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Land Of Kush - Against the day

Land Of Kush- Against the day

Constellation / Al!ve
VÖ: 03.04.2009

Unsere Bewertung: 7/10

Eure Ø-Bewertung: 7/10

Die freien Radikalen

Mit Popmusik will sie nichts zu tun haben, im Jazz ist sie Gang und Gäbe und im Rockbereich ist sie vielleicht das Element, was in den letzten Jahrzehnten am meisten gelitten hat: Improvisation. Der übergroße Teil heutiger Alternative- und Indiebands spult live das Programm herunter, das nicht selten 1:1 auf Platte zu hören ist. Sicher ist sicher, werden sich die Musiker sagen, und machen wir uns nichts vor: Das Showelement, das perfekte Ineinandergreifen minutiös geplanter Abläufe beeindruckt zwar gerade beim Einsatz von Videotechnik stets wieder aufs Neue - auf die Spitze getrieben bei den Shows von Pink Floyd oder der 2003er-Tour von Massive Attack, vom Popzirkus einmal abgesehen. Doch wer von uns hat in den letzten Jahren eine Jamsession live auf der Bühne erlebt? Wer hat Musiker erlebt, die derart aufeinander eingespielt sind und den Mut besitzen, sich nur von ihrem gegenwärtigen Tun ins Bodenlose fallen zu lassen? War und ist nicht dies das Faszinierende an Mother Tongue, Motorpsycho und anderen?

Sam Shalabi ist in Montréaler Impro-Kreisen eine feste Größe, seit er sich dort mit seinen Projekten Shalabi Effect, Molasses, als Mitglied diverser kleinerer Gruppen und als Solokünstler einen Namen gemacht hat. Nun hat er mit über 30 Musikern unter dem Namen Land Of Kush das Kreativ-Flüchtige in fünf Sätzen zu Tonband gebracht und es "Against the day" genannt - nach einem Roman des New Yorker Schriftstellers Thomas Pynchon. Ob der Multiinstrumentierung, die Streicher, Gitarren, Percussions, Holzbläser, Hörner, Flöten, Bässe, Synthesizer, Elektronik, Lauten und nicht zuletzt Stimmen umfasst, ist die Befürchtung durchaus berechtigt, hier mit einem irren Klangwust konfrontiert zu werden, der nur für hartgesottene pseudointellektuelle Freejazzer goutierbar ist.

Wie sich herausstellt, heißt improvisiert jedoch nicht zwangsläufig strukturlos, und so findet man als Hörer über weite Strecken durchaus Halt in "Against the day". In der Dynamik an die Montréaler Postrocker Godspeed You! Black Emperor erinnernd, von denen sich einige Mitglieder bei Land Of Kush tummeln, baut die Band in den Sätzen teils eingängige Themen auf, die sie wie beim Titelsong "Against the day" schließlich am Höhepunkt gnadenlos dekonstruieren. Im Gegensatz zu der Band, die sinnbildlich dem schwarzern Herrscher eine gute Reise wünscht, sind Land Of Kush aber mehr Akustik als Effekt, mehr Improvisation als Komposition und mehr orientalisch orientierte Weltmusik als Kanadarock.

Zu den Geniestreichen des Albums zählt das 21-minütige "Bilocations", das mit einer einsamen, verstaubten Laute beginnt, sich dann zu einer von Shufflebeat getragenen, klanglich an Jefferson Airplane und King Crimson angelehnten Psychedelia entwickelt, die die wunderbar rauchigen Vocals von Molly Sweeney nur so tanzen lässt, anschließend in handgemachte Walls of Sound übergeht und schließlich im rockigen "Against the day" mündet. Wer bisher noch daran gezweifelt hat, dass es so etwas wie Postmodernismus (zu dessen literarischen Vertretern auch Thomas Pynchon gerechnet wird) überhaupt gibt, findet hier den auditiven Beweis.

(Christoph Behrends)

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Highlights

  • Bilocations
  • Against the day

Tracklist

  1. The light over the ranges
  2. Iceland spar
  3. Bilocations
  4. Against the day
  5. Rue du départ

Gesamtspielzeit: 59:54 min.

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