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Annett Louisan - Teilzeithippie

Annett Louisan- Teilzeithippie

105 / Sony BMG
VÖ: 17.10.2008

Unsere Bewertung: 4/10

Eure Ø-Bewertung: 7/10

Das Lolita-Komplott

Es ist im Grunde kaum veränderbar, das System Annett Louisan. Zu lange funktioniert sie schon zu gut, die Verzahnung von handzahm-sündigem Lolita-Image, ihrer einzigartigen Säuselstimme im Vordergrund und den Texten zwischen Männermorden und Festgehaltenwerden. So lange, das selbst der eigentlich belanglose Farbwechsel auf dem Haupt von Brünett-Annett jedem Interview-Fritzen eine treudoofe Identitätsdiskussion wert war. Ob die Neueinfärbung des Images nun wirklich der urplötzlichen Louisan'schen Selbsterkenntnis von der eigenen Masche geschuldet war, oder einfach die simple Gleichung "platinblonde Versuchung gleich Platinalbum" nicht mehr aufging (wie beim Drittwerk "Das optimale Leben"), sei dahingestellt. Jedenfalls bleibt auf "Teilzeithippie" im Prinzip alles beim Alten, eine Dreiviertelstunde haucht sich die knapp 1,60 Meter messende Sängerin kindlich-frivol durch eine sanftmütige Gemengelage aus Chanson, Schlager, Jazz und Pop. Klein, aber fein? Nein.

Denn über eben jene Masche, die sie vorgeblich aufbrechen will, kommt Annett Louisan selten hinaus. "Das schlechte Gewissen" knüpft als böses Erwachen zwar noch solide an die Hit-Single "Das Spiel" an, aber schon das folgende "Sexy loverboy" watet wieder knietief in den Klischees falsch verstandener Emanzipation. Es ist die bekannte Mischung aus Vamp und Kindchenschema, der Louisan in Stücken wie "Die Siezgelegeneheit" oder "Je später der Abend" eine unerträglich biedere Erotik angedeihen lässt, die dann doch recht gut zum neuen Retro-Style passt. "Mein Herz ist frei, bitte / Richte Dich ein" verklärt sie in "Die nächste Liebe meines Lebens" die Welt, und "Ich brauch Stoff" macht eindrucksvoll klar, warum eine Pose, die bei Marlene Dietrich verrucht wirkt, bei Louisan gestelzt daher kommt.

Denn obwohl die Wahlberlinerin wie die großen Diven im Wortsinn eine Interpretin und keine Künstlerin ist, fehlen ihr zur Grande Dame nicht nur ein paar Zentimeter, sondern auch die Voraussetzungen: Eine Stimme, die mehr aushält als ein atemwolkiges Hauchen, und nicht zuletzt auch Glamour, den die Chanteuse kaum verströmt. Einen Lichtblick stellt das abschließende "Auf Dich hab ich gewartet" dar, ein schlichtes Liebeslied, das Louisans neuer Freund Martin Gallop komponiert hat. Ironischerweise ist es der lange instrumentale Abgang des Songs, der auf diesem Album die größten Gefühle wachruft. Zwar hat das Produzententeam auch die anderen Titel sparsam und sorgfältig instrumentiert, Lorbeer gibt es für den Amy-MacDonald-Rip-Off in der Single "Drück die 1" aber nicht - und bei Stücken wie "Ich bin dagegen" oder "Gedanken lesen" zerschießen auch gern mal Präsentation oder Text das solide musikalische Fundament.

Auf "Teilzeithippie" wird einmal mehr deutlich, wie wenig Spielraum einerseits das Image der Sängerin Annett Louisan lässt, und wie wenig diese andererseits von sich aus als Alternative anzubieten hat. Dass sie ihre Selbstausschlachtung auch noch bereitwillig mitmacht, legt den Schluss nahe, dass sie sich eingerichtet hat in ihrer Rolle als weiblicher Roger Cicero, als Beschallerin der bürgerlichen Heimeligkeit. Das Widerspenstige, was auf "Bohème" noch hier und da durch die Songs lugte, ist einer ärgerlichen Angepasstheit gewichen. Bekommt man die dann noch mit einer aufdringlichen Nonchalance unter die Nase gerieben, wird es schlimm. "Es gibt ja Leute / Die lassen alles mit sich machen" singt Louisan in "Ich bin dagegen". Ja, die soll es geben. Dieser Plattentester gehört nicht dazu.

(Dennis Drögemüller)

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Highlights

  • Das schlechte Gewissen
  • Auf Dich hab ich gewartet

Tracklist

  1. Das schlechte Gewissen
  2. Sexy loverboy
  3. Gekommen um zu sagen
  4. Die Siezgelegenheit
  5. Ich brauch Stoff
  6. Die nächste Liebe meines Lebens
  7. Wir nicht
  8. Drück die 1
  9. Teilzeithippie
  10. Gedanken lesen
  11. Ich bin dagegen
  12. Je später der Abend
  13. Auf dich hab ich gewartet

Gesamtspielzeit: 46:05 min.

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(Neueste fünf Beiträge)
User Beitrag
Boston
2011-04-02 16:13:09 Uhr
Welches Handwerk denn?
der gute bergmann
2011-04-02 15:35:11 Uhr
ich meine die junge dame versteht ihr handwerk, allerdings löst diese "auf süß" getrimmte (pieps)Stimme bei mir fast unerträgliche zustände aus.
sexismus?
2008-10-23 12:25:38 Uhr
these:
ein ähnlich sexistisch/machohafter Text wie es "das Spiel" war, nur von einem männlichen Gesangsartisten vorgetragen - der kriegt keinen Vertrag für die zweite Platte!
lüdgenbrecht™
2008-10-23 12:04:46 Uhr
Wieso lustig?!? Ist doch so.
Mixtape
2008-10-23 12:03:48 Uhr
das gibt es ja gar nicht! Die Strophen von dem Song "Drück die 1" ist ja identisch mit "This is the life" von Amy mc Donald. Da wurde aber schnell gearbeitet.

Das Album von McDonald ist schon ewig draußen, erstaunlich ist es daher nicht.
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