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Grizzly Bear - Veckatimest

Grizzly Bear- Veckatimest

Warp / Rough Trade
VÖ: 22.05.2009

Unsere Bewertung: 8/10

Eure Ø-Bewertung: 7/10

In Zukunft

Wenn eine Masse an durchfluteten Kanälen auf einen einzigen Punkt zuläuft, dann wird dieser nur schwer dem standhalten können, was da im Sekundentakt auf ihn einschießt. Der Fixpunkt, das ist des Hörers Lauschorgan. Die offenen und vielfach übereinander geschichteten Kanäle fanden und finden sich auf "Yellow house", dem zweiten Album der amerikanischen Band Grizzly Bear, welches sich dem Rezensenten anno 2006 leider erst nach Redaktionsschluss vollends erschloss. Davor war Kampf angesagt, sowohl beim Hörer, als auch bei der Band. Wobei "kämpfen" im letzteren Fall wohl das falsche Wort ist. Denn die vier Mitglieder von Grizzly Bear - Ed Droste, Daniel Rossen, Christopher Bear und Chris Taylor - setzten ganz bewusst auf diese reizüberflutende Dehydrierung, die sich mal laut, mal leise in Szene setzte. Geplatzt ist beim damaligen Komponieren nichts, denn die Arrangements der Band, zusammengesetzt im unkünstlichen Wohnzimmerstudio, erschienen nach einem mehrfach entspannten Wirkenlassen wie ein perfekt ausgestalteter, intelligenter Soundtrack.

"Veckatimest", benannt nach einer kleinen Insel an der amerikanischen Nordostküste, macht auf den ersten Blick da weiter, wo "Yellow house" und die nicht minder grandiose "Friend EP" aufgehört hatten. "Southern point" streift mit Geschick an klassischer, überkandidelter Rockmusik vorbei, integriert Folk und sublime weltmusikalische Einflüsse, vollzieht dutzende Rhythmuswechsel und transformiert sich von akustischem Gefrickel zur wilden Percussion-Performance, bis sich letztlich Ambient-Sounds und orchestrale Arrangements in den Song einschleichen. Alles wie gehabt? Nein, spätestens mit "All we ask" wird klar, dass Grizzly Bear einer neuen Geradlinigkeit entgegenstreben. Als Konsequenz ist zu hören, dass einige der immer noch zahlreichen Kanäle geschlossen wurden. Es fängt damit an, dass dem atmosphärischen, experimentell verfremdeten Hall, der Grizzly Bear immer zu einem elektronifizierten Äquivalent der Fleet Foxes gemacht hat, Luftzufuhr widerfahren ist, so dass man weitaus näher über dem Boden der Tatsachen schwebt. Grizzly Bear versuchen sich in ihren Transformationen an weitaus traditionelleren Elementen und einfacheren Strukturen, wie in der ersten Single "Two weeks", die in ihrer anfänglichen Instrumentierung und mit den süffisant, gleichzeitg lieblich anklingenden Vocals an einen geleckten, romantischen 50s-Doo-Wop-Schunkler erinnert.

"Fine for now", eine der vielen Albumschönheiten, zeigt weitere Elemente des Prozesses der Veränderung auf. Das startende, vokale Auf und Ab aller Bandmitglieder (mit in den Sack packe man bitte den Beginn von "Dory") und dessen formschöne Fortführung klingt nach vielen Stunden Gesangsunterricht, die man zwar nach "Yellow house" nicht gebraucht hätte, die aber dafür eine neue Stärke der Band in den Vordergrund stellt. Fast fühlt man sich an Neil Young erinnert und dessen frühe Gefolschaft Crosby, Stills & Nash - was letztlich dann doch wieder einen Vergleich zu den Fleet Foxes offenbart. Aber noch eine viel entscheidendere Offenbarung drängt sich dem Hörer mit "Fine for now" auf: Die ständige Rückkehr zu den allein im Raum stehenden, einzelnen Gitarrenakkorden - wohl einer der zauberhaftensten Momente auf "Veckatimest" - ist einer von zahlreichen Augenblicken der Stille, in denen nur singuläre Kanäle in Behutsamkeit auf den Fixpunkt Mensch zuströmen. So verlässt die Band mit "Hold still", nach verstärkten Bassspielereien im Mittelteil des Album ("Ready, able", "About face"), lautmalerische Klanggebilde und strebt introspektiven, aber auch rhythmisch vertrackten Balladen entgegen. Nur das träumerische, nebulöse und auf LoFi getrimmte "I live with you" bäumt sich zum Ende auf, aber in einer Radikalität, die schon wieder gegen eine konstante Veränderung spricht.

Schlussendlicher Höhepunkt und damit auch bester Track des Albums ist das an Radiohead erinnernde Pianostück "Foreground". Droste hält seine Stimme knabenhaft und unschuldig am Boden. Die Klaviertöne in Moll halten sich an einen festen, minimalistischen Rahmen. Orchestrale Störgeräusche von Oboe und Fagott beleben das Szenario bevor aufstrebende Engelschöre aus dem Keyboard einen schnellen Schlußpunkt setzen. "Foreground" steht wie kein zweiter Track in Ganzheit für die Weiterentwicklung von Grizzly Bear, die sich einerseits einer anspruchsvollen, nicht unterkühlten, sondern beherzten Perfektion ihrer zur Verfügung stehenden Mittel nähern, andererseits aber auch auf Reduktion setzen und einzelnen Elementen mehr Bewusstsein und Aufmerksamkeit schenken. Grizzly Bear bauen mit "Veckatimest" bewusst ab und erreichen damit ein Mehr für die Zukunft.

(Markus Wollmann)

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Highlights

  • Two weeks
  • All we ask
  • Fine for now
  • I live with you
  • Foreground

Tracklist

  1. Southern point
  2. Two weeks
  3. All we ask
  4. Fine for now
  5. Cheerleader
  6. Dory
  7. Ready, able
  8. About face
  9. Hold still
  10. While you wait for the others
  11. I live with you
  12. Foreground

Gesamtspielzeit: 52:27 min.

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(Neueste fünf Beiträge)
User Beitrag
Suck Ketchup
2012-01-19 15:39:36 Uhr
Auf Yellow House, das ist so steif. Das geht gar nicht. Kein Song klingt locker
HV
2012-01-19 15:37:50 Uhr
[..], obwohl sie besser sein soll

ist sie auch.
Suck Ketchup
2012-01-19 15:32:20 Uhr
Mir gefällt die Platte besser als Yellow House. Yellow House ist mir zu steif, obwohl sie besser sein soll
basddsa
2012-01-19 15:30:57 Uhr
Bin irgendwie nie so richtig mit der Platte warm geworden. Schade eigentlich, denn Two Weeks und While You Wait For The Others sind schon großartig. :(
smörre
2012-01-18 20:11:14 Uhr
Kommt vermutlich im Spätsommer. Vorher gibt's aber noch 'ne Solo-Sache via Warp:

http://stereogum.com/927502/daniel-rossen-saint-nothing/mp3s/
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