Angelika Express - Goldener Trash
Peng / Cargo
VÖ: 13.02.2009
Unsere Bewertung: 6/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
Die Kaugummi-Aktie
"Wir haben Diskoterror und lärmendes Massaker mit dem Zuckerguss des ewigen Popsongs überzogen." Sagten Angelika Express aus Köln einmal über sich selbst - und meinten das vermutlich nicht hundertprozentig ernst. Seit ihrer großartigen Anti-Hauptstadt-Hymne "Geh doch nach Berlin" ist einiges passiert: Vertrag beim Majorlabel, Auflösung und Wiedergeburt unter veränderten Vorzeichen, da der Bandname mittlerweile nur noch für Sänger und Mulitiinstrumentalist Robert Drakogiannakis steht. Und neuerdings auch für ein Finanzierungsmodell, das statt auf ein Majorlabel auf eine Art Risikolebensversicherung mit Selbstbeteiligung setzt: Gegen den Kauf einer "Angelika-Aktie" im Wert von 50 Euro konnte man die Produktion von "Goldener Trash" unterstützen und wird zudem an etwaigen Gewinnen beteiligt. Und dass das Papier schon bald überzeichnet war, setzte zumindest in Indieland die Finanzkrise kurz außer Kraft. Angelika Express haben eben ihre Fans.
Und die werden sie auch mit diesem Album bestimmt nicht enttäuschen. Zu sehr ist "Goldener Trash" eine Angelika-Express-Platte geworden, wie man sie kennt und mag. Ein Artwork, das aussieht, als hätte der Coverdesigner der White Stripes noch mehr bunte Pillen geschluckt. Die Musik ein großkariertes Miteinander von Garagenbeat und Powerpop. Die Texte eine fröhliche Bestandsaufnahme schöner Katastrophen in der Welt der Berufsjugendlichen. Ob Drakogiannakis das verpeilte "Messy girl" bedauert, mit "Du trinkst zuviel" launig den Alltagsdrogenkonsum seiner Umwelt verhandelt oder bei "Copyright killer" den großen Plattenfirmen Sätze wie "Lass mich frei, EMI" unterjubelt - all das geschieht mit einer Geradlinigkeit, die "Goldener Trash" zu einer der katastrophenresistentesten Bubblegum-Platten der letzten Zeit macht. Saftige Bassläufe, konstant hohes Tempo und infektiöse Singalong-Refrains mit Backgroundgeschrei sind schließlich stets willkommen.
Natürlich befinden sich Angelika Express auch hier oft genug auf großer Plünderfahrt durch den Zitatenschatz der Rockmusik. Doch wenn ein Song wie "Sie ist intellektuell" Ärzte-Stadionrock mit NDW-Übermut aus der ZDF-Hitparade kreuzt und sogar damit ungestraft davonkommt, verzeiht man Drakogiannakis gerne, dass seine Songschreiberqualitäten auf Albumlänge gelegentlich zu wünschen übrig lassen. So energetisch die Stücke auch von 0 auf 100 beschleunigen und spitz zulaufen - manche Wendungen sind vorhersehbar, einige Melodiepointen schal und die eine oder andere Hookline dem mitunter dick aufgetragenen Soundapparat nicht ebenbürtig. Und trotzdem verdichten sich bunter Kaugummi und Rock'n'Roll zu einem Gesamtkunstwerk, bei dem man augenblicklich Lust bekommt, wild auf und ab zu hüpfen statt mauloffen zu glotzen. Zumindest wenn Drakogiannakis nicht zu oft Sachen sagt wie "I sing English and Français / And Italian, that's okay". Den Rest erledigen die Jungs und Mädchen auf dem Dancefloor. Lieber Finanz- als Tanzkrise.
Highlights
- Was wollt ihr alle
- Goldener Trash
- Copyright killer
- Messy girl
Tracklist
- Was wollt ihr alle
- Du trinkst zuviel
- Goldener Trash
- Dich gibt's nicht
- Sie ist intellektuell
- Halb so schlimm
- I sing English
- Copyright killer
- Messy girl
- Lottogewinn
- Platte für Platte
- Fernsehgucken zu zweit
- Nie wieder Punkrock
- Lass uns tanzen
- Ich schenke dir die Zeit
Gesamtspielzeit: 47:54 min.
Referenzen
Hund Am Strand; Superpunk; Trashmonkeys; Cool Jerks; Planetakis; Schrottgrenze; The Wohlstandskinder; Olli Schulz & Der Hund Marie; Madsen; Dorfdisko; Bosse; Sportfreunde Stiller; Virginia Jetzt!; Sternbuschweg; Ego; Killerkouche; Kain; Neuser; Astra Kid; Winson; Die Ärzte; Farin Urlaub Racing Team; Junges Glueck; Fertig, Los!; Die Aeronauten; Fehlfarben; Family 5; Fotos; Boxhamsters; Jona; Muff Potter.; Jupiter Jones; Herrenmagazin; Kolossale Jugend; HNO; The Pigeon Detectives; The Cribs; Hot Hot Heat; Kaiser Chiefs; Kilians; The Kooks; Dirty Pretty Things; Jonas Goldbaum; Huah!; Stunde X; Tigerbeat; UKW; Klee; Malk; Supernichts; Knochenfabrik; Casanovas Schwule Seite
Bestellen bei Amazon
Weitere Rezensionen im Plattentests.de-Archiv
Threads im Plattentests.de-Forum
- Angelika Express - Köln ist kaputt (2 Beiträge / Letzter am 16.11.2023 - 15:54 Uhr)
- Angelika Express - Positiver Stress (3 Beiträge / Letzter am 05.08.2021 - 10:41 Uhr)
- Angelika Express - Letzte Kraft voraus (12 Beiträge / Letzter am 16.11.2017 - 20:01 Uhr)
- Angelika Express - Alkohol (5 Beiträge / Letzter am 04.11.2016 - 16:48 Uhr)
- Angelika Express - Neues Album (11 Beiträge / Letzter am 10.05.2012 - 20:30 Uhr)
- Angelika Express - Die feine englische Art (CD+Musikkassette+Vinyl) (3 Beiträge / Letzter am 02.05.2012 - 12:22 Uhr)
- Angelika Express (24 Beiträge / Letzter am 18.01.2011 - 14:25 Uhr)
- Angelika Express aufgelöst (14 Beiträge / Letzter am 22.01.2007 - 05:36 Uhr)
- Angelika Express - Alltag für alle (42 Beiträge / Letzter am 15.07.2005 - 15:44 Uhr)