Oxford Collapse - Bits
Sub Pop / Cargo
VÖ: 05.09.2008
Unsere Bewertung: 7/10
Eure Ø-Bewertung: 6/10
Hooligans for life
"Please visit your national parks" hatten Oxford Collapse auf ihrem letzten Album gefordert, und in Amerika macht man das natürlich mit dem Auto. Schon "Remember the night parties" hatte 2006 zwischen Dieselgeruch und Trucker-Hat-Rock eine Nische für die New Yorker freigeschaufelt, in der sie als nostalgische Nachlassverwalter des späten 80er- und frühen 90er-Jahre-Indierocks über sich hinauswachsen konnten. Der Nachfolger "Bits" nun scheißt gleich ganz auf falsche Fährten und geht mit dem autoritären Aufheulen eines Motorblocks los, der ein, zwei Dinge regelt, bevor sie überhaupt zur Diskussion gestellt werden können. Keine Pinkelpausen in den nächsten 38 Minuten, kein Eis an der Tankstelle und sicherlich kein Rockland-Radio aus der Autoanlage. Wäre ja noch schöner.
Der Rest von "Electric arc", dem Opener des einmal mehr routiniert hervorragenden vierten Oxford-Collapse-Albums "Bits", ist dann erstaunlich unentschlossen - der beispiellos begeisterungsfähige Sänger Michael Pace wiederholt immer wieder, dass er sich an gar nichts erinnern könne, während die Gitarre verbissen versucht, ein bisschen Verstand in ihn zurückzuprügeln. Anschließend wird fokussiert und optimiert: Eine dichtere Platte als "Bits" haben Oxford Collapse noch nicht gemacht. Leichter soll es ihnen auch nie zuvor gefallen sein, Wesentliches von Unwesentlichem zu unterscheiden, ihre Lieder kurz zu halten und das Knacksen im Röhrenverstärker als großen Verbündeten zu begreifen. Stimmen machen die Grätsche, Refrains werden trotzdem zu Schlachtrufen, und von den Instinkthandlungen des Schlagzeugs will man gar nicht erst anfangen.
Es gibt allerdings auch eine andere Seite von "Bits": "I finally feel better" singt die Band in erleichterter Personalunion, während "Vernon-Jackson" eher von selbst in sich zusammenfällt, statt mit barscher Gewalt dazu getrieben zu werden. "Young love delivers" tritt dann schon wieder fester nach, verliert sein Herz aber doch an einen Refrain, wie ihn Rivers Cuomo nicht besser an seinem Kaugummi vorbeijubeln könnte. "A wedding" beendet schließlich den Herumeier-Teil der Platte mit eigenwilliger Auffassung von Hochzeitsmusik (Cello vs. Drei-Mann-Gesang) und hämischen Spitzen Richtung Traualtar: "You found a place for what in your mind makes a home / And your monotone voice is the loveliest I've ever known." Und natürlich - der Knabenchor der Geschassten kriegt das auch noch deutlicher hin: "She! Is! Ridiculous!" Der Bräutigam soll es schließlich auch kapieren.
Ein gestörtes Verhältnis zu Familienfesten hatten Oxford Collapse vorher schon in "The birthday wars" durchsickern lassen, dessen zwei ineinander verbissene Gitarren locker genug Druck machen, um nicht nur die Kerzen auf einem Geburtstagskuchen auszupusten. Als müssten sie sich für irgendwas entschuldigen, nennen Oxford Collapse ihr Abschlusslied dann "I hate nobody". Wenn man aber hört, wie selbst dieser Versöhnungsversuch zwischen stur knurrendem Bass, nervösem Schellenkranz und letzter Schreddergitarre unter die Räder kommt, kann man dieser Band natürlich gar nichts mehr glauben. Den Extrapunkt, den "Bits" für sein selbst gebasteltes "Grim fandango"-Artwork kriegen sollte, kann diese Platte also überhaupt nicht gebrauchen. Hier geht es um eigenständig erkämpfte Siege. Und sonst gar nichts.
Highlights
- Electric arc
- The birthday wars
- Young love delivers
- I hate nobody
Tracklist
- Electric arc
- The birthday wars
- Vernon-Jackson
- Young love delivers
- Back of the yards
- A wedding
- Featherbeds
- For the winter coats
- Men & their ideas
- Children's crusade
- John Blood
- B-roll
- I hate nobody
Gesamtspielzeit: 38:27 min.
Album/Rezension im Forum kommentieren (auch ohne Anmeldung möglich)
Teile uns Deine E-Mail-Adresse mit, damit wir Dich über neue Posts in diesem Thread benachrichtigen können.
(Neueste fünf Beiträge)
User | Beitrag |
---|---|
Gordon Fraser Postings: 2652 Registriert seit 14.06.2013 |
2023-10-24 19:36:37 Uhr
Lol, 15 Jahre später kann ich den 90er-US-Indierock-Vergleich jetzt sehr wohl sehr gut nachvollziehen. :D Schön (nicht zu sehr) verspulte Platte."Young Love Delivers" ist mein Highlight. |
Blackberry |
2010-08-03 14:35:44 Uhr
sehr schade. hätten viel mehr aufmerksamkeit verdient."the birthday wars" ist mein lieblingssong. |
DerZensor |
2009-06-23 01:47:22 Uhr
aufgelöst :( buhunoch einmal 'Please Visit Your National Parks' reinwerfen und hören. |
Pascal |
2008-09-09 09:26:19 Uhr
hier gibt´s übrigens eine sehr gelungene Rezension zu "Bits" zu lesen. Und welch ein Wunder, es wird natürlich der 90er Indierock erwähnt;) |
vheissu1 |
2008-09-09 08:54:27 Uhr
Doch doch, wenn nicht Mit-Neunziger-Indie, was dann?Gelungene Platte mit sehr positiver Ausstrahlung. Die holt den Sommer noch mal zurück. |
Hinterlasse uns eine Nachricht, warum Du diesen Post melden möchtest.
Referenzen
Tapes 'N Tapes; fIREHOSE; Swell Maps; Guided By Voices; Sebadoh; Superchunk; Built To Spill; Buffalo Tom; Dinosaur Jr.; The Walkmen; Hallelujah The Hills; Oranger; The Thermals; Tall Dwarfs; The Wrens; Pavement; Stephen Malkmus; Preston School Of Industry; Robert Pollard; Black Lipstick; The Figurines; The Verlaines; Bedroom Walls; Ted Leo And The Pharmacists; Jonathan Fire*Eater; Rival Schools; Jawbox; Favez; Yo La Tengo; The Recoys; The Lemonheads; Buffalo Tom; Matthew Sweet; Redd Kross; Weezer; Sugar; Hüsker Dü; Pixies; Quasi; The Apples In Stereo; The Spinto Band; Clap Your Hands Say Yeah; Modest Mouse; Wolf Parade; Menomena; No Age; Minutemen; Mission Of Burma; Sonic Youth
Bestellen bei Amazon
Weitere Rezensionen im Plattentests.de-Archiv
Threads im Plattentests.de-Forum
- Oxford Collapse - Bits (11 Beiträge / Letzter am 24.10.2023 - 19:36 Uhr)
- Oxford Collapse - Remember the night parties (30 Beiträge / Letzter am 14.01.2007 - 19:54 Uhr)