Hotel Cover)>>> http://www.youtube.com/watch?v=bVMfsQ_cM8s |
qwertz |
2010-05-28 11:48:07 Uhr
Da stimme ich zu. Vielleicht meine stärkste 7/10 dieses Jahr. Der tolle Bonustrack "Sand & ice" sei denjenigen, die ihn noch nicht kennen, wärmstens ans Herz gelegt. |
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Referenzen
Noah And The Whale; Clap Your Hands Say Yeah; David Byrne; Talking Heads; Arcade Fire; Belle & Sebastian; Slow Club; Bowerbirds; Edward Sharpe & The Magnetic Zeros; Sea Wolf; Throw Me The Statue; Papercuts; Eagle*Seagull; The Dodos; The Gentle Waves; The National; Sun Kil Moon; Red House Painters; God Help The Girl; The Reindeer Section; Telekinesis!; The Pearlfishers; Beulah; The Hidden Cameras; American Music Club; Mark Eitzel; The Beautiful South; Harlem Shakes; Badly Drawn Boy; Mumford & Sons; The Drums; Bombay Bicycle Club; Clem Snide; The Go-Betweens; Bonnie 'Prince' Billy; Saturday Looks Good To Me; The Delgados; Lambchop; Wilco; The Walkabouts; Turin Brakes; The Decemberists; Mojave 3; Neil Halstead; Guillemots; The Divine Comedy; My Life Story; I Am Kloot; Port O'brien; Foreign Born; Local Natives
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