Das Geheul

Mit Schwere senken sich die einleitenden Wörter in die Stille: "A young man asleep within the cloth of a voyage", rezitiert eine Frauenstimme, die erschöpft scheint von der im Gesagten liegenden Bedeutung. Orgelklänge heben an, unheimlich in all ihrer Sakralität. Der Reisende ist Robert Mapplethorpe, 1989 an den Folgen des HI-Virus gestorben, Fotograf und Jugendfreund von Patti Smith, der Grande Dame des Punks. Zusammen mit Kevin Shields, Mastermind der nun wieder tourenden My Bloody Valentine, stimmt sie auf "The coral sea" das große Geheul an, das Totenlied auf ihren verschiedenen Begleiter, ein ihn würdigendes Requiem.

Zelebriert wurde die gesprochene Messe im Juni 2005 und im September 2006, jeweils vor ausverkauftem Haus in der Queen Elisabeth Hall in London, nun gebannt auf Doppel-CD. Patti Smith liest beide Male den gleichen Text, inspiriert von ihrem gleichnamigen Buch. Zur Erinnerung: Aus dem literarischen Underground kommend, enterte sie Anfang der Siebziger Jahre die New Yorker Bühnen, und nicht umsonst zeterte es anno 1975 ein entschlossenes "Go Rimbaud! Go Rimbaud!" auf ihrem Debütalbum "Horses". Bohemehaft posierte sie auf dem dazugehörigen Cover, mehr Junge als Frau, leger die Anzugsjacke geschultert - fotografiert von eben jenem Robert Mapplethorpe, ihrem damaligen Lover.

Und nun schickt sie also den Verblichenen auf Reisen, auf einen langen Trip zum Kreuz des Südens, dem kleinsten aller Sternbilder. Er flieht vor seiner ihn zerfressenden Krankheit, und Shields Klänge begleiten ihn dabei, erzeugen eine kaum zu durchdringende Spannung, einen irreal flackernden Horizont, der sich manchmal behutsam, jedoch meist bedrückend um die düstere Metaphorik des Textes legt. "And at night / When he looked down and saw his own blood / The liquid streaming from his body / He said: 'I'm dying and it is so painful'". Der Anfang des Endes, das Entfliehen des Geistes hin zu Kindheitserinnerungen, schmerzenden Reflexionen und märchenhaften Illusionen.

Der erste Auftritt zeigt sich dabei dem Klang nach versöhnlicher, wenn auch die Unterschiede marginal sind. Beide Male beschwört Smith voller Würde die Katharsis ihres Freundes, und leiht seiner Suche leidend ihre Stimme: "What is the point? / Somebody tell me / What is the point?" Dabei ist die Antwort denkbar einfach: Er selbst, Mapplethorpe, so lautet sie. Doch schon hebt das rauschende Strömen wieder an, schließt alles Zweifeln in sich ein und trägt es davon. In alle Winde zerstreut, erlöst von der Schwere - Go Mapplethorpe! Go!

(Tobias Wallusch)

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Highlights

• CD1:Track 5
• CD2:Track 4

Tracklist

• CD 1
  1. Track 1
  2. Track 2
  3. Track 3
  4. Track 4
  5. Track 5
  6. Track 6
• CD 2
  1. Track 1
  2. Track 2
  3. Track 3
  4. Track 4

Gesamtspielzeit: 119:22 min.

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Referenzen

My Bloody Valentine; Sonic Youth; Lydia Lunch; William S. Burroughs; Aidan John Moffat; Saul Williams; Scott Walker; Brian Eno; John Cage; Erik Satie; Terry Riley; Philip Glass; Steve Reich; Jean Michel Jarre; iLiKETRAiNS; Aereogramme; Explosions In The Sky; Godspeed! You Black Emperor; Tortoise; Mogwai; Neil Young; Songs:Ohia; Yume Bitsu; Kinski; Labradford; Stars Of The Lid; Tarentel; Fontanelle; Pan-American; Windy & Carl; Physics; Aspects Of Physics

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• Patti Smith & Kevin Shields - The coral sea (9 Beiträge / Letzter am 28.07.2010 - 06:51 Uhr)