Grace.Will.Fall - Second album

HoboRec / Cargo
VÖ: 03.04.2009
Unsere Bewertung: 6/10
Eure Ø-Bewertung: 6/10

Teuflische Nachbarn
Es kommt nicht oft vor, dass wir einen hier veröffentlichten Text mit einem Disclaimer ausstatten müssen. Einem Prosa gewordenen Warnschild, das auf eingeschobenen Nebensätzen klebt wie ein "Parental advisory"-Sticker auf so mancher Platte. Sicherlich, Silbermond-Rezensionen bestehen aus nichts anderem. Auch vor Joachim Witt wird man hier noch vor Eintritt von Langzeitschäden ausdrücklich gewarnt. Aber eigentlich kommen Auswärtssiege von Hannover 96 häufiger vor. Dennoch scheint uns ein kleiner Fingerzeig zu Grace.Will.Falls "Second album" angebracht. Denn dieses Album wird jede Nachbarschaft, in der es gespielt wird, im Sturm erobern. Nach nicht mal einem halben Durchgang klingelten in alphabetischer Reihenfolge Herr Wachtmeister, Frau Xaver und Herr Zimmer an unserer Wohnungstür. Und schauten nicht sonderlich amused.
Man muss es annehmen: Dass Ulf Blomberg, John Andersson, Axel Svensson, Samuel Enocsson und Björn Isaksson eigentlich ganz normale, vernünftige junge Männer aus der schwedischen Provinz sind. Gute Kerle, die ihren Eltern keinen Kummer machen. Die nur am Wochenende das Kontrastprogramm zu ihrem Alltag fahren. Eines, das nichts mit Après-Ski-Hüttenparties, Großraumdisse und einem Fernsehabend mit "Schweden sucht den Superstar" zu tun hat. Sie sind dann zu fünft, und zu fünft sind sie Grace.Will.Fall. Blomberg darf mal kreischen wie ein abgestochenes Ferkel kurz vor der Weiterverarbeitung zum Wiener Schnitzel, Andersson haut auf die Felle, wie er es zu Hause und im Büro nie darf, und der Rest der Truppe gibt sich kaum weniger zügellos. Klarer Fall von kontrollierter Katharsis. Alles noch im Rahmen des Machbaren. Doch dann hört man von Legenden, die von zertrümmerten Venues erzählen, hört Grace.Will.Fall ihr "The assassination of Peggy Sue" spielen, ein Stück, das man eigentlich an die Leine nehmen müsste. Und ist sich da nicht mehr ganz so sicher.
Sicher ist zumindest, dass sich dieser Haufen, der sich Grace.Will.Fall nennt, mit seinem "Second album" nicht arg viel Blöße gibt. Es ist die Sorte Hardcore, wie sie nur in Schweden entstehen kann. Einem Land, in dem man für den kleinsten Schwipps am Steuer schon mal direkt in den Bau wandern kann, ohne über "Los" zu gehen. Vor allem aber einem Land, in dem Musiker und Künstler schon im Schulalter gefördert werden. Nur hier können Hardcoresongs wie "Mother said" entstehen, die gleichzeitig chaotisch und griffig sind. Nur hier ist ein "New song" denkbar, der sich im Grunde seines Herzens der Tanzbarkeit des Rock'N'Roll verschrieben hat, obwohl er aus einer Aneinanderreihung von reichlich Krach besteht.
Eben in jenen Disziplinen der verherrlichten Dissonanz sind Grace.Will.Fall amtierende Skandinavienmeister, mindestens. Es kreischt, es fiept und brummt nur so, wenn sie ihre Riffs durcheinanderpoltern lassen, wie kleine Kinder das mit ihren Legobausteinen tun. Selten, dass diese Band mal einen vollen Gang zurückschaltet. Es ist einerseits die Stärke vom "Second album", auf "Jetzt oder nie!" draufloszuholzen. Andererseits auch seine Schwäche. Denn als Songwriter machen Grace.Will.Fall längst nicht dieselbe Figur wie als Adrenalinspritzen. Es fehlt ein bisschen an Abwechslung, an Gespür für Dynamik auch innerhalb der Songs. Vielleicht auch ganz gut, dass das nicht so ist. Dann wären diese Platte womöglich kaum mehr auszuhalten. Für die Nachbarn, versteht sich.
Highlights
- Heroine
- Bittersweet
- 07:53
Tracklist
- The assassination of Peggy Sue
- New song
- Celebration
- Heroine
- Mother said
- Dead to me
- (So)
- Bittersweet
- På tiden
- 07:53
- Freedom Pt. 2
- La fine
- (Della famiglia)
- Apply resistance
- ...by the way
Gesamtspielzeit: 34:32 min.
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(Neueste fünf Beiträge)
User | Beitrag |
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Bremer Stadtmusicunt |
2017-04-20 09:47:55 Uhr
Grandioses Album, findet immer wieder den Weg auf den Plattenteller! |
Bonanza |
2010-02-04 13:07:56 Uhr
Neiöööön,threadtitel in den Sand gesetzt. grace.will.fall sollts natürlich heißen... |
Bonanza |
2010-02-04 13:06:43 Uhr
Fieser schwedischer Hardcore. Die erste Platte kenn ich nicht,die zweite hat definitiv einiges auf dem Kasten. Meinungen? Kennt die hier jemand?Wenn die sich mit dem nächsten Album nochmal steigern können erwartet uns was großes. |
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Referenzen
Refused; JR Ewing; Breach; Vaux; The Bronx; Knut; Zao; Gallows; The Coalfield; Knut; Challenger; Strife; The Hope Conspiracy; Cancer Bats; Hot Cross; Leathermouth; Mínus; Lack; United Nations; The Number Twelve Looks Like You; The Dillinger Escape Plan; The Rituals; Malkovich; Coalesce; The Blood Brothers; Since By Man; Converge
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