Madness - The liberty of Norton Folgate
Lucky 7 / Ministry Of Sound / Edel
VÖ: 19.06.2009
Unsere Bewertung: 6/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
Sightseeing
Da steht er da, der Suggs. Mitten in der Küche, schwarz beschlipst und weiß bekittelt wie ein topseriöser, aus dem Teleshop entsprungener Verkäufer, falls es so etwas überhaupt geben mag. Ehe man die ganze Szenerie richtig erfasst hat, tauchen auch noch die restlichen Herrschaften auf, und die als Promo-Clip fungierende Waschmittel-Verhohnepiepelung ist auch schon wieder vorbei. Die spinnen, die Briten. Und dabei passen in diesem Fall die Werbung und das dazugehörige Produkt gar nicht wirklich zueinander. Denn "The liberty of Norton Folgate" hat mit plumpen Albernheiten so gar nichts im Sinn.
Ganz im Gegenteil. Auf Madness' erstem Studioalbum seit sage und schreibe zehn Jahren regiert trotz jeder Menge beschwingter Klänge die pure Melancholie. Das fängt schon beim Trauermarsch-Intro in Gestalt des von Trompeten, Saxophon und Geigen getragenen "Overture" an und hört beim ersten Highlight "We are London" noch lange nicht auf. "You can make it your own hell or heaven / Live as you please / Can we make it if we all live together / As one big family." Madness lieben ihre Stadt. Das ist nicht neu. Home, sweet home und so. Neu ist, dass der Opener nur der Auftakt für eine gut einstündige Hommage an ihre südostenglische Heimat ist. Und so gibt es eine Stadtführung nach Madness-Art. Regents Park, Baker Street, Somers Town, Camden, Chinatown und Compton Street gepaart mit Working-class-Romantik, zuckersüßen Melodien und Geschichten aus dem Leben.
Und gerade jene Geschichten sind ein ausschlaggebender Punkt, warum man sich auch nach der langen Schaffenspause bei Madness wieder sofort heimisch und gut aufgehoben fühlt. "We bought a flat in Golders Green / A second hand fridge and washing machine / You found a job in Marks & Spencers / Filling shelves, sure it was pretty senseless." Selten hat man sich beim Zuhören einer traurigen Liebesgeschichte so gut unterhalten gefühlt wie bei "Sugar and spice". Nicht minder unterhaltsam kommt das sehnsuchtsvolle "Forever young" im smoothen Reggae-Gewand daher, bevor "Dust devil" zum gediegenen Mitwippen einlädt. Mit dem Nutty-Sound und Ska der früheren Jahre hat das Ganze dreiunddreißig Jahre nach Bandgründung nichts mehr zu tun. Vielmehr ist es erdiger und hooklastiger Pop, der in typischer Madness-Manier dann und wann Richtung Kitsch abzudriften droht.
Trotz mancher Plattitüde wie "I've got nothing to lose / I've got nothing to gain / Just like where I'm coming from" oder "Remember them summer days / When we took whatever came our way" schaffen es auch Songs wie "Rainbows" oder "That close" durchaus zu gefallen. Neben ein paar vor sich hin plätschernden Nummern greifen Madness zum Ende hin noch das ein oder andere Mal in die Abwechslungskiste. "On the town" kommt mit weiblich gesungenem Refrain daher, während "Africa", "NW5", "Cherkenwell polka" und der zehnminütige Titeltrack für musikalische Multikulti-Farbkleckse in einer tristen und traurig-schönen Gegend sorgen. Willkommen im Melting Pop.
Highlights
- We are London
- Sugar and spice
- On the town
Tracklist
- Overture
- We are London
- Sugar and spice
- Forever young
- Dust devil
- Rainbows
- That close
- MK II
- On the town
- Bingo
- Idiot child
- Africa
- NW5
- Clerkenwell polka
- The liberty of Norton Folgate
Gesamtspielzeit: 61:24 min.
Referenzen
The Specials; Bad Manners; The Selecter; Hepcat; Laurel Aitken; The English Beat; The Skatalites; The Toasters; Judge Dread; The Hotknives; The Jam; Desmond Dekker; Derrick Morgan; The Mighty Mighty Bosstones; Mr. Review; The Busters; The Pietasters; OMD; The Housemartins; The Beautiful South; Dexys Midnight Runners
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