Q-Tip - The renaissance
Motown / Universal
VÖ: 31.10.2008
Unsere Bewertung: 7/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
Concrete schoolyard
Da kann man jeden HNO-Arzt fragen: Zehn Jahre ohne Q-Tip sind eine verdammt lange Zeit. Als das letzte offiziell veröffentlichte Soloalbum des ehemaligen A-Tribe-Called-Quest-Mitglieds erschien, wurden Rapper noch erschossen und erzählten nicht nur davon. Jay-Z musste seine Karriere als Feature-Gast auf Foxy-Brown-Singles anschieben, und die heute hoffnungslos unübersichtliche Mixtape-Szene fing gerade erst an, fröhlich aus dem Ruder zu laufen. 1999 war es also durchaus noch möglich, komplett von der Bildfläche zu verschwinden - und Q-Tip gelang das so weit, dass sich seine Beiträge zum neuen Jahrtausend auf das nie veröffentlichte, angeblich zu komplizierte Album "Kamaal the abstract", ein paar Zeilen für die allumfassende R.E.M.-Katastrophe "Around the sun" und die Stimme im Chemical-Brothers-Brecher "Galvanize" runterkürzen lassen. Die Comeback-Platte "The renaissance" hat also mindestens schon mal den richtigen Namen.
Erwartungsgemäß läuft hier aber noch sehr viel mehr: Q-Tip hat seine Karenzjahre mit hörbar offenen Ohren verbracht und hält es trotzdem nicht für nötig, sich auf irgendwelche kurzlebigen Trendspielereien einzulassen. Zeit ist für ihn längst bedeutungslos, und so gibt es keine Tribal-Drums und Electro-Beats auf "The renaissance", keinen Autotune-Gesang und auch sonst nichts, wofür sich Q-Tips Eltern schämen müssten. Stattdessen ist der Ansatz regelrecht altmodisch und DIY-fixiert: Abgesehen von zwei Beats der früh verstorbenen Conscious-Rap-Legende J Dilla hat Q-Tip das Album allein produziert, und seine berühmtesten Gäste sind die Hype-unverdächtige Norah Jones und der ebenfalls lange verschollene 90er-Jahre-Soulstar D'Angelo. Es fehlt eigentlich nur noch ein Video auf dem nächstgelegen Basketball-Playground.
Q-Tip liefert stattdessen "Won't trade", eine großartige, weil völlig unprotzige Hymne auf die eigene Unverzichtbarkeit, die es tatsächlich schafft, dem ältesten aller HipHop-Themen durch ihre cleveren Basketball-Metaphern noch mal einen originellen Blickwinkel abzutrotzen. Für "The renaissance" werden solche Ansätze zum Leitmotiv: Die Platte probiert nur wenige Dinge aus, die völliges Neuland für Q-Tip wären und konzentriert sich lieber darauf, all das richtig zu machen, was seit Commons "Be" höchstens noch von Pharoahe Monch und The Coup ernst genommen wurden. Noch mal zwei lebende Tote, es kann ja eigentlich kein Zufall sein.
Jedenfalls: "Believe" wird auf "The renaissance" zum Soul-Rap-Update mit genüsslich ausgespielter Funk-Gitarre. "Official" schüttelt sogar kurz Q-Tips charakteristisch verschleppten Stil ab, und "Move" zerstückelt ein euphorisches Vocal-Sample, bevor es unvermittelt auseinander bricht und zur Startrampe für das überwältigende A-Capella-Intro von "Dance on glass" wird. Mehr ist aus einer Strophe HipHop nicht mehr rauszuholen - und dass Q-Tip im zehnten Jahr seiner holprigen Solokarriere so weit kommt, indem er einfach weniger als die Anderen macht, ist dann durchaus sehr bezeichnend. Seine Lektion fürs Leben: Es ist nie zu spät, um doch noch mit den Q-Tips anzufangen. Risiken und Nebenwirkungen ausgeschlossen.
Highlights
- Won't trade
- Move
- Dance on glass
- Life is better
Tracklist
- Johnny is dead
- Won't trade
- Gettin up
- Official
- You
- We fight/We love (feat. Raphael Saadiq)
- Manwomanboogie (feat. Amanda Diva)
- Move
- Dance on glass
- Life is better (feat. Norah Jones)
- Believe (feat. D'Angelo)
- Shaka
Gesamtspielzeit: 43:10 min.
Referenzen
A Tribe Called Quest; Pharoahe Monch; Organized Konfusion; Slum Village; J Dilla; Talib Kweli; Mos Def; Black Star; The Roots; Common; K-OS; The Coup; Blackalicious; Wale; Murs; Prince Po; The Pharcyde; Del Tha Funkee Homosapien; Aloe Blacc; Jurassic 5; De La Soul; Kool Keith; Eric B. & Rakim; OutKast; Georgia Anne Muldrow; Erykah Badu; Lauryn Hill; The Fugees; Dilated Peoples; Kanye West; Lupe Fiasco; Jay-Z; Nas