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The Season Standard - Squeeze me ahead of line

The Season Standard- Squeeze me ahead of line

Discorporate / MMS / Al!ve
VÖ: 11.07.2008

Unsere Bewertung: 6/10

Eure Ø-Bewertung: 7/10

Die Dudelsäcke

Gniedeln - ein seltsames Wort. Aus dem Niederdeutschen abgeleitet, bedeutet es glätten oder plätten, und ist recht fix zum Oxymoron für Gitarrenbrechstangen der Marke "nerv" und "tötend" geworden. Seitdem ist das "Gegniedel", gemeinsam mit Schwesterherz "Gedudel", der unliebsame böse Zwilling, das kleine Teufelchen (vor allem) der Rockmusik. Oder auch der spitze Ellenbogen, der Nixkönner von Allesverstehern trennt. Hinterher sind dann wirklich alle platt: ausführende Musiker, Handlotion reichende Roadies, geduldig erduldende Hörer, unbeliebte Experten - und manchmal auch die Songs. Ähnlich ergeht es denen auf "Squeeze me ahead of line", dem Debüt der Berliner Gniedelrocker The Season Standard.

Eins vorweg: Die Anlagen von The Season Standard sind hervorragend, ihr musikalisches Können unbestreitbar. Die ideale Spur zwischen Prog-Zwiebel, Jazz-Membran und Glamour-Pop findet "Squeeze me ahead of line" jedoch nicht immer. Die Beharrlichkeit, mit der Songs wie "A seadog grotesque" und "Makkk" lieber klotzen, statt kleckern, verdient sich begrüßens- und bewundernswerte Haltungsnoten; nicht immer findet sich so aber eine Addition der Spannungskurven durch Kontrapunktion, weil sich die potentiellen Energien auch mal gegenseitig aufheben. So beharren The Season Standard auf dem einen, hochverfrickelten Songanfang gewiss ein- bis dreimal zu häufig. Danach ist es jedoch immer wieder verblüffend, zu hören, wie sie ackern und rackern, um zum Pop, zum Trip oder zum Hochkultur-Jazz zu kommen. Und es größtenteils sogar schaffen.

Auch dass die überall auf der Oberfläche von "The sheep sheep" und "Xylan" auftitschenden Elektro-Frequenzen, Sprachverfremdungen und Falsettarien so gar nicht bis zum Kern der Songs durchdringen wollen, ist begrüßenswert und schlüssig. Denn es geht dieser Musik weder um Fusion noch um Konfrontation. Vielmehr benutzt sie Takte und Harmonien als hochauflösende Projektionsflächen, um immer noch eine Schicht Rhythmus mehr durch die Noten zu pressen. So dürfte es sich anhören, wenn man im Inneren eines Bienensstocks zu höchstpronzentigem Honigwein eine Handvoll selbstbeschleunigter Flummis einwirft, um im Jamiroquai-Slide drüber, drunter und durch Laserlichtschranken zu steppen - und dabei sorgsam darauf achtet, vom kostbaren Met keinen Tropfen zu verschütten.

Die Ruhe von "Tisa" und "Super push" sticht dann auch positiv aus all der Raserei heraus. Zwei alles überragende Songs von teils triphoppiger Gelassenheit, die den üblichen Fast-Forward-Bewegungsstudien entgehen: Sie erzählen ihren Furor von vorne nach hinten und schichten sie nicht übereinander, bis der Arzt zwar kommt, aber auch nur noch Abwinken kann. Hier geht es nicht mehr um die Errichtung von Undurchdringlichkeit, die ansonsten die forderndste und vorsätzlichste Geste von "Squeeze me ahead of line" ist. Sondern darum, Energie als Wegbereiter zu verstehen und an den richtigen Stellen zu kontrollieren. Das wirkt gegen den Emanzipationswillen des Albums nur auf den ersten Blick konservativ; denn auch der ist stets derart streng konzipiert, dass er Freiheit verspricht, während er die Schrauben immer fester zieht. Genau dieses Potential zwischen zwei Utopien, Un-Abhängigkeit und Selbst-Bestimmung, entschlüpft "Squeeze me ahead of line" doch ein ums andere Mal. Dann kommt's dudeldick - und man ist erstmal platt.

(Tobias Hinrichs)

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Highlights

  • Tisa
  • Super push

Tracklist

  1. A seadog grotesque
  2. The water fellow
  3. 12 inches nose makes disco
  4. Kaira
  5. Makkk
  6. Xylan
  7. Tisa
  8. The sheep sheep
  9. Super push

Gesamtspielzeit: 48:39 min.

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