Jérôme Minière - Cœurs
Le Pop / Groove Attack
VÖ: 27.06.2008
Unsere Bewertung: 7/10
Eure Ø-Bewertung: 8/10
A la bonheur
Selbst in Frankreich treibt seit ein paar Jahren die Postmoderne ihr Unwesen. Alles muss hyper, super oder ultra sein. Hyper-chic, super-cool und ultra-modern. Das ist sogar allgemein und international verständlich. In Frankreich gibt es jedoch auch Bastionen, die sich eifrig gegen diese Auswüchse stemmen. Die Nouvelle Scène Française, insbesondere repräsentiert vom bekannten Le-Pop-Label, ist so eine Bastion. Dort versammeln sich sowohl Grandseigneurs wie Dominique A als auch Newcomer (man verzeihe diesen Ausdruck) wie Holden. Schon zu den Veteranen zählt der Mittdreißiger Jérôme Minière, der seine Heimat von Orléans in das frankophone Kanada nach Québec verlegt hat.
Minières siebtes Album "Curs" ist eine beschwingte, herzerwärmende Melange aus dezenten elektronischen Elementen und perfekt eingespielten Streichern, die der Platte ein angenehm warmes Timbre verleihen. Das melancholische "Trains" und das himmlische "Étoiles" sind dabei gelungene Gegenstücke zur postironischen Hyperrealität und üben sich ausgezeichnet im Understatement, was wiederum nach Abbitte verlangt. Die tanzbaren elektronischen, aber gleichzeitig zauberhaften Stücke "Disque dur miniature" und "Hivers" hingegen deuten an, dass sich Zurückhaltung und Souveränität nicht ausschließen. Sie sind vertrackt und eingängig, geradeaus und subtil. Das Heterogene löst sich im Gesamtkunstwerk auf und verschmilzt zu einem homogenen Ganzen.
Die kleinen Erzählungen Minières auf "Curs" thematisieren die Überwindung und Bewältigung von Schmerz und Tod, die raschen Bewegungen der Innen- und Außenwelt und das Wiederfinden der Liebe nach Schicksalsschlägen. Besondere Beachtung muss das klaviergetränkte "Amoureuse" finden; es ist die Vertonung eines Gedichtauszugs des Surrealisten Paul Éluard. Der Leidende entflieht der Krankheit durch die Liebe. Es ist ein Zusammenspielt von Imagination und Realität, Verschmelzung und Entzweiung, Licht und Schatten. Ein metaphorisches Meisterstück beispielhaft für das ganze Album. Gekrönt wird es durch das rein akustisch aufgenommene Schlussstück "Petit homme", das den Versuch unternimmt, die Welt zu umkreisen und nur deshalb scheitert, weil das Gute so nah liegt. So zieht der Mann von Welt seinen Hut. Chapeau! Er packt seine Nouvelles Chansons wieder ein und verschwindet fast unbemerkt und lautlos, als sei nichts gewesen.
Highlights
- Trains
- Hivers
- Amoureuse
- Petit homme
Tracklist
- Brindilles
- Cœurs
- Trains
- Étoiles
- Présent
- Disque dur miniature
- Foules
- Passé recomposé
- Hivers
- Étincelles
- Amoureuse
- Côté qui pique
- Poussière d'or
- Ma tête vide
- Petit homme
Gesamtspielzeit: 61:25 min.
Referenzen
Dominique A; Toma; Mathieu Boogaerts; Vincent Delerm; Thomas Fersen; Françoiz Breut; Jeanne Cherhal; Carla Bruni; Holden; Katerine; Patrick Watson; Ed Harcourt; Scott Matthew; Sondre Lerche; Teitur; Nicolai Dunger; Duke Special; Scout Niblett; Marissa Nadler; Nina Nastasia; Sparklehorse; Tindersticks; Kristofer Åström & Hidden Truck; José González; James Yorkston; Klabunde; Christian Kjellvander; Yann Tiersen