El Guincho - Alegranza

XL / Beggars / Indigo
VÖ: 21.11.2008
Unsere Bewertung: 8/10
Eure Ø-Bewertung: 6/10

Guacamole
Pablo Díaz-Reixa ist erst 24, aber geschrieben hat er schon alles, was es gibt. Kurzgeschichten in Paris, Zirkus-, Samba- und Discomusik für Dokumentarfilme, Landschaftsoden an seine Heimatinsel Gran Canaria. Mittlerweile ist er in Barcelona sesshaft geworden - was für einen Musiker natürlich heißt, dass er nur noch 300 Tage pro Jahr irgendwo anders verbringt -, aber schreiben will er noch immer alles, was es gibt. Nur jetzt halt nicht mehr nacheinander. El Guincho ist da sein Deckname und "Alegranza" das Resultat: ein Album, das je nach Sichtweise klingt wie kein anderes im Moment oder wie alle anderen gleichzeitig im selben Moment. Progrock, Hardbop, Death Metal, Oper, Ragtime, Quadrupelfugen und Electronic Body Music sind nicht drauf. Das war's dann aber auch.
Sieben von neun "Alegranza"-Songs basieren auf ausgesuchten Latin- und Traditional-Samples, einer auf der Frank-Farian-Version eines ausgesuchten Latin- und Traditional-Samples, und nur "Kalise" hat vor lauter Brummkreiseln und Tequila-Shots keine Zeit mehr, sich irgendwo anders zu bedienen. El Guincho torkelt buchstäblich von einer Rauscherfahrung in die nächste - seine Songs sind kaltblütige Wiederholungstäter im besten Wortsinn, wild gewordene Pferdekarussells und wahrscheinlich auch der beste Grund derzeit, sich so lange um die eigene Achse zu drehen, bis man nicht mal mehr auf dem Boden liegen kann, ohne sich festzuhalten. "Alegranza" macht genau das mit einer Konsequenz und Leidenschaft für sein eigenes Anliegen vor, dass selbst der allergrößte Griesgram Probleme haben sollte, seine Mitmuss-Reflexe zu unterdrücken. Es ist vielleicht die eine Tanzplatte in 2008, die jeden gut aussehen lässt.
Dabei sind unmittelbare körperliche Reaktionen nur eine Ebene, auf der El Guincho operiert und funktioniert. Unter den gereckten Fäusten und Shoutalongs von "Cuando maravilla fui" setzt sich ein Popsong zusammen, der Panajbi MC und doch noch einen Opernsänger (ha!) an den gleichen Tisch bringt. "Buenos matrimonios ahí fuera" beginnt als Wachtraum eines Kinderchors, verschluckt sich dann an sich selbst und schwenkt schließlich um in ein Wunderheiler/Stammestanz-Finale, wie sie sich letztes Jahr auch Panda Bear Noah Lennox eine Staatsgrenze weiter links ausgedacht hat. Das Leben ist schön mit El Guincho, vielleicht auch, weil man kein Wort versteht von seinen flambierten, immer und wieder wiederholten Parolen. Spielt keine Rolle.
"Alegranza" kommuniziert über die Vibraphon- und Tribal-Verquickung von "Costa Paraiso", das sich sowieso irgendwann reinsteigert in die universell verständliche Sprache ekstatischer Jubelschreie. "Antillas" schüttet sein Herz und ein paar elektrische Flamenco-Gitarren über dem wackligsten Kinderkeyboard-Loop aus, das sich gerade noch gegen das aufziehende Steeldrum-Gewitter behaupten kann. Und "Palmitos park" macht als vergleichsweise sanfter Opener einen "basket of cheers" auf, der sich schon vor der ersten Note selbst beklatscht. In all diesem Durcheinander ist El Guincho nicht etwa Putzkolonne oder der große Gleichmacher. Er lässt die offenen Enden aufeinander treffen, jede Baustelle für sich stehen und verfügt über die musikalischen Eroberungen von mindestens vier Kontinenten, weil bei ihm alle das sagen dürfen, was ihnen gerade durch den Kopf geht. So ist "Alegranza" mehr Anarchie als Fusion - und triumphiert mit seinem Chaos über jeden esoterischen Weltmusik-Nachgeschmack.
Highlights
- Antillas
- Cuando maravilla fui
- Buenos matrimonios ahí fuera
Tracklist
- Palmitos Park
- Antillas
- Fata morgana
- Kalise
- Cuando maavilla fui
- Buenos matrimonios ahí fuera
- Costa Paraiso
- Prez lagarto
- Prolca mazurca
Gesamtspielzeit: 40:29 min.
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(Neueste fünf Beiträge)
User | Beitrag |
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smörre |
2010-07-21 11:42:05 Uhr
ay ay ay...neue Single ist super! Gibt's beispielsweise via Stereogum. Gleich viel besser als alles von dieser gerade erst erschienenen Überbrückungs-EP. |
Dän |
2008-11-21 12:25:29 Uhr
Daniel, bleib lieber bei Robert Foster. Da verteidige ich deine 9/10 mit dem Messer zwischen den Zähnen. ;-)Ist nett von Dir, aber das war Markus. ;) |
DerZensor |
2008-11-21 11:07:02 Uhr
Eines der Konzerte des Jahres, allerdings habe ich ihn auch inmitten von tausend tanzenden Spaniern gesehen. |
II©h┼ (p.b.m.), anerkanntes Schätzle™ |
2008-11-21 11:03:30 Uhr
Daniel, bleib lieber bei Robert Foster. Da verteidige ich deine 9/10 mit dem Messer zwischen den Zähnen. ;-) |
II©h┼ (p.b.m.), anerkanntes Schätzle™ |
2008-11-21 11:02:12 Uhr
Kann mit der Mucke leider rein gar nix anfangen, habe es versucht. Klingt stellenweise so, als ob da ein Sprung in der Platte ist. |
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Referenzen
Coconot; Workshop; Panda Bear; High Places; Paavoharju; The Very Best; The Ruby Suns; Yeasayer; Animal Collective; White Williams; The Avalanches; 4Hero; M.I.A.; Santogold; Manu Chao; Ojos De Brujo; Black Moth Super Rainbow; Os Mutantes; Dirty Projectors; Gang Gang Dance; Fela Kuti; Afrika 70; Tony Allen; Antibalas Afrobeat Orchestra; Tinariwen; Talking Heads; Bonde Do Rolê; CSS; The Go! Team; Basement Jaxx; Gorillaz; Nitin Sawhney; Panjabi MC; Dan Deacon; Born Ruffians; Vampire Weekend; The High Llamas; The Beach Boys; Moondog
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