Bonnie 'Prince' Billy - Beware
Domino / Indigo
VÖ: 13.03.2009
Unsere Bewertung: 7/10
Eure Ø-Bewertung: 9/10
Glückliche Routine
Als Menschenfreund müsste man doch eigentlich mit Freude erfüllt sein, wenn das Gegenüber jedweder Art und Schlag sich endlich seiner Sorgen entledigen kann. Nun gut, das stimmt schon, aber wie sieht das im Falle eines Will Oldham aus? Denn wenn man auf dessen trübe Tage blickt, die angefüllt waren mit einem nihilistischen Galgenhumor und schwarzverhangenen Schönheiten inmitten aufgestauter Hoffnungslosigkeit, dann schaut man auf Vergangenheiten voller glorreicher Produktivität. Zumindest für den Hörer, schließlich möchte man sich nicht anmaßen zu wissen, was Oldham Mitte der Neunziger genau durchflutete. Seine zahlreichen Aufnahmen unter den verschiedenen Palace-Pseudonymen sprechen jedenfalls Bände und bescherten dem Freund von Authentizität, zerrüttetem wie zerschossenem Mountain-Folk und mit kryptischen Zeilen ausgelegtem Tiefgang berührende Aha-Erlebnisse.
Ohne jede Oldham-Epoche und seine Bonnie-'Prince'-Billy-Werdung genau beleuchten zu wollen, preschen wir nun mit hoher Geschwindigkeit vor in Richtung Gegenwart. Im Hier und Jetzt erwartet uns "Beware", sein gefühlt dreiundneunzigtausendstes Album, und die Erwartungen an dieses sind ganz anderer Natur als noch vor über zehn Jahren. Oldham hat eine Periode des Glücks hinter sich, zumindest für seine Verhältnisse. Das letzte Album "Lie down in the light" überzeugte durch eine konkrete Übernahme des Titels in die Songstrukturen. Im Licht liegend erfuhr aber nicht alles Glanz und Sonnenstrahlen, was da an uns herangetragen wurde. War es früher noch ein gern gesehenes Stilmittel, das Unfertige und Spontane, das Wirkliche und Echte, so ist es in Verbindung mit den vielen Arrangements, die Oldham auf "Lie down in the light" einbrachte, eher ein nervös zuckelnder Klotz am Bein. Beim heiteren Vorgeplänkel zu "Beware", zusammengetragen aus Dutzenden an Musikforen, fand man nicht selten den Wunsch nach monotoner Konzentration – und, viel entscheidender, einen Blick zurück auf die "darker days". Das Cover erschien in diesem Zusammenhang wie die unerwartete verheißungsvolle Botschaft.
Aber alle Hoffnung war für die Katz, kurz gesagt: Das Cover ist ein ausgemachter Blender und sollte nicht für weitere Interpretationen herhalten müssen. Oldham macht mit "Beware" da weiter, wo er mit "The letting go" und dem Vorgänger aufgehört hat. Die Arrangements sind breit und warm ausgelegt. Der hintergründige Aufwand mit Frauenchören und einem großen Schwung an bunten Instrumenten ist sogar noch größer als zuletzt. Nach "Greatest Palace Music" regieren wieder Country und Americana. Nicht so konsequent wie auf der genannten Zusammenstellung, dafür näher einer hymnischen und harmonischen Popmusik. Die jüngsten Probleme, sie suchen auch sein neustes Werk heim. So hört man vor allem im Anfangsbereich von "Beware" die Diskrepanz zwischen dem naturgemäßen Organischen und dem überlegten Komponierten. Heißt: Die festen Arrangements beißen sich mit den Sekunden, in denen Oldhams Stimme frei und fluffig schnabuliert - so als renne man aneinander vorbei. Auch finden sich mit "Heart's arms" und "You don't love me" zwei schwache Tracks, die einen anderen akutellen Konflikt Oldhams offenbaren: Schnell ist er ohne Spannungsaufbau beim Höhepunkt. Mit heiteren Frauenchören schreitet er flink nach oben, ohne einer mitreißenden Melodie entgegenzustreben. So rasant dieser Höhepunkt erreicht ist, so schlagartig ist er auch schon wieder vergessen.
