Bibio - Ambivalence avenue
Warp / Rough Trade
VÖ: 19.06.2009
Unsere Bewertung: 7/10
Eure Ø-Bewertung: 6/10
Zeitsprung ins Glück
Stein ist ja ein höchst heterogenes Gemisch. Entsprechend hält es viele verschiedene Temperaturen aus, bevor die Molekular-Gitter das Rotieren anfangen und alles zu glühender Soße zerläuft. Eins jedoch dürfte sicher sein: Mit heißen Beats und Schweiß allein dürfte das nicht zu bewerkstelligen sein. Und: Dass es auch ganz anders geht, beweist Bibio, alias Stephen Wilkinson. Nach drei eher klassischen Folk-Tronics Platten gibt der mit "Ambivalence avenue" - auf Empfehlung von Chris Clark und Boards Of Canada höchstpersönlich - sein Warp-Debüt. Es bringt Steine zum Schmelzen, indem es so gar nicht schwitzt. Mehr noch: Es friert die Zeit ein, um sie selbst zu überspringen. Und geht sogleich über ins gasförmige Aggregat.
Auf "Sugarette" etwa verwirbeln sich Soundscapes, Clicks und dezentes Bassbratzen zu einem kaum wahrnehmbaren Siedepunkt. Als habe Bibio die umherzuckelnden Körper der Space Invaders gegen die Sonne geworfen, auf Zeitlupe gestellt und sämtliche spektralen Möglichkeiten aus ihnen herausreflektiert. Die Anfangs-Akkorde von "Lovers' cravings" sammeln die Farb-Tupfer auf, um in der schützenden Schürze einer Folk-Miniatur mit ihnen davonzuhüpfen. Auch "Abrasion" bleibt eine Americana-Taschenspielerei, diesmal jedoch zugleich luftig leicht und psychedelisch verschwurbelt.
Die Mitte seiner "Ambivalence avenue" zerstäubt Bibio damit quasi unter den Fingern. Doch wie ein Seifenblasen-Künstler jongliert er sie zu Effekten, die nachhallen, austrudeln und ohne Geräusch zerplatzen. Drum herum lauern Lieder, die ihre Gitarrenloops eindeutiger herausstellen, zugleich aber die Sanftheit und Luzidität weitertransportieren. Wie auf einem aus der Mitte ausgesandten Lichtstrahl fliegen "Haikuesque (When she laughs)" und der Titelsong durch ein ohnehin bereits schwereloses Instrumentarium. Querflöten, Klaviere, Shoegaze- oder Latin-Jazz-Gesang schunkeln sich in ein cineastisches Wetterleuchten, zu dem Pierre Richards Koteletten gedankenbefreit durch den Sommerwind wehen.
In dieser Umgebung können "All the flowers" mit der Beta Band dudeldick durch die Felder wanken, "Jealous of roses" in Richtung verspulte Yamiroquai und "The palm of your wave" zu Simon & Garfunkel unter die Decke springen. Mit "Cry! Baby!" und "Dwrcan" werden Elektronik, Jazz und Indie-Pop diskret ineinandergesetzt und somit am Verkanten gehindert. Und mittendrin inszeniert selbst "Fire ant" seinen verschlankten Hip-Hop-Beat zu irgendwas zwischen Hüpfen, Humpeln und Schweben. Sprich: "Ambivalence avenue" ist Frühling as Frühling can. Nicht nur leicht, sondern in den besten Momenten von dunklen Lasten befreiend. Hoffnungsfroh nach Außen blickend und doch den Blick stets nach Innen gekehrt. Musik, die nichts anderes will, als drei Meter über sich selbst und dem Boden zu schweben. Um Momenten, die in Stein gemeißelt wurden, beim Zerfließen zuzusehen.
Highlights
- Ambivalence avenue
- Sugarette
- Dwrcan
Tracklist
- Ambivalence avenue
- Jealous of roses
- All the flowers
- Fire ant
- Haikuesque (When she laughs)
- Sugarette
- Lovers' carvings
- S'vive
- The palm of your wave
- Cry! Baby!
- Dwrcan
Gesamtspielzeit: 42:59 min.
Album/Rezension im Forum kommentieren (auch ohne Anmeldung möglich)
Teile uns Deine E-Mail-Adresse mit, damit wir Dich über neue Posts in diesem Thread benachrichtigen können.
(Neueste fünf Beiträge)
User | Beitrag |
---|---|
Oh ja! |
2012-09-30 20:02:32 Uhr
Geiles TEil! |
humbert humbert |
2011-12-17 00:50:51 Uhr
Seit langen mal wieder gehört & ganz vergessen wie gut es ist. Die Highlights würde ich aber zum Teil etwas anders setzen (z.B. bei'Sugarette' oder ' Dwrcan') als die User über mir. Ist jedoch egal, da gutes Album 9/10. |
rhdf |
2011-02-23 11:47:48 Uhr
oh ja das hab ich ganz vergessen mir zu kaufen, lief rauf und runter- fire ants sticht auch echt heraus mit dem kinder gekreische |
Hanno |
2011-02-03 20:46:57 Uhr
Tolles Album, vom dem ich "Fire Ant" am liebsten mag ... |
MeMyself&I |
2009-09-05 10:03:59 Uhr
OK, dann gebe ich halt auch meine Meinung ab. Wirklich sehr gutes Album. Mich erinnert es eher an Flying Lotus meets Iron and Wine. Meine Freundin fragte mich vor ein paar Wochen auch beim Frühstück als die CD lief, ob ich eine neue Mix-CD aufgenommen hätte. |
Hinterlasse uns eine Nachricht, warum Du diesen Post melden möchtest.
Referenzen
Boards Of Canada; Four Tet; Borko; James Yuill; Autechre; The Beta Band; Sofa Surfers; RJD2; Prefuse 73; Tortoise; The Sea And Cake; The Letter E; HiM; The Boom; Mice Parade; Kreidler; Guitar; State River Widening; Slowdive; Kid Loco; The Books; Colleen; Múm; Dntel; Lali Puna; Piano Magic; Fog; Animal Collective; Daedelus; DM Stith; Caribou; Grizzly Bear; Beck; Nick Drake; The Beach Boys; Devendra Banhart; Simon & Garfunkel; Bobbie Womack; Barry Adamson; Vladimir Cosma; Jamie Lidell; Pop Levi; Stevie Wonder
Bestellen bei Amazon
Weitere Rezensionen im Plattentests.de-Archiv
Threads im Plattentests.de-Forum
- Ibibio Sound Machine - Electricity (8 Beiträge / Letzter am 07.01.2023 - 12:18 Uhr)
- Bibio - Ribbons (4 Beiträge / Letzter am 20.04.2019 - 16:02 Uhr)
- Bibio - Phantom brickworks (3 Beiträge / Letzter am 16.11.2017 - 09:35 Uhr)
- Bibio - A mineral love (1 Beiträge / Letzter am 03.05.2016 - 18:26 Uhr)
- Bibio - Silver Willkinson (7 Beiträge / Letzter am 21.05.2013 - 03:46 Uhr)
- Bibio - Ambivalence avenue (16 Beiträge / Letzter am 30.09.2012 - 20:02 Uhr)
- Bibio - Mind Bokeh (15 Beiträge / Letzter am 18.04.2011 - 11:28 Uhr)
- Bibio - The Apple & The Tooth (2 Beiträge / Letzter am 11.10.2009 - 18:19 Uhr)
- Bibio - Vignetting the compost (11 Beiträge / Letzter am 29.06.2009 - 17:09 Uhr)