Stórsveit Nix Noltes - Royal family-divorce
Fat Cat / Rough Trade
VÖ: 08.05.2009
Unsere Bewertung: 7/10
Eure Ø-Bewertung: 5/10
Spaß muss sein
Nackte Informationen über Bands können manchmal etwas kurios anmuten. Das Kollektiv mit dem seltsamen Namen Stórsveit Nix Noltes zum Beispiel ist solch ein Fall. Nicht genug, dass sich für, wenn man der Übersetzung trauen darf, Nick Noltes Bigband elf isländische Musiker zusammengetan haben. Darunter unter anderem Eiríkur Orri Olafsson von Múm, der auch bereits für Sigur Rós an der Trompete stand, sowie weitere Mitglieder von Bands wie Lost In Hildurness oder Benni Hemm Hemm. Denn wenn diese elf Verrückten dann auch noch tatsächlich wildgewordenen Instrumental-Balkan-Folk zelebrieren, als gäbe es nichts Normaleres auf Island, dann darf man schon einmal die Frage aufwerfen, wieviel Selbstgebrannter da im Glase gewesen sein muss. Zumal Stórsveit Nix Noltes den Balkan-Folk auch nur als Grundlage missbrauchen, um ihre irren Spielchen mit den verschiedensten Formen der Rockmusik zu treiben.
"Royal family-divorce" könnte allerdings kaum traditioneller als mit "Wedding rachenitsa" beginnen. So stellt sich wohl der durchschnittliche Westeuropäer die klassische Hochzeitsmusik des Balkans vor, nachdem schon die ersten Fässer der bulgarische Mädchentraube geleert wurden. Ähnlich traditionell und gleichzeitig tanzbar bleibt "Krivo sadovsko horo". Doch bereits beim dritten Stück, "Pajdusko", dürfte die Welt des konservativen Balkanmusikers komplett aus den Fugen geraten. Die pfeilschnellen Geigen geben das Tempo vor, und die Trompeten scheinen sich dem zu fügen. Ein fast mexikanisches Feeling kommt auf. Nach gut einem Drittel des Songs scheren erstmals die Drums aus dem Gefüge aus und deuten bereits an, was da noch kommen wird. "Pajdusko" explodiert schließlich in einem Noise-Orkan, in dem das Schlagzeug alle anderen Instrumente mit einer Wucht zerlegt, die ihresgleichen sucht. Seltsamer ist da nur das über sieben Minuten lange "Winding horo", das fast als atmosphärischer Prog-Metal durchgehen könnte. Gäbe es da nicht die melancholische Quetschkommode und die Trompeten, die die E-Gitarre zu einem düsteren Duell herausfordern.
Das zweite Studioalbum von Stórsveit Nix Noltes schließt mit dem bedächtigsten Stück der Platte, "Nevestinko horo". Die Isländer schaffen mit "Royal family-divorce" einen Drahtseil-Akt, der in diesem Jahr wohl einmalig bleiben wird. Aus Versatzstücken wie Ethno-Folk, Punk, Ska, Rock, Prog und Hardcore zimmern sie sich ihre eigene kleine Holzhütte irgendwo in der Einöde Islands. Das Album ist selten wirklich greifbar, weil es durch die Reduzierung auf das Instrumentale wild zusammengeschleudert wirkt. Durch diese Ungreifbarkeit ist "Royal family-divorce" im Ganzen aber auch unangreifbar geworden. Klare Songstrukturen sind bei der Geschwindigkeit und den ständigen Tempowechseln nur schwer auszumachen, aber auch nicht erwünscht. Beknackter als hier wird das musikalische Jahr 2009 wohl nicht mehr.
Highlights
- Pajdusko
- Winding horo
Tracklist
- Wedding rachenitsa
- Krivo sadovsko horo
- Pajdusko
- Atmadja duma strachilu (Revolution song)
- Elenska rachenitsa
- Kopanitsa
- Trakijska racenica
- Cetvorno horo
- Winding horo
- Nevestinko horo
Gesamtspielzeit: 45:31 min.
Referenzen
Beirut; Kocani Orkestar; Boban Markovic Orkestar; Devotchka; Black Ox Orkestar; O'Death; Múm; Benni Hemm Hemm; Lost In Hildurness; Númer Null; Rúnk; Hestbak; Gogol Bordello; Battles; Rökkurró; Get Well Soon; A Hawk And A Hacksaw; Eläkeläiset; Leningrad Cowboys; Rock Plaza Central; Hallelujah The Hills; Neutral Milk Hotel; Modest Mouse; Weird Al Yankovic; Calexico