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Kapelle Petra - Stadtranderholung

Kapelle Petra- Stadtranderholung

Skycap / Rough Trade
VÖ: 25.07.2008

Unsere Bewertung: 6/10

Eure Ø-Bewertung: 7/10

Wahn witzig

Albern, aber bitte konsensfähig! Die Kapelle Petra aus Hamm am Rande des Ruhrgebiets verordnet sich und uns im dritten Anflug vom eigenen Unfug "Stadtranderholung" und pfeift dabei auf die Grenzen von Geschmack, Genre und sich selbst immer ein fröhliches Liedchen. Die drei Humor-Berserker mit den Bad-Taste-Outfits aus der Reihenhaushölle zimmern bereits seit zehn Jahren aus dem Treibgut von Punk, Pop, Alternative Rock, deutscher Lyrik und reinem Blödsinn ein musikalisches Vehikel, mit dem sie sich irgendwo zwischen Quatsch Comedy Club, Bravo Super Show und dem Kulturteil der Süddeutschen Zeitung clever inszenieren.

Eine Band, die sich außerdem zweifelhafte Gaga-Pseudonyme wie der Opa (Gesang, Gitarre), der tägliche Siepe (Bass, Orgel) und Ficken Schmidt (Schlagzeug, Orgel) gibt, braucht natürlich auch eine Frauenzeitschriften lesende, lebende Bühnenskulptur namens Gazelle (ein wenig erinnert das Ganze in seiner Funktionslosigkeit an Ditsches Schildkröte). Wer jetzt aber in der Musik zum Image nichts als Wahn wähnt, irrt: Zwar müssen Szene-Codes und normative Maßstäbe vor der Tür bleiben, die Songs der Band sind aber ihrer musikalischen Bandbreite zum Trotz so unverfroren eingängig, dass der geballte Wohlklang sogar den geballten, intelligent arrangierten Nonsens überdeckt.

Wo "Curly Sue ist doch kein Name für ein Kind aus Gelsenkirchen" noch angenehm fröhlich die Gören-Verziehung aufs Korn nimmt, klingt "Uganda" bereits, als sei Reinhard Mey für den kleinen Gedankenflug bei den Pixies eingestiegen. "Gewitter" sampelt aus einem witzigen Anrufmitschnitt den Elektro-Song, den Stefan Raab daraus nicht hinbekommen hätte, und "Kalli Fornien" zerlegt sich - halb vollendet - nach einer Minute selbst in seiner Dead-Kennedys-Ehrerbietung. Der Klamauk bleibt musikalisch immer zu gut, um vollends abseitig zu wirken. Und spätestens in Songs wie "Alles anders" oder "So nicht gewollt" kommt die melancholische Poprock-Band mit den Herzschmerz-Anflügen durch, die Kapelle Petra auch sind. "Amerika" wird dann sogar annähernd sozialkritisch.

Trotzdem tränt das Auge am Ende von "Stadtranderholung" vom vielen Zwinkern, ernst geht anders, und Alexandras "Mein Freund der Baum" so theatralisch mit orchestralem Bombast aufzublasen, ist dann sogar noch besser als das unvorgesehene Handyklingeln im Funny-Van-Dannen-Cover "Alles verkauft". Hinter dem Ganzjahres-Gehirnfasching verbirgt sich hier ein Harmonie-Monster voller Melodien, ausgeprägtem Songwriting-Gespür und einem großartigen Sänger, der ein bisschen wie ein schlitzohrigerer Dirk von Lowtzow (und wenn er will auch wieder ganz anders) klingt. Auch wenn die Kurzweiligkeit bereits ihre voraus Schatten wirft: Das Grinsen wird man nach diesem Album trotzdem so schnell nicht mehr los. Eine Offenbarung des Unernstes.

(Dennis Drögemüller)

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Highlights

  • Curly Sue ist doch kein Name für ein Kind in Gelsenkirchen
  • Was besseres
  • Gazelle trainiert für Olympia

Tracklist

  1. Curly Sue ist doch kein Name für ein Kind aus Gelsenkirchen
  2. Uganda
  3. Alles anders
  4. Gewitter
  5. Esoterikmädchen
  6. Was besseres
  7. Kalli Fornien
  8. So nicht gewollt
  9. Gazelle trainiert für Olympia
  10. Amerika
  11. Frauenmagazin
  12. Alles verkauft
  13. Mein Freund der Baum
  14. Outro

Gesamtspielzeit: 40:19 min.

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  • Kapelle Petra (10 Beiträge / Letzter am 27.03.2020 - 16:39 Uhr)

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