Blind Melon - For my friends
Adrenaline / E.A.R. / Edel
VÖ: 25.09.2009
Unsere Bewertung: 6/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
Auf einen abwesenden Freund
Es ist nicht bekannt, woher im April 2008 die Erschütterungen kamen, die Dayton, Indiana beben ließen. Die üblichen Experten schoben die Verantwortung auf eine geologische Verwerfung. Es könnte aber auch daran liegen, dass es ein gewisser Shannon Hoon ein paar Umrundungen in seinem Grab für nötig hielt. Hoon war, bis zu einer Kokainüberdosis 1995, Sänger der Grunge-Hippies Blind Melon. Die hinterbliebene Band hatte sich in pietätvoller Weise mit einem neuen Sänger auch einen neuen Bandnamen gegeben und 2000 als Unified Theory ein schickes Album veröffentlicht. Als aber die neue Gruppe zerfallen war, drängte sich der alte Bandname wieder auf. Und weil Christopher Thorn, Rogers Stevens, Brad Smith und Glenn Graham mit Travis Warren über genau jenen Sänger stolperten, der irgendwoher an Hoons Stimmbänder gekommen zu sein schien, gibt es tatsächlich ein neues Album von Blind Melon.
"For my friends" könnte kaum entwaffnender betitelt sein. Dieses Album ist für die wahren Freunde der Band, und die anderthalb Jahrzehnte später mitten im Leben stehende Zielgruppe wird dies dankend annehmen. Die anderen Fans (die mit den Anführungszeichen) wollten damals meist doch nur "No rain" hören und das putzige Bienenvideo sehen. Aber auch jene dürften auf ihre Kosten kommen, denn das Beklatschen der eigenen Erinnerung ist in diesem Fall durchaus gestattet: Blind Melon war damals ohnehin die nostalgischste Band aus den Alternative-Charts. Die Gitarren flirren und zwitschern immer noch so gesternselig, dass nur weiterentwickelte Gitarren-Effekte eine leise Ahnung von Moderne verbreiten. Als wäre Woodstock nicht vierzig Jahre her, sondern gerade erst reif fürs 25. Jubiläum, auf dem Blind Melon 1994 dann ja auch tatsächlich auftraten. So vermischen sich auf "For my friends" folkige Hippie-Seligkeit, bekiffter Westcoast-Rock und dezente Erinnerungen an das, was mal Grunge hieß.
Das je nach Zählweise dritte oder vierte Blind-Melon-Album macht also genau dort weiter, wo "Soup" 1995 kurz vor Hoons Tod die Luft angehalten und die Resteverwertung "Nico" im Jahr darauf kaum auszuatmen gewagt hatte: mit ausgebreiteten Armen im Kreis tänzelnd im antrocknenden Matsch irgendeines Sommerfestivals der letzten vierzig Jahre. "There's no way to describe what I feel today", schnurrt Warren in "Father time" und gibt damit den euphorisierten Zwilling von "No rain". "Wishing well" fürchtet sich nicht vor dem Sensenmann, in "Sometimes" hat die Orgel den Blues, "Make a difference" rockt beherzt los, "Tumblin' down" schunkelt fröhlich, und "So high" ist genau das. Dabei ist es erstaunlich, wie nah Warren seinem verstorbenen Vorgänger kommt. Die biegsame Melodieführung, die maunzenden Vokale, die leichtfüßige Phrasierung, das kehlige Falsett - alles da. Nur anstelle der allgegenwärtigen Übergeschnapptheit, die Hoon so unverwechselbar gemacht und auch seine Band immer wieder zu gewagten Exkursionen angestachelt hatte, tritt eine eher dezente Überdrehtheit.
Dennoch ist "For my friends" kein reines Selbstplagiat. Die Überlebenden haben sich die Entspannung, die alle dreizehn Songs verströmen, ebenso redlich verdient wie der kauzige Jungspund Warren, der früher Blind-Melon-Poster in seinem Zimmer hängen hatte. Schon im Titelstück preist er die "Love that I have for my friends" und ist damit ganz nah beim Motiv für diese Wiederaufserstehung. Von fiesem Etikettenschwindel, wie man ihn bei Queen oder den Doors erleben musste, ist "For my friends" daher weit entfernt. Auch wenn das Album nicht die einstige Magie besitzt, schenkt es seinen Hörern immerhin eine Handvoll Zufriedenheit, und das ist mehr, als zu erwarten war. Es war wohl doch kein im Grab rotierender Shannon Hoon, der 2008 in Dayton, Indiana die Erde beben ließ. Er hätte keinen Grund dazu gehabt.
Highlights
- Wishing well
- Make a difference
- Tumblin' down
- So high
Tracklist
- For my friends
- With the right set of eyes
- Wishing well
- Sometimes
- Tumblin' down
- Down on the pharmacy
- Make a difference
- Harmful belly
- Last laugh
- Hypnotize
- Father time
- So high
- Cheetum street
Gesamtspielzeit: 50:22 min.
Referenzen
Travis T. Warren; Unified Theory; Codename Mike; Candlebox; Our Lady Peace; Jane's Addiction; Pornos For Pyros; Blue Öyster Cult; Steve Miller Band; Lynyrd Skynrd; The Allman Brothers Band; Steppenwolf; Canned Heat; Led Zeppelin; Neil Young; Crazy Horse; Ben Harper; Stone Temple Pilots; Scott Weiland; Eleven; Mother Love Bone; Temple Of The Dog; Pearl Jam; Phish; Spin Doctors; Widespread Panic; Grateful Dead; Counting Crows; The Black Crowes; Guns N' Roses; Ugly Kid Joe; Red Hot Chili Peppers; John Frusciante; Blues Traveler; Zen Guerrilla; Pothead; Clutch; Echobrain; Sponge; Screaming Trees; Seven Mary Three; Love Battery; The Tragically Hip; Mother Tongue; The Afghan Whigs; Soundgarden; Kings Of Leon; Cold War Kids; Jeff Buckley; Live; AC Acoustics; Dishwalla; Jack Johnson; Lenny Kravitz; Marcy Playground; Turin Brakes; R.E.M.; Selig
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- Blind Melon (40 Beiträge / Letzter am 13.11.2019 - 20:03 Uhr)