Iggy Pop - Préliminaires
Virgin / EMI
VÖ: 22.05.2009
Unsere Bewertung: 3/10
Eure Ø-Bewertung: 6/10
Herbst im Gehirn
Iggy Pop ist im vergangenen Jahr als Werbeträger für eine Versicherung aufgetreten, die sich weigert, Musiker zu versichern, weil, das wäre natürlich viel zu riskant und nicht sehr geschäftsträchtig. Unterm Strich bleibt diese Lästigkeit, die einen noch immer von Londoner Plakatwänden aus anätzt, aber nur die zweitabsurdeste Iggy-Story aus jüngerer Vergangenheit: "Préliminaires" nämlich sollte das erste Jazzalbum seiner Karriere werden, und das dürfen nicht nur Leute verrückt finden, die sich noch 39 Jahre nach "Fun house" gerne die Finger an dessen Flammenwerfer von einem Saxophon verbrennen. Zumindest in einer Hinsicht kann allerdings Entwarnung gegeben werden: Pops 15. Soloalbum ist im Endeffekt doch keine Jazzplatte - es ist eine Easy-Listening-Platte, ausgehfertig für die Afterwork-Lounge, in der sich Herr Kaiser, Bernd Stromberg und Co. ihre Verdauungsschnäpse hinter die Binde kippen.
Noch dazu geht es los mit "Les feuilles mortes", das sich anhört, als machte der Achtziger-Jahre-Leonard-Cohen zu einer halbfeschen Rumba auf Serge Gainsbourg; Pop entlaust hier im breitesten Schulfranzösisch einen 40er-Jahre-Schlager, den auch schon Edith Piaf, Nat King Cole und Andrea Bocelli aufgenommen haben. Die US-Version des Songs heißt "Autumn leaves", aber Herbst scheint vor allem im Gehirn von Pop zu sein, wenn er anschließend "I want to go to the beach" als Klavierschleicher mit Kontrabass am nächsten Nudistenstrand vorbeicroont. Kann man natürlich alles so machen und hinterher sagen, dass die ganze Chose von Michel Houellebecqs Science-Fiction-Roman "Die Möglichkeit einer Insel" inspiriert wurde. Aber Scheiße wird halt auch nicht besser, wenn man "merde" dazu sagt.
Dann doch lieber "King of the dogs": Pop bringt sich zu allerhand zerfleddertem New-Orleans-Gebläse als König der Straßenköter in Position und die rasende Sinnlosigkeit von "Préliminaires" erstaunlich sinnstiftend auf den Punkt. Hunde sind es auch in "A machine for loving", denen er sabbernd ans Bein springt - Bass und Pauke spielen sich staubtrocken in die Karten, die Akustikgitarre zieht effektvoll an, und Pop macht mit tiefer gelegter Sprechstimme erstaunliche Feststellungen: "What is a dog but a machine for loving? / You introduce him to a human being, giving him the mission to love / And however ugly, perverse, deformed or stupid this human being might be / The dog loves him." Es müsste genauso einfach sein mit den missglückten Spätwerken alter Punkrock-Helden.
Ein Zeichen der Zurechnungsfähigkeit immerhin: "Nice to be dead", das sich als aus der Rolle fallender Gitarrenrocker prima als Abschiedswinker für den Anfang des Jahres verstorbenen Stooges-Gitarristen Ron Asheton lesen lässt. Dass mit dem angemessen schnodderig aufgenommenen Wüsten-Folk von "He's dead/She's alive" auch der zweite Song funktioniert, der den Grundtenor des Albums ignoriert, sagt weniger über dieses Stück als den Fahrstuhljazz-Ansatz von "Préliminaires" - neben dem längst leer gebluteten Drumcomputer-Tutorial von "Party time" sieht halt auch eine Coffeeshop-Servietten-Randnotiz super aus. Nichts natürlich gegen Pops offensichtlichen Willen, auch im 46. Dienstjahr noch zu verblüffen und zu schocken. Wenn das nur mit Versicherungswerbung und Platten wie "Préliminaires" geht, sollte er sich aber doch lieber einen neuen Gitarristen suchen.
Highlights
- King of the dogs
- Nice to be dead
Tracklist
- Les feuilles mortes
- I want to go to the beach
- King of the dogs
- Je sais que tu sais
- Spanish coast
- Nice to be dead
- How insensitive
- Party time
- He's dead/She's alive
- A machine for loving
- She's a business
- Les feuilles mortes (Marc's theme)
Gesamtspielzeit: 36:13 min.
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(Neueste fünf Beiträge)
User | Beitrag |
---|---|
Ziggy Prop |
2009-06-05 20:12:25 Uhr
Scheißt doch auf Kritiken!Hauptsache die Mucke taugt. |
Marianne |
2009-06-05 20:04:03 Uhr
"Das Album bekommt bei Laut 5/5 und hat auch ansonsten sehr gute Kritiken." Nun ja, ... Entertainment Weekly 1.5/5 Now Magazine 2/5 Drowned In Sound 2/5 Pitchforkmedia 5.4/10 Mojo 3/5 Paste Magazine 3/5 Spin 3/5 Uncut 3/5 All Music Guide 3.5/5 |
Tommy |
2009-06-05 15:36:53 Uhr
Finde ich auch. Aber wenn mir langweilig ist les ich mir hier n paar Rezis durch um abzulachen. So schlechte bekommt man echt nirgendwo zu lesen |
Stefan |
2009-06-05 12:40:12 Uhr
Das Album bekommt bei Laut 5/5 und hat auch ansonsten sehr gute Kritiken!!!Was ist hier los? - ne 03/10 und ne erbärmlilche Rezi??? Plattentests verliert immer mehr an Glaubwürdigkeit!!! |
Marianne |
2009-05-23 12:58:51 Uhr
"King Of The Dogs" klingt beinahe 1:1 wie Waits. Kann das sein oder irre ich mich da. |
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Referenzen
Leonard Cohen; Serge Gainsbourg; Burt Bacharach; Bryan Ferry; Rob; Sébastien Tellier; Bertrand Burgalat; Jacques Dutronc; Henry Mancini; Momus; David Sylvian; Nick Cave & The Bad Seeds; Rollins Band; Madrugada; Aidan Moffat; Lou Reed; David Bowie; Scott Walker; Bobby Conn; Peter Gabriel; Lee Hazlewood; Frank Sinatra; Roy Orbison; Richard Hawley; Jarvis; Sergio Mendes; Jimi Tenor; Van Morrison; Elvis Costello; William Shatner; Leonard Nimoy
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