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Mumford & Sons - Sigh no more

Mumford & Sons- Sigh no more

Island / Cooperative / Universal
VÖ: 23.10.2009

Unsere Bewertung: 8/10

Eure Ø-Bewertung: 9/10

Ein Naturereignis

Wenn Shakespeare nicht längst den Füllfederhalter abgegeben hätte, würde er jetzt wahrscheinlich eine monatliche Kolumne in der "Brigitte" schreiben. Schließlich war er ein Frauenversteher, wie er im Buche steht - zum Beispiel in "Viel Lärm um nichts". In jener intrigenfreundlichen Liebeskomödie trinkt der gute William, verkleidet als Don Pedros Diener Balthasar, nämlich ganz offiziell Schwesternschaft mit der holden Weiblichkeit: "Sigh no more, ladies, sigh no more / Men were deceivers ever / One foot in sea, and one on shore / To one thing constant never." Ausgerechnet diese beinahe anbiedernd einfühlsamen Worte zur Wankelmütigkeit der männlichen Seele greifen Mumford & Sons nicht nur im Titel, sondern auch im Opener ihres Debüts auf: "Sigh no more, no more / One foot in the sea, one on the shore / My heart was never pure / You know me." Selbstanzeige wirkt bekanntlich strafmildernd.

Dabei haben Mumford & Sons sich doch überhaupt nichts zu Schulden kommen lassen, ganz im Gegenteil: Sie haben den Master-Studiengang Fleet Foxes mit Bravour absolviert, das vermutlich schnellste Banjo Englands in ihren Reihen, konnten Markus Dravs (Arcade Fire, Björk, Coldplay) als Produzent gewinnen und sind die einzige Naturgewalt, die das Format hat, mit Beth Ditto konkurrieren zu können. Na gut, zwei kleine Kavaliersdelikte gibt es dann doch zu beichten: Marcus Mumford heißt gar nicht Mumford, sondern Johnstone, und die vier sind auch nur im Herzen ein Familienbetrieb. Den haben sie dafür aber von Crosby, Stills, Nash & Young übernommen. Seit zwei Jahren leiten Mumford & Sons die Geschicke des Unternehmens mit großem Traditionsbewusstsein und der euphorischsten Bodenständigkeit, die man sich vorstellen kann.

Das ist goldenes Handwerk, das ist ein Erntedankfest für die Ohren, das sind Lieder, die sich trotz ihrer Unabhängigkeit bestimmt jeden Mittag an einem großen rustikalen Holztisch versammeln und mit leuchtenden Augen darauf warten, dass Oma den dampfenden Eintopf serviert. Wenn Marcus Mumford, Winston Marshall, Ben Lovett und Ted Dwane ihre Stimmbänder in Schwingung versetzen, kann man kaum glauben, dass sie nicht verwandt sind - diese Art von Harmoniegesang, den kriegen eigentlich nur Geschwister hin. Statt familiärer Verpflichtungen hat Mumford diverse Percussion-Instrumente am Bein, die er in bester Alleinunterhalter-Manier zum Klingen bringt, während er mit aller erdenklichen Hingabe singt und wie nebenbei so meisterlich klampft, dass man über seinen ehemaligen Job etwas erstaunt ist: Er war nicht etwa Gitarrist, sondern Drummer in der Band von Folk-Fräulein Laura Marling, die auch Kontrabassist Dwane und Banjo-Dobro-Derwisch Marshall beschäftigte.

Man könnte Schubladen aufziehen, könnte Mumford & Sons unter Folkrock, Americana oder Bluegrass einsortieren, aber diese vier Typen, die mit Anfang Zwanzig schon wie gut abgehangene Mitte Vierzig klingen, sind in der Summe weitaus mehr, als in eine Eichenholz-Kommode passt. Wenn sie zusammen Musik machen, dann sind sie eine mächtige Einheit, eine Institution, ein Biotop. Schon in den ersten, noch vorsichtigen Klängen der Akustikgitarre steckt eine Intensität, der man sich nicht entziehen kann. Und dann setzen diese gewaltigen, wetterfesten Stimmen ein, die gleichzeitig so sanft und umarmend klingen, dass man sofort weiß: In den kommenden 48 Minuten wird nichts schief gehen. Der Opener "Sigh no more" wird mit jeder Runde majestätischer und am Ende klingt's - dieser Eindruck wird sich innerhalb der folgenden 11 Songs noch öfter einstellen - wie ein nächtlicher Ausflug auf hoher See, die Wellen wogend, das Schiff aus gutem Holz geschnitzt, die Stimmung ein Kippbild aus Abenteuerlust und Heimweh. Volle Kraft voraus.

