Silver Jews - Lookout mountain, lookout sea

Drag City / Rough Trade
VÖ: 06.06.2008
Unsere Bewertung: 8/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10

Wer zuletzt lacht
Versteckt gehalten hat er sich, nie wirklichen Wirbel um seine Person zugelassen. Kein Leisetreter, aber ein Künstler, der mit der Öffentlichkeit keine großen Verträge abschließen wollte. Ein großer Songwriter war und ist er, damals wie heute. Daneben Buchautor, Comiczeichner und Poet. "Starlite walker", sein Debüt von 1994, zeigte dem Hörer trotz schwindenden Zeitgeistes, zu welchen Wundern leidenschaftlich betriebene Reduktion und Abkehr von einer großflächigen Produktion führen kann. Seine Lyrics waren assoziativ, tiefschürfend, hoffnungsvoll, ironisch, und für jeden hatte er den einen markanten Einzeiler parat, der Tage optimistischer verstreichen ließ und sogar Leben retten konnte. Nach "Bright flight", seinem dunkelsten, zerbrechlichsten aber auch am homogensten arrangierten Werk, hing sein eigenes Leben am seidenen Faden.
Der inzwischