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Marilyn Manson - The high end of low

Marilyn Manson- The high end of low

Interscope / Universal
VÖ: 22.05.2009

Unsere Bewertung: 5/10

Eure Ø-Bewertung: 7/10

Shock is dead

Es wäre polemisch, zu behaupten, bei Marilyn Manson hätte die Musik von jeher eine Nebenrolle gespielt. Doch zweifellos war sie stets ein Vehikel für die vielen Inkarnationen von Brian Warners Alter Ego: Hand in Hand gingen Image und Sound, Inspirationen und Ausdrucksformen, wenn der Meister seine schillernden Horrorszenarien von nachtschwarz-blutrot bis seelenlos-metallic malte. "Antichrist superstar" und "Mechanical animals" wurden so zu bedrohlichen Gesamtkunstwerken, die untrennbar mit ihrem Protagonisten und dessen Ikonisierung als Enfant trés terrible und Amerikas Nemesis verbunden waren. Bereits mit "Holy wood (In the valley of the shadow of death)" begann aber die Musik dem heeren künstlerischen Anspruch nachzuhängen. Erst auf "Eat me, drink me" nahm der Künstler die fälligen Lektionen in Demut, schrumpfte sich von Konzeptkunst auf eine Grundstimmung gesund und manövrierte so seine teils abgegriffenen Industrial-Trademarks in überraschend songorientierte Fahrwasser.

"The high end of low" geht noch einen Schritt weiter: Natürlich entschlüpfen Manson immer noch die ganz großen Weltuntergangspanoramen, wenn er seinen Zorn auf Gott und die Welt von der Kette lässt. Eine Rahmenhandlung, einen programmatischen Überbau oder auch nur ein prägnantes Leitmotiv sucht man jedoch vergebens. Lediglich über Mansons etablierten Themenkanon sind die 16 Stücke lose miteinander verknüpft. Was eine Chance zur Konzentration auf die Musik hätte sein können, entpuppt sich jedoch prompt als Schwäche: Wo auf Alben wie "The golden age of grotesque" schon mal der stärkere Song den schwächeren mitzog, offenbaren die neuen Stücke ganz auf sich gestellt bald Schönheitsfehler. Erst durch sein Fehlen merkt man, wie sehr Manson den großen Kontext braucht - als Projektionsfläche für seine Selbstinszenierung, als Bindeglied zwischen den Stücken und als Triebfeder der morbiden Atmosphäre dieser Musik.

Auf der Songebene zeigt Manson mit der Rückkehr seines kongenialen Songschreibers Jeordie White alias Twiggy Ramirez durchaus Spuren einer kreativen Revitalisierung: "Four rusted horses" klaut für den Handschlag zwischen Industrial und Country bei "Personal jesus", und "Devour" zerfließt vor dem knalligen Weckruf zweieinhalb Minuten lang in seinem Basslauf. Instinktiv rückt Manson hier seinen Sound wieder näher an die identitätsspendenden 80er, ohne in seinen eigenen Härte-Schablonen steckenzubleiben. Leider wirken andere Teile der Platte, als hätte jemand ein Best-Of-Album aus B-Seiten zusammenstellen wollen: "Arma-goddamn-motherfuckin-geddon" geht als typischer Manson-Poltergeist zwar okay, bleibt als "Beautiful people"/"Rock is dead"-Inzucht den Originalen gegenüber aber blass. Und auch die balladesken und doomigen Versuche wie "Into the fire" oder "I want to kill you like they do in the movies" wirken atmosphärisch dünn, wenn man ihnen die alten Gänsehäute "Coma white" und "Coma black" gegenüberstellt.

