Leech - The stolen view

Viva Hate / Cargo
VÖ: 10.10.2008
Unsere Bewertung: 7/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10

Die Schneidgenossen
In der bekanntlich hoch aufgeschossenen Schweiz treffen, einem Mythos zufolge, steilste Bergmassive auf tiefste Unterkellerung. Hier lagert jeder Eidgenosse neben den Kartoffeln seinen Vorlader zum Geißbockstechen, ist stets bereit zum neutralen Untergrundkampf gegen all die Feinde, die nicht direkt abwählbar sind, dann aber doch nie auftauchen. Das dürften, neben einem echten Elfmeterkoller, im Groben die Besonderheiten der Alpenrepublik sein. Vor Gram zerschmelzenden Post-Rock-Käse gibt es hingegen mittlerweile überall, in jedem Land, weltweit. Leech schieben genau das für die Schweiz auf die lange Bank. "The stolen view" ist schlicht zu ertragreich und lebhaft, um sich in den Formaten, die das Album bedient, in irgendeiner Weise zu verlieren.
Vielleicht liegt es daran, dass Leech Pioniere der ersten Stunde sind, die seit Mitte der Neunziger drei Alben herausgebracht haben und daraufhin gut fünf Jahre nichts mehr von sich hören ließen. Jedenfalls wirkt ihr Stil im Vergleich zu all jenen willenlosen Zombies, die aufgrund fehlenden inneren Feuers für einen Akkordwechsel gerne mal eineinhalb Minuten veranschlagen, trotz bekannter Epik und Dramatik befreiter, spannender und kreativer. Da wird gleich im ersten Track vor dem fälligen Ausbruch eine Gitarrensolowand aufgezogen, die in ihrer verprogten Gangart ebenso an die göttlich eigenwilligen Billy Mahonie erinnert wie die Fieberkurven des zwanzigminütigen "Totem & Tabu". Da gibt es, etwa bei "The man with the hammer" und "Inspiral", stets viel Hall und Delay auf den Gitarren, die eher einen teuflischen Hinterhalt der Marke Maserati stellen, statt die x-te Space Opera im kreonischen Dauerschlaf einzulullen. Die Sechssaiter jaulen, wummern, schnappen nach Luft, und die Riffs packen sofort zu. Sie werden leicht aus der Spur getaktet, greifen aber doch ineinander und gefallen sich am hymnischen Schmackofatz. Dazu bocken die Arrangements mehrere Synthesizer, Klavierspuren und Orgelgedröns zu rhythmischen Abweichungen auf, sodass die Songs zwar immer genau auf den Punkt kommen, aber auch alle übrigen Satzzeichen nicht vergessen.
"The stolen view" leistet sich Gedankenstriche, Doppelpunkte und Ausrufezeichen ebenso wie eine Menge Einschübe und pausbäckige Spannungsbögen. Wo ansonsten schon vor dem ersten Ton glasklar ist, wohin die nächste Viertelstunde führen wird, spielen Leech Abweichungen en masse. Und das inmitten vollster harmonischer und melodiöser Strahlkraft sowie bei gewohnt langem Atem, den auch vier der sechs Stücke von "The stolen view" beweisen. Statt der immergleichen Post-Rock-Patina gibt es Ideen, Spuren und Deklinationen, die tief ins Erdreich schneiden. Wer in die Ferne schweift, muss die Hacken halt in den Teer brennen. Und wer höher schaut, muss tiefer graben - ein echtes Schweizer Original.
Highlights
- The man with the hammer
- Inspiral
Tracklist
- Silent state optimizer
- The man with the hammer
- Zipfe
- Inspiral
- I was reversed
- Totem & Tabu
Gesamtspielzeit: 53:08 min.
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(Neueste fünf Beiträge)
User | Beitrag |
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fakeboy Postings: 5734 Registriert seit 21.08.2019 |
2021-03-16 09:08:58 Uhr
Inspiral ist der Wahnsinn. Wie sich der Song entwickelt und wie sich dann am Schluss alles entlädt - meisterhaft. Meine liebste Leech-LP. |
Leech85 Postings: 907 Registriert seit 15.03.2021 |
2021-03-16 09:02:16 Uhr
Ja werde mir die neue Vinyl auch besorgen. Für mich war es auch das erste Leech Album vor vielen Jahren.Als ich zum ersten Mal Silent State Optimizer hörte konnte ich meinen Mund nicht mehr schliessen so begeistert war ich. Und als ich dann Inspiral zum ersten mal live hörte wusste ich, dass es für mich nie mehr eine bessere Band geben wird. Und dass ist auch heute noch so. Im Gegenteil sie wurden sogar noch besser (If we get there one day, would you please open the gates) oder hielten das Niveau locker (For better or for worse). Schade nur lernte ich die Band nicht früher kennen, denn auch die älteren 2 Scheiben sind toll! |
pounzer Postings: 431 Registriert seit 24.08.2019 |
2020-10-25 00:51:40 Uhr
"The Stolen View" war eines der ersten Post-Rock-Alben, die ich für mich entdeckt habe. Leider war es lange nicht erhältlich.BIS JETZT! Gestern erschien eine remasterte Limited Edition auf Vinyl: https://leechofficial.bandcamp.com/album/the-stolen-view-remaster Ich freue mich total, das Album endlich in physischer Form in Händen zu halten. |
Pelo |
2012-03-20 18:47:23 Uhr
Ich feier seit Tagen das neue pg.lost Album. :)Das hier habe ich erst einmal gehört, klingt richtig nice und ist schön lang. |
Beefy |
2012-03-20 09:16:32 Uhr
Für mich noch 'ne Nummer grösser als The Stolen View. |
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Referenzen
Billy Mahonie; Maserati; Tristeza; Del Rey; The Mercury Program; Paul Newman; The Low Frequency In Stereo; Foxhole; Always The Runner; Honey For Petzi; Long Distance Calling; Immense; Giardini Di Mirò; Tarentel; Kinski; Do Make Say Think; A Silver Mt. Zion; From Monument To Masses; Bardo Pond; Mogwai; Explosions In The Sky; Moly; Godspeed You! Black Emperor; Set Fire To Flames; September Malevolence; Daturah; SDNMT; Gregor Samsa; Red Sparowes; Mono; God Is An Astronaut; 65dayofstatic; Yume Bitsu; Couch; Kreidler; Ostinato
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