"The cave" ist vielleicht das beste Beispiel für diese Ursprünglichkeit, diese Naturbelassenheit und dieses Entfesselte, das in den Songs der Londoner steckt. Die Instrumentierung bleibt dabei stets traditionell - Gitarre, Banjo, Kontrabass, dezente Percussion, sparsam eingesetzte Tasteninstrumente, hier und da ein paar Bläser oder eine Fiddle. Wie im deutlich folkloristischen Vorspann von "Roll away your stone", bei dem innerhalb kürzester Zeit ein halsbrecherisches Banjo das Kommando übernimmt. Einmal angeschubst, entwickeln diese Stücke eine schier unfassbare Eigendynamik, man höre sich nur einmal "Little lion man" an. Was man Mumford aufgrund seiner vermeintlichen Karohemdsärmeligkeit nicht so recht zugetraut hätte, sind die leisen, fragilen Töne - aber mit "White blank page" beweist er mehr als nur das Gegenteil. In der zweiten Albumhälfte sind die Melodien nicht mehr ganz so flammend, aber es lodert immer noch äußerst eindruckvoll. Wenn der Familienbetrieb Mumford & Sons ein Motto hat, dann ist es wohl dieses hier: "Where you invest your love / You invest your life." Das hätte Shakespeare auch nicht besser ausdrücken können.

(Ina Simone Mautz)

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Highlights

  • Sigh no more
  • The cave
  • White blank page
  • Little lion man

Tracklist

  1. Sigh no more
  2. The cave
  3. Winter winds
  4. Roll away your stone
  5. White blank page
  6. I gave you all
  7. Little lion man
  8. Timshel
  9. Thistle & weeds
  10. Awake my soul
  11. Dust bowl dance
  12. After the storm

Gesamtspielzeit: 48:41 min.

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(Neueste fünf Beiträge)
User Beitrag

Martinus

Postings: 519

Registriert seit 13.01.2014

2021-03-10 16:11:45 Uhr
Ich höre sie gerade wieder, und ist es definitiv objektiv eine 9 und in Anbetracht dessen, dass sie für mich der Einstieg in ein mir damals fremdes Genre war, eine 10.

Peacetrail

Postings: 3890

Registriert seit 21.07.2019

2019-07-29 15:37:12 Uhr
Habe mit Blick auf den zehnten Geburtstag die CD rausgekramt und siehe da - Ihr könnt gerne anderer Meinung sein – 9/10.
Instrumentierung und Stimme sind der Hammer, das war damals alles neu und frisch.
Babel (auch noch cool, aber nicht mehr neu) 7/10
Wilder Mind (gewisser Flow, aber nun ja) 6/10
Johannesburg (immer noch geile Stimme, aber zuviel gewollt-und-nicht-gekonnt-Afrika-Kram) 5/10
Delta (kenne ich nicht im Ganzen)

Hab nicht geguckt, könnte aber fast mit den PT-Bewertungen übereinstimmen. Ja, ich weiß: Ich habe also keine Ahnung.
sv
2011-11-11 18:40:30 Uhr
The Enemy

http://www.youtube.com/watch?v=30XKzxnTYK8&feature=feedu


Written by Mumford & Sons for Andrea Arnold's 2011 film adaptation of Emily Bronte's Wuthering Heights.
roll away your stone
2011-08-23 14:30:19 Uhr
neues video

ROLL AWAY YOUR STONE
http://www.youtube.com/watch?v=xUsFijbyouo&feature=feedu
Tim
2011-07-22 00:56:59 Uhr
wann kommt es denn nun???
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