Neben dieser Problematik hört man besonders im Schlussdrittel viel gelungene Routine. Das mag bitterböse klingen, es darf aber nicht vergessen werden, dass Oldham immer noch einer der größten Songwriter unter dem Himmelszelt ist. Und das zeigt er auch. "I don't belong to anyone", eine atmosphärisch aufgeladene Country-Hymne mit europäischen Folklore-Einflüssen, glänzt mir einer weitschweifenden Pedal Steel, romantisierender Quetschkommode und freiheitlichen Lyrics. "There is something I have to say" integriert viele Gastmusiker aus dem experimentellen Jazz-Bereich und wechselt zwischen Stillstand und verschachtelten Rhythmen. Das minimale Aufbegehren, der kleine melodiöse Funken macht die übertriebenen Höhepunkte aus dem Mittelteil des Albums vergessen. "Death final" malt den Tod nicht schwarz, sondern verziert mit Farben. Eine wunderschöne Fiddle und ein süßlicher Refrain tragen das bittersüße Stück bis zum Ende. Mit einem belustigenden, simplen Rhythmus verzückt "I am goodbye". Wie ein orientalisches Mantra klingt der Schlusstrack "Afraid ain't me", in dessen Mitte sich vor allem die Gastmusiker nochmals beweisen und entfalten können.
"You can't hurt me now" ist ein prächtig arrangierter und liebevoller Countryschwank mit einer nochmals glänzenden Pedal Steel. Ein kindliches Xylophon treibt ein Lächeln ins Gesicht, die Trompete zum Schluss kommt unerwartet aber harmonisierend - genau wie der kraftvolle, mehrstimmige Chorus. Oldhams stimmliches Auf und Ab ist gebändigt und er hält selbstreflektierend und glücklich fest: "The more I fear myself, the more alone I am / No, you can't hurt me now / I still feel destiny". Als Menschenfreund kann man nicht anders als glücklich sein, hört man diese erfüllten wie erfüllenden Melodien. Und doch zwickt da etwas im Unterbewusstsein der Unterdrückung, da wo Melancholie und Tristesse wohnen. So flüstert es leise von da unten: "Er kann es eigentlich noch viel besser!" Er müsste nur ... Ein moralisches Dilemma, nicht wahr?
Highlights
- You can't hurt me now
- Death final
- There is something I have to say
- Afraid ain't me
Tracklist
- Beware your only friend
- You can't hurt me now
- My life's work
- Death final
- Heart's arms
- You don't love me
- You are lost
- I won't ask again
- I don't belong to anyone
- There is something I have to say
- I am goodbye
- Without work, you have nothing
- Afraid ain't me
Gesamtspielzeit: 46:10 min.
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(Neueste fünf Beiträge)
User | Beitrag |
---|---|
Horst Tappert |
2013-08-30 11:02:39 Uhr
Die besten Alben vom Chef sind hier eindeutig unterbewertetThe Letting Go (9 vielleicht sogar eine 10) Wolfroy Goes To Town (9) Master And Everyone (8) What the Brothers Sang (8,5) |
Herder Postings: 1836 Registriert seit 13.06.2013 |
2013-07-08 10:04:01 Uhr
Obwohl doch ziemlich nah an (oder über) der Kitschgrenze ist "My Life's Work" doch ein ziemlich tolles Lied von Oldham. Auf der Platte wird schon immer wieder ziemlich dick aufgetragen, doch entstehen daraus auch immer wieder großartige und teilweise auch sehr intime Momente. |
Dän |
2009-04-08 12:32:54 Uhr
Ich find's wirklich toll. Schon der Einstieg, wie sich diese klassische Gitarrenfigur in Wohlgefallen auflöst und Will dann singt: "I want to be your only friend", gefolgt von dem "Is that scary?"-Gospelchor - priceless. |
georg |
2009-03-27 16:32:32 Uhr
Ist auf jeden Fall wieder ein gutes Album geworden, zwar nicht ganz so gut, wie das aktuelle Bill Callahan Album, aber auf jeden Fall immer noch um Längen besser, als die aktuellen Alben von Alela Diane, oder Marissa Nadler. Ich sag mal 8/10. |
Mixtape |
2009-03-25 16:28:33 Uhr
@ cerpintaxt: Nicht alle, aber "Viva last blues" ist mein absluter Favorit im Schaffen Oldhams. Die solltest Du Dir, falls sie nicht in dem Päckchen war, unbedingt zulegen.@ Sick: Google ist dein Freund. :-) |
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Referenzen
Bonny Billy; Will Oldham; Palace Music; Palace Songs; Palace Brothers; Bill Callahan; Edith Frost; Golden Smog; Freakwater; The Hiders; Royal City; The Jayhawks; David Pajo; Papa M; Neil Young; Hayden; Gram Parsons; Azita; Bob Dylan; Silver Jews; Uncle Tupelo; Whiskeytown; Anomoanon; Tarnation; My Morning Jacket; The Band; Neko Case; Giant Sand; The Baptist Generals; Vic Chesnutt; Grant Lee Buffalo; The Flying Burrito Brothers; The Long Ryders; Gene Clark; Iron & Wine; Joe Henry; The Walkabouts; Sunlight In Architecture; Bon Iver; Castanets; The Mountain Goats; Smog; Woven Hand; Josh Ritter; Timesbold
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