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Vic Chesnutt - At the cut

Vic Chesnutt- At the cut

Constellation / Al!ve
VÖ: 18.09.2009

Unsere Bewertung: 8/10

Eure Ø-Bewertung: 7/10

Amazing grave

Dass behinderte Menschen auf Hilfe angewiesen sind, trifft mal mehr und mal weniger zu. Fast immer stimmt es jedoch, dass allzu aufdringliche Hilfe nicht willkommen ist. Vic Chesnutt zum Beispiel sucht sich seine Unterstützung stets selbst aus, und seine Auswahl wird dabei immer besser. Erst Widespread Panic, dann Lambchop und zuletzt A Silver Mt. Zion. Das mit den postrockenden Kanadiern und Fugazis Guy Piccotto eingespielte "North star deserter" war schon das Spannendste, was Chesnutt bis dahin angestellt hatte. Und weil er endlich ein "winning team" hatte, brauchte er es nicht mal zu ändern, um mit "At the cut" jetzt sogar noch einen drauf zu setzen.

Gedanken daran, dass Chesnutt alle theatralischen Ideen für den Soundtrack von "Mitte Ende August" aufgebraucht hätte, braucht niemand zu verschwenden. Mit dem fahrlässigen Orchester aus Montréal im Rücken, wächst sogar Chesnutts brüchige Stimme über sich hinaus. Sie wird in manch unruhiger Stille schwerelos und stemmt sich mit spontaner Stärke gegen tumultartige Arrangements. Die Gitarren fressen sich gegenseitig an, Geigen schwirren wie stechlustige Mücken, und Chesnutt rollt dazu über die Effektpedale. Manchmal, wie in der wunderbaren Eröffnung "Coward", spielt sich all das im selben Song ab. Drama, Baby.

Chesnutts Americana nimmt auf dem Weg zum Postrock noch den Umweg über Metal und Hardrock mit. Weil er sich auch auf ganz klassisches Crooning und den standesgemäßen Bänkelsang einlässt, sind seine Komplizen um Efrim Menuck schnell in ihrem Element. Ihre weit aufgerissenen Mikrofone dokumentieren jedes Knacken und Rascheln im Studio. Lediglich die gestrichenen Becken und malträtierten Saiteninstrumente abzubilden, wäre ja auch zu langweilig. Und so wächst im Echo der "Chinaberry tree" heran, durch "Chain" und "Granny" weht Staub aus dem Wilden Westen, und "We hovered with short wings" klingt gleich ganz so, als wäre es eben erst von einer alten Schellack-Platte geborgen worden.

Diese Musik hat die Anmut der Zerbrechlichkeit und alle Macht der Hoffnung. Es steckt das Leiden an der Wirklichkeit in ihr und der Glaube an die Gerechtigkeit. Und wenn "Philip Guston" aufbegehrt, zerschellt der abstrakte Realismus des besungenen Malers an Bluesriffs und entflammt an Piccottos lodernden Gitarren. War Gustons Geist bei "North star deserter" lediglich eingeladen, so spukt er jetzt durchs Album. Man könnte zynisch werden und feststellen, dass auch "At the cut" Chesnutts Arztrechnungen nicht bezahlen wird. Aber hier geht es um eine viel fundamentalere Sache: die Überwindung von Abhängigkeit. So wird das Überleben zur reinen Willenssache.

(Oliver Ding)

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Highlights

  • Coward
  • Chinaberry tree
  • Philip Guston
  • I flirted with you all my life

Tracklist

  1. Coward
  2. When the bottom fell out
  3. Chinaberry tree
  4. Chain
  5. We hovered with short wings
  6. Philip Guston
  7. Concord Country jubilee
  8. Flirted with you all my life
  9. It is what it is
  10. Granny

Gesamtspielzeit: 43:51 min.

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(Neueste fünf Beiträge)
User Beitrag

The MACHINA of God

User und Moderator

Postings: 34434

Registriert seit 07.06.2013

2014-08-13 17:42:05 Uhr
"Chinaberry tree"... was für ein Song.
bee
2010-04-28 13:04:30 Uhr
auch mit etwas Abstand: grandiose Platte, keine Ausfälle und welch intensive Stimmungen. Verdammt nah an der 10/10 ...
Moonchild_27
2010-02-03 21:30:18 Uhr
Merke gerade was für geniales Album das ist.
Warum gibts es soooo wenig von solchen
tollen platten.

Danke Vic und ruhe in Frieden.



georg
2009-12-29 14:40:33 Uhr
R.I.P.
Für mich war er auch einer der besten Songwriter, wobei seine Alben aus den 90ern, schon noch deutlich besser sind, als seine aktuellen Werke. West Of Rome ist ein Album für die Ewigkeit.
Anonymer Stammverehrer
2009-12-29 14:10:29 Uhr
Ja, nur vom lesen her. Aber deine Beiträge konnte ich immer ruhigen Gewissens abnicken :) Aber Schluss damit jetz, hier gehts schließlich um den gutsten Vic... Coward ist auch mein Favorit vom letzten und vielleicht schönsten Chesnutt-Werk.
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