Port O'Brien - All we could do was sing
City Slang / Universal
VÖ: 04.07.2008
Unsere Bewertung: 7/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
Der junge Mann und das Meer
Van Pierszalowski hat eine Gleichung mit dem Schicksal gemacht: "265 schöne Tage hat ein Jahr. Und 100 höllische." Die Hölle, das ist beispielsweise die Lachsfischerei in Alaska. Kälte, Krankheit, Nässe, aufgeschnittene Hände, monatelang kein fester Boden unter den Füßen. Pierszalowski verbringt trotzdem 100 Tage im Jahr auf dieser Höllenseite des Lebens. An den restlichen leckt er seine Wunden und komponiert mit seiner Freundin rührselige Songs über die Romantik der undankbaren Malocherei und die Schattenseiten des Meeres.
Obwohl dieser Mann erst 24 Jahre alt ist, legt er so viel Schmerz in seine Songs und Stimme, schreit mit solcher Innbrunst heraus, was ihn verzweifeln lässt, dass er im Ohr des Hörers zum alten Mann wird. Zärtlichkeiten wechseln sich mit Schmerzensschreien so regelmäßig ab wie Ebbe und Flut. Es ist das Wissen um aufgeplatzte Narben, durchgeweichte Unterwäsche und kalten Wind, das "All we could do was sing" zu einem ergreifenden Erlebnisbericht vom Leben auf rauer See macht.
"I woke up today" ergibt sich seinem Entdeckungsdrang, seiner unbedingten Abenteuerlust. Raus und weitermachen. Das schallt nach Arcade Fire, das klingt nach den Decemberists und ist doch so ursprünglich, dass es einem vor Ergriffenheit fast die Tränen in die Augen treibt. Im Verlauf der Platte rückt diese zunehmend von ihrem euphorischen Einstieg zur depressiven Reflektion, zum Selbstmitleid. Und doch fühlt man mit: "Alive for nothing" und sein morbider Pop, "Will you be there?" und sein Sonic Youth-Ausbruch, "Close the lid" und seine Seeräuber-Romantik - mit der Nase im Wind und der Hand am Netz.
Überhört man die Zerbrechlichkeit, die Verzweiflung und Traurigkeit und lässt "All we could do was sing" in der Nachbarschaft von großen amerikanischen Folkpop-Bands zur Entfaltung kommen, stellt man fest, dass es dem Projekt Port O'Brien allenfalls an der Erfahrung im Songwritings fehlt, um in der ersten Liga der letzten amerikanischen Blaupausen mitzumischen. Doch diese lapidare Einschränkung kann der Größe von "All we could do was sing" und seinem Trost nichts anhaben: Man hat Whiskey und Geschichten. Und den Halt des Gesangs.
Highlights
- I woke up today
- Stuck on a boat
- Will you be there?
Tracklist
- I woke up today
- Stuck on a boat
- Fisherman's son
- Don't take my advice
- Alive for nothing
- My eyes won't shut
- Pigeonhold
- Will you be there?
- The rooftop song
- In vino veritas
- Close the lid
- Valdez
Gesamtspielzeit: 41:06 min.
Referenzen
Eagle*Seagull; Southeast Engine; Hallelujah The Hills; Oranger; Okkervil River; Shearwater; Neva Dinova; Silver Jews; The Strange Death Of Liberal England; Arcade Fire; My Latest Novel; The Decemberists; White Whale; The Paperbacks; Wilco; Neil Young; Built To Spill; Pavement; Grandaddy; Midlake; Rogue Wave; The Delgados; Beulah