William Fitzsimmons - The sparrow and the crow
Groenland / Cargo
VÖ: 23.10.2009
Unsere Bewertung: 7/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
Szenen keiner Ehe
Als alles kaputt war, ging William Fitzsimmons in Therapie. In ein Studio, mit seiner Gitarre, und sang über sein Leben, bis zwölf Stücke später nichts übrig war von dem Schmerz und der Trauer und der Hilflosigkeit in ihm. "The sparrow and the crow" ist nicht einfach ein Album mit persönlichen Themen. Es ist der lange Nachklang einer zerbrochenen Ehe mit all ihren Schuldzuweisungen, offenen Fragen, Zweifeln, Erkenntnissen und gelernten Lektionen. Und es ist die größere, demütige Reflektion der eigenen Geschichte und Person, mit ihren Erzählungen von Schmerz und Verlust, von Loslassen und Verlassenwerden. Was er sich von der Seele singen muss, haucht Fitzsimmons dabei zu Piano, Gitarre und dezenter Perkussion noch immer so sanft und leise ins Mikrofon, als wären die Worte ebenso zerbrechlich wie die Verbindungen der Menschen miteinander.
Nahtlos schließt "The sparrow and the crow" thematisch und musikalisch an "Goodnight" an. Der Opener "After afterall" baut die Brücke zum letzten Song des letzten Albums und kann den vergangenen elf Monaten doch kein Stück Vergessen abringen: "I still love you / I still want you / I still need you / After all", legt sich Fitzsimmons offen, und fleht: "Please don't keep me / Please don't leave me." In allen Facetten zeichnet der bärtige Poet seine zwischenmenschliche Tragödie, gibt seiner Ex-Frau in "I don't feel it anymore (Song of the sparrow)" durch seine Duettpartnerin eine Stimme, bekennt nicht zum ersten oder letzten Mal in "Please forgive me (Song of the crow)" seine Schuld am Scheitern der Beziehung ("I tore your heart to pieces") und spürt in "Further from you" den Gefühlen von Trennung und Eifersucht nach. Dazwischen gibt es Momente, wo Fitzsimmons wie in "We feel alone" sich in seinen Fehlern aus der eigenen Familienvergangenheit herzuleiten versucht.
So niederschmetternd die Erkenntnisse von Fitzsimmons sein könnten, der sich selbst nie schont, so sehr schwebt die Geste der Versöhnung in gebührender Distanz über der Musik. "We'll love again / But just not each other", sucht der Barde sich in "Just not each other" mit dem Schicksal auszusöhnen, und auch die Zeile "There is love left in my life / I will see" aus "You still hurt me" trägt soviel versöhnliches Erdulden in sich, dass der ausgebildete Therapeut Fitzsimmons beinahe wie ein predigender Geläuterter scheint. "They'll never take the good years" hängt sich an die guten Erinnerungen, kann aber im Nachsatz die schmerzvolle Trauer nicht wegwischen: "God, I wish I would've learned." Im Walzer-Moll von "Find me to forgive" kommt noch einmal die ganze Wucht der Emotionen zusammen: Die Verzweiflung über das eigene Versagen, der pulsierende Schmerz des Verlusts und die Ungewissheit über das neue Leben der ehemals Geliebten kulminieren in der bangen Frage, was nach dem eigenen Freitod in der Erinnerung des anderen von einem bleiben würde: "Would you forgive me / Or bring flowers to me / By the grave."
Wenn Fitzsimmons dann im letzten Satz demütig loslässt, ist das so herzzereißend, wie jedes andere Stück zuvor: "Remember my name, find me to forgive", lautet seine geringe Bitte. So nah gehen nur die wenigsten Künstler an ihre emotionalen Wunden und nehmen den Hörer dabei mit. Dennoch ist diese Musik kein psychischer Tiefschlag, Fitzsimmons gießt eher das heiße Bad nach einem völlig schief gelaufenen Tag ein, das einen wissen lässt, dass das Schlimmste überstanden ist. Am Ende steht die Hoffnung: "You will find love" lautet die tröstliche Gospel-Parole im letzten Song "Goodmorning" - ein Erwachen ohne Blut in den Wunden nach dem traumlosen Schlaf von "Goodnight". Dann die final tröstenden Worte: "Your heart will mend". Was kaputt war, wird heilen.
Highlights
- Please forgive me
- Further from you
- You still hurt me
- Find me to forgive
Tracklist
- After afterall
- I don't feel it anymore (Song of the sparrow)
- We feel alone
- If you would come back home
- Please forgive me (Song of the crow)
- Further from you
- Just not each other
- Even now
- You still hurt me
- They'll never take the good years
- Find me to forgive
- Goodmorning
Gesamtspielzeit: 40:07 min.
Referenzen
Iron & Wine; Bonnie 'Prince' Billie; Bon Iver; Ray LaMontagne; Sufjan Stevens; Rosie Thomas; Denison Widmer; Elliott Smith; Kings Of Convenience; Nick Drake; J. Tillman; Joshua Radin; Howie Day; Tom Mcrae; Josh Ritter; Damien Rice; Ron Sexsmith; Bright Eyes; Sun Kil Moon; Heatmiser; Tim Buckley; Jeff Buckley; Marzuki; M. Ward; Tim Hardin; Okkervil River; José González; Damien Jurado; Shooting John; Vashti Bunyan; The Mountain Goats; Yusuf; Fionn Regan; Gomez; Scott Garth; Great Lake Swimmers; Sparklehorse; Sophia; My Morning Jacket; Wilco; Joni Mitchell; Simon & Garfunkel
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