LaBrassBanda - Übersee
Trikont / Indigo
VÖ: 23.10.2009
Unsere Bewertung: 7/10
Eure Ø-Bewertung: 6/10
Do legsd di nieda
Wann in den letzten Jahren war der Begriff "Kulturphänomen" je angebrachter als bei LaBrassBanda? Ganz egal, wo das Quintett aus dem idyllischen Chiemgau letztens aufspielte - die Meute wogte wie verrückt, tanzte bis zum Kreislaufkollaps, während die Musiker auf der Bühne mit mindestens ebenbürtigem Körpereinsatz ihre Blasinstrumente befeuerten. LaBrassBanda sind ein globaler Underground-Hit geworden. Im Bierzelt in Hinterjettenbach zur 250-Jahr-Feier der örtlichen Feuerwehr kochte der Tanzboden ebenso wie in Hamburg, in Berlin, ja sogar in London, Afrika oder auf dem Roskilde-Festival. Das Debütalbum "Habedieehre" wurde im heimischen Musikexpress genauso begeistert rezensiert wie im englischen Songlines oder im San Francisco Guardian. Seit der Spider Murphy Gang war kein Export aus Bayern mehr so erfolgreich. Da kratzt sich nicht nur der Trachten-Sepp am Gamsbart und fragt sich: "Wia mochan de des?"
Die Antwort lautet: Sie sprengen Genregrenzen. Der Plan, der hinter der Gründung von LaBrassBanda stand, war folgender: Traditionelle bayerische Blasmusik wird durch Schlagzeug- und Bassbegleitung tanzbodentauglich gemacht und zudem mit Reggae, Funk, Disco, Mariachi-Klängen und Gypsy-Polka in den Mixer geworfen. Über diese zünftige Unterlage intoniert dann noch ab und an Trompeter Stefan Dettl ruppige Mundart-Texte über Beziehungsstress und das Landleben, und live wird das alles natürlich mindestens viermal so schnell gespielt wie auf Platte. Das ganz und gar untypische Line-Up, mit dem dieser bajuwarische Molotowcocktail präsentiert wird, lautet Trompete-Posaune-Tuba-Bass-Schlagzeug. Pflicht ist, auf der Bühne barfuss zu spielen und Lederhosen zu tragen. Um es kurz zu machen: Der Plan ist vollends aufgegangen. Innerhalb kürzester Zeit verbreitete sich das Lauffeuer LaBrassBanda erst über Bayern, dann über den Rest der Welt. Auffallend am nun erschienen zweiten Album "Übersee", benannt nach dem Heimartort am Chiemsee, ist, dass die Songs im Vergleich zum Debütalbum wesentlich geradliniger zum springenden beziehungsweise tanzenden Punkt kommen.
Zwar gibt es immer noch besinnliche und melancholische Ausflüge in Reggae und Dub, doch über weite Strecken dominieren Disco-Funk, Polka und sonst alles, was tanzbar ist und nicht bei drei auf dem Maibaum war. Zudem wurde der Anteil der Instrumentalstücke stark zurückgefahren, was den Songs jedoch nicht schadet. Denn so erhält der Hörer, egal ob Bayer oder Saubreiss, wertvolle Einblicke in Volkslyrik made in Bavaria. Wie im Hause LaBrassBanda üblich, handelt der Großteil der herzhaft vorgetragenen Texte vom anderen Geschlecht. "Du liegst do aufm Bauch, draamsd recht selig vor di hi / War woi koa so schlechte Nochd, gestan warn ma no per Sie", lautet das romantische Resümée in "VW-Jetta". "Hey Dirndl, schau di o / Wenn du so weidaduasd, rennd da's Lebn davo", ermahnt Dettl hingegen die Angebetete im sinnigen "Inter Mailand" dazu, endlich einmal aus sich herauszugehen.
Im ebenso simplen wie unterhaltsamen Opener "Bierzelt" oder im wahnwitzigen Alpen-Rap "Bauersbua" schlagen LaBrassBanda hingegen ganz andere Töne an und nehmen die Kultur der Heimat bissig und zudem ziemlich witzig aufs Korn. Wie die scheinbar unerklärlichen Erfolge in aller Welt zeigen, muss man weder Deutsch noch Bairisch verstehen, um diese Band gut finden zu können. "Übersee" ist ein weiteres tolles Album geworden - zwar nicht so grandios wie das in jede Richtung ausschweifende Debüt, aber trotzdem ohne weiteres ein garantierter Kracher auf jeder Indie- oder Dorfdisko-Party. Unerlässlich für das volle Verständnis des Kulturphänomens LaBrassBanda ist jedoch ohnehin das Live-Erlebnis. Demnächst auch in Ihrer Nähe. Aber bitteschön mindestens ein T-Shirt zum Wechseln mitnehmen.
Highlights
- Rotes Hoserl
- Bauersbua
- Ragga
- Deyda
Tracklist
- Bierzelt
- Rotes Hoserl
- Ringlbleame
- VW-Jetta
- Bauersbua
- Des konnst glam
- Ofree
- Scetches
- Inter Mailand
- NaNaNa
- Ragga
- Deyda
- Doda Hos
Gesamtspielzeit: 54:53 min.
Referenzen
Hans Söllner; Biermösl Blosn; Weißwurscht Is; De Krippelkiefern; Ausseer Hardbradler; Bluatschink; Hubert Von Goisern; Bairisch Diatonischer Jodel-Wahnsinn; Haindling; Attwenger; Monsters Of Liedermaching; Bürgermeista; The Cat Empire; Shantel; Kal; Slonovski Bal; Fanfare Ciocarlia; Watcha Clan; Mardi Gras.bb; Youngblood Brass Band; Jahcoustix; Irie Révoltés; Jamaram; Mano Negra; Manu Chao; Madness; Bob Marley; The Specials; Peter Tosh; The Great Bertholinis; Leningrad Cowboys; Kaizers Orchestra; Eläkeläiset; Seeed; Culcha Candela; Ohrbooten; Peter Fox; Dellé; beNUTS; Balkan Beat Box
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