Tara Jane O'Neil - A ways away

K / Cargo
VÖ: 07.08.2009
Unsere Bewertung: 7/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10

Seelenwanderung
Das mechanische Rattern eines Herzschlags. Das Knacken der Schwerkraft unter den Füßen. Oder der Hauch warmer Atemluft durch klirrende Kälte. Die Klänge des Profanen und zugleich Essentiellen haben es Tara Jane O'Neil schon seit langem angetan. Ihre Musik kümmert sich um Botschaften aus einer Zeit, in der die Mechanik des Lebens noch "klack" machte. Sie sucht nach Medien, die das Wesentliche, aber doch Unsichtbare spürbar werden lassen. O'Neil versteht das nach wie vor als Geisterbeschwörung. Was da zwischen diesen Klängen wohnt, was sie antreibt, was ihnen Kraft verleiht und ihnen den Atem raubt - all das sind geisterhafte Erscheinungen. Eine flüsternde Seele der Dinge.
So klingt auch ihr mittlerweile fünftes Album "A ways away" oft genug wie von fern herbeigeweht. Es umschwingt den Hörer kurz mit aller Macht und macht sich dann schon wieder wie ein flüchtiger Spuk auf und davon. Die Gitarrenlinien von "Dig in", "Drowning" und "Pearl into sand" schweben langsam aufeinander zu, zerwirbeln ihre Körper zu Dunstschwaden, trennen sich wieder und verpuffen in einer Atmosphäre aus Schall und Rauch. Dazu schwingen Tambourine ihren Takt wie ein schlummerndes Baby. Bassfrequenzen streichen wie ein dumpfer Wind durchs Gemäuer der Songs. Violinen und einzelne Schlagzeugfiguren tanzen in ihnen umher. Und O'Neils Gitarrenspiel entschleunigt klare Slides, countryeske Betonungen, Westernmotive und psychedelische Flächen so sehr, dass der sie unterlegende Hall zur Luft wird, die man atmen muss, will man hier am Leben bleiben.
Es stimmt schon: Mit "A ways away" schuf O'Neil ihr bisher songorientiertestes Album. Die Geister treten in den Hintergrund, erfüllen aber genau hier - wo sie ja eigentlich auch hingehören - die Songs mit ihrer Präsenz. Dachte O'Neil zunächst tatsächlich, dies hier sei ihr Pop-Album, so ließ sie sich den Kopf von einigen ihrer Freunde schnell wieder zurechtrücken. Man mag meinen, sie hörten das gespenstische Zwitschern der Mechanik, das O'Neil selbst gar nicht so recht erfassen kann. Weil sie - wie in "A vertiginous one" und "In tall grass" - mit mehreren, sich zu unfassbar zarten Gospel-Figuren verschlingenden Stimmen mittendrin ihre Mantren singt.
O'Neil sucht auch hier die Seele. Sie wirft Stimme und Musik weit von sich, um sie wieder auf sich zuströmen zu lassen. Irgendwo in diesen Bewegungen rattert ein Herzschlag, heult ein Phantom oder versinkt eine Hoffnung. Klänge des äußerst Realen werden verklärt, unwirklich, schemenhaft. Die Seelensammler, die hieraus entstehen, haben aber nichts derart Irdisches wie eine Essenz. Sie bleiben Hirngespinste. Zwischen der Mechanik, dem Profanen, dem Realen und dem Geisterhaften baut sich O'Neils Musik ihr Luftschloss. Ohne Fenster, Türen, Wände oder Grund und Boden. Ein Schneckenhaus, das sich überallhin mitnehmen lässt - denn es fliegt ohnehin bereits einige Atemzüge voraus.
Highlights
- Dig in
- Drowning
- Howl
- A vertiginous one
Tracklist
- Dig in
- In tall grass
- Drowning
- A new binding
- Howl
- Pearl into sand
- Beast, go along
- A vertiginous one
- Biwa
- The drowning electric
Gesamtspielzeit: 37:12 min.
Referenzen
Retsin; The Sonora Pine; The Naysayer; Ida; Dan Littleton; Mirah; Shannon Wright; Samara Lubelski; Hall of Fame; Jeff Mueller; Cat Power; Holopaw; Chris Brokaw; Thalia Zedek; Rex; The For Carnation; Calla; Shipping News; Lisa Germano; Jet Johnson; The American Analog Set; Rachel's; Threnody Ensemble; Nick Drake; David Pajo; Collections Of Colonies Of Bees; Joan Of Arc; Owen