Das ist der Punkt: "The high end of low" reißt die vielen Facetten von Marilyn Manson an - die man nicht selten schon stärker gehört hat. "I have to look up just to see hell" klingt wiedererkennbar nach Mansons Dialektik, vor allem aber nach einem Abklatsch vom eigenen "I put a spell on you" - und das war auch schon gecovert. Auch das atemlos marschierende "We're from America" ringt der bewährten Brachialität nicht ohne Mühe eine neue Nuance ab. "God is an excuse" repetiert sich Manson hier durch Industrial-Gewitter und Flanger-Surren in Rage, wie es ihm sonst selten gelingt. Schockrockertum und Zerrspiegelvorhalten sind jedenfalls mit der berechnet dosierten Wut der Platte kaum noch zu machen.

Lediglich seinen Schöpfer reflektiert "The high end of low" noch klar und deutlich. Abseits davon unterliegt Manson mit dem Routine-Werk seinen eigenen Bestmarken. Unorganisch stehen die Titel nebeneinander, scheinen ohne schlüssigen Zusammenhang einfach thematisch wie musikalisch ausgereizt. Zu lang ist das Album obendrein, in der Mitte finden sich gleich mehrere Füller, die nicht nur Anne Will die Augenbraue lupfen lassen. Es ist schade: Je näher sich der Künstler Marilyn Manson selbst kommt, desto weiter scheint er sich von seinen künstlerischen Großtaten zu entfernen. Vielleicht wäre ein episches Konzeptalbum die Lösung - mit der Musik in einer starken Nebenrolle.

(Dennis Drögemüller)

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Highlights

  • Four rusted horses
  • Unkillable monster
  • We're from America

Tracklist

  1. Devour
  2. Pretty as a ($)
  3. Leave a scar
  4. Four rusted horses
  5. Arma-goddamn-motherfuckin-geddon
  6. Blank and white
  7. Running to the edge of the world
  8. I want to kill you like they do in the movies
  9. Wow
  10. Wight spider
  11. Unkillable monster
  12. We're from America
  13. I have to look up just to see hell
  14. Into the fire
  15. 15
  16. Arma-goddamn-motherfuckin-geddon (Teddybear's remix)

Gesamtspielzeit: 70:38 min.

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User Beitrag

The MACHINA of God

User und Moderator

Postings: 31659

Registriert seit 07.06.2013

2020-12-20 19:19:58 Uhr
Ja, der ist mir grad zum Ende auch nochmal positiv aufgefallen. Aber sonst ist das echt zäh...

Felix H

Mitglied der Plattentests.de-Chefredaktion

Postings: 9300

Registriert seit 26.02.2016

2020-12-20 19:16:37 Uhr
Wobei "We're From America" schon ziemlich gut ist.

Affengitarre

User und News-Scout

Postings: 10783

Registriert seit 23.07.2014

2020-12-20 18:39:22 Uhr
Hatte wegen der Länge auf rym geschaut, da stand jetzt 72 Minuten. Hätten aber auch 120 sein können, wirklich sehr langatmig das Ding. Über weite Strecken ja überhaupt nicht schlimm, aber packend ist da leider so wenig. Total kraft- und ideenlos alles.

Ich finde ja, die schnellen Rocksongs braucht er eh nicht.

Ne, die haben nach "Holy Wood" alle gar nicht mehr funktioniert. So atmosphärische Sachen kriegt er aber heute noch oft genug echt gut hin, wie du ja auch meinst.

The MACHINA of God

User und Moderator

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Registriert seit 07.06.2013

2020-12-20 18:30:01 Uhr
Bin jetzt bei dem Album doch nochmal eingestiegen. Interessant wie ruhig der Mittelteil ist. Jetzt läuft gerade der 9-minüter. Trotzdem ist das alles irgendwie flach. Schwer zu beschreiben. Ich finde ja, die schnellen Rocksongs braucht er eh nicht. Ich finde gerade in den letzten 10 Jahren waren die atmosphärischen oder schwereren Songs seine besten, sowas wie der Opener von "Pale emporer" oder zuletzt das tolle "Paint you with my love".

The MACHINA of God

User und Moderator

Postings: 31659

Registriert seit 07.06.2013

2020-12-20 18:14:29 Uhr
Wobei das Ding ja nur so 67 Minuten geht, oder? "15" ist ja der eigentliche letzte Song.
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