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Amy Millan - Masters of the burial

Amy Millan- Masters of the burial

Arts & Crafts / Al!ve
VÖ: 23.10.2009

Unsere Bewertung: 5/10

Eure Ø-Bewertung: 9/10

Nur der Mann im Mond hört zu

Was diese Platte braucht, ist ein Feuerwerk. Ein Sirengeheul. Ein Megaphon, mitten aufs Trommelfell gebrüllt. Denn sie muss vor allem eines: endlich aufwachen! Amy Millan, bei den Stars unangefochtene Lautsprecherin, tuckert mit "Masters of the burial" im Schlafabteil durch den mittleren Westen ihrer Melancholie. Nein, nicht mit dem Leichenwagen - denn für derart viel Tiefe ist das hier eindeutig zu kuschelbedürftig. Wenn "Masters of the burial" mit "Bruised ghosts" gleich mal frontal ins Schlummerland springt, dann weiß man, was die Stunde geschlagen hat. Waldhörner buhuen, die Slidegitarre jammert, Millan säuselt umher wie ein Rehkitz hinterm Dornenbusch. Ein prima Lied, aber auch so dermaßen fehl am Platz: Denn danach wieder aufzustehen, wird die anstrengendste Übung sein, die "Masters of the burial" zu verrichten hat.

Gleich "Low sail" versucht mit einem Midtempo-Picking sein Möglichstes, sinkt zwischen Cello und Steel-Guitars aber doch wieder zurück gen Peterchens Mondfahrt. Und dann? "Old perfume", ein Sarah-Harmer-Cover, und "Towers" kultivieren nachhaltig die immergleiche Stimmung. Folk- und Country-Miniaturen, kaum mal drei Minuten schwer, werden von einem immensen Instrumentarium zugeflanscht und von Millans Intonation doch wieder abgespeckt. Viel zu vorsichtig, viel zu schläfrig geht das hier vonstatten. Man spürt überdeutlich, dass Millan ihren eigenen Songs nicht ganz über den Weg traut. Und deshalb selbst ihre schärfste Waffe entzahnt.

Dann aber "Day to day": Einzig von einem pumpenden EKG vorangetrieben, das seltsam matt, aber doch satt aus dem Off geschlagen wird, schafft es Millans Stimme, einen Weckruf aus dem Song zu stampfen. Gerade erst aus dem Koma erwacht, inszeniert dann ausgerechnet "Bury this" ein vertontes Vorhangaufziehen. Das Arrangement gleitet unfassbar sanft über die Gardinenstangen, öffnet sich mehrfach, doch sorgsam und mit Bedacht. Und man mag Millan, die sich immer noch an Kinderreimen abarbeitet, beinahe zurufen: Genau! Das ist ein Song! Um zu "Finish line" zu präzisieren: Geht das Gesäusel jetzt schon wieder los? Nein, nicht so ganz. "Run for me" traut sich immerhin, eine schnalzend verhallende, halbresonante Gitarre als einzigen Kontrapunkt gegen Millans Stimme zu setzen. Das funktioniert, weil hier die Intensitätsspanne nochmals unterschritten wird, und der Song quasi im mentalen Infraschall zu einem weiteren Wachrüttler avanciert. Auch "I will follow you into the dark" ist präzise und kickend aus der Death-Cab-For-Cutie-Vorlage herausarrangiert. Kein Meisterstück, aber doch ein kleines Spannungswunder.

Durch die neuen Gesangslinien angefixt, gibt auch der Schluss von "Masters of the burial" seine seltsam defensive Haltung auf. Wenn nun die Fiddles ziepen, so nehmen sie Country nicht länger als Schlafmittel ein, sondern eine gute Portion seiner ambivalenten Dynamik mit. Und Millan schafft es in der Tat, ihre Stimme doch noch etwas zu vertiefen. Am Ende steht eine Musik, die es auf den letzten Drücker geschafft hat, sich selbst aufzuwecken - sich darauf aber gemeinsam mit dem Hörer durchaus verwirrt und ratlos umblickt. Gar nicht weiß, wo sie jetzt hinsoll, mit all der frischen Energie. Das Album jedenfalls ist zu Ende. Und am Neuanfang wartet dräuend der erneute Tiefschlaf. Guten Morgen, liebe Sorgen.

(Tobias Hinrichs)

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Highlights

  • Bruised ghosts
  • Bury this
  • I will follow you into the dark

Tracklist

  1. Bruised ghosts
  2. Low sail
  3. Old perfume
  4. Towers
  5. Day to day
  6. Bury this
  7. Finish line
  8. Run for me
  9. I will follow you into the dark
  10. Lost compass
  11. Bound

Gesamtspielzeit: 31:24 min.

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