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Eisblume - Unter dem Eis

Eisblume- Unter dem Eis

B1 / Universal
VÖ: 06.03.2009

Unsere Bewertung: 2/10

Eure Ø-Bewertung: 4/10

Und auch so bitterkalt

Man kann über Sido und Konsorten sagen, was man will - immerhin steckt da Leben in den Lungenflügeln. Es wird geprollt, es wird gekotzt, es ist, wie plump auch immer umgesetzt, Schluss mit Heimeligkeit - und gibt dem Hörer nebenbei auch die Chance, so lange über den vernuschelten Quatsch hinwegzuhören, bis der Sender gewechselt ist. Zudem wird die eigene Verarschung gleich mitgeliefert. Deutschpop mit Gitarren nimmt sich da schon weitaus wichtiger. Die Satire bleibt deshalb oft genug an den Reimversuchen bloggender Hassprediger hängen. Hieß es einst zu Echt "Sag mal schleimst Du, oder ist das Dein Bregen, der Dir aus den Nasenlöchern tropft?", so genügte bei Rammstein ein knappes "Nnnierenstein / Das Pipi brrrennt". Bei Eisblume-Frontöse Ria und ihrem Subway-To-Sally-Cover "Eisblumen" hieße solch "Fanlyrik" wohl in etwa: "Der Tod, der sich von hinten an mich schleicht / Will mir bloß die Mähne föh'n / Sag, hab' ich nicht die Haare schön?" Ja, ja, nicht lustig - aber längst noch nicht alles.

Denn was den Goth-Pop-Chartbreakern mit dem Kätzchen-auf-Plutonium-Blick abgeht, sind nicht nur vier von 13 Songs auf der Promo zum Debüt (leider musste der Rezensent auch noch den Rest hören). Vielmehr lassen sie so ziemlich alles vermissen, was ihnen im Fünf-Meter-Raum zwischen LaFee, Silbermond und Juli ein wenig Ellbogenfreiheit verschaffen könnte. Während der Stadionsprecher die krassesten Rhymes aus dem "Das letzte Einhorn"-Soundtrack mitgurgelt, ist es vor allem Rias Stimme, der es an Volumen und Intensität gebricht. Gemeinhin wird so etwas gerne mit der Uraltmarke "Schönheit versus Dunkelheit" verkauft. Dieses Erhabene im Hässlichen, diese Anmut der Traurigkeit, dieser weiche Keks in der Dose gleicht allerdings eher einem Kontrastmittel, mit dessen Hilfe man Not und Elend freilich auch nicht besser unterscheiden kann.

So spielen auf "Unter dem Eis" Klaviere und Streicher immergleiche, zartfühlende Intros - und erschlaffen Schlagzeug, Bass und Gitarre die Songs anschließend genau so lange, bis Rias Gesang ohne größere Anstrengung in sie herübergleiten kann. Jedes Atemholen, jedes Zungeschnalzen und Gaumenschmatzen wird als Mahnmal der Sinnlichkeit in die Takte gedübelt. Dennoch rauschen die Refrains von "Leben ist schön", "Unter dem Eis" oder eben "Eisblumen" derart schwerfällig an der eigenen Tiefgründigkeit vorbei, dass sie prompt bis ins Bodenlose durchpoltern. Einen Unterschied macht lediglich das abschließende "Louise". Weil die Band hier längst geflohen ist, während sich Ria, so ganz allein mit Piano, selbst Mut zusingt. Was immerhin etwas ist, woran man einen Puls fühlen kann.

Ansonsten aber geht Eisblumes Dank eindeutig an die Produktion. Das Duo Infernale Ingo Politz und Bernd Wendlandt (auch verantwortlich für Silbermond oder Bell, Book & Candle) schmiedet zusammen, was ohnehin zusammengehört, und nivelliert die "rockigen" Ausbrüche mit dem harmonischen Kammerspiel. Dabei wird das eine wie das andere derart unter dem Deckel gehalten, dass Ria den "Trotz" bereits spürt, während sie eigentlich noch "verträumt in den Abendhimmel blickt" - oder sich als jammervoll verlorenen Kieselstein der Evolution inszeniert, wenn "der Sturm losbricht" und "dichte Wolken die Welt verdunkeln". Die Zerbrechlichkeit und wilde Schönheit der Natur nennt man das auf der einen Seite. Alles eine Soße auf der anderen. Ein Rezept, das "Unter dem Eis" auch der stets so missverstandenen Zielhörerschaft als Narkoleptikum unterjubelt: Normal ist, was gleichmacht. Und Humor ist, wenn man trotzdem kotzt.

(Tobias Hinrichs)

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Highlights

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Tracklist

  1. Dämmerung (Intro)
  2. Eisblumen
  3. Zeit bleibt nicht stehen
  4. Leben ist schön
  5. Land in Sicht
  6. Hoffnung (Interlude)
  7. Zeit zu gehen
  8. Stern
  9. Liebe heißt Schmerz
  10. Sieben mal
  11. Unter dem Eis
  12. Louise

Gesamtspielzeit: 48:38 min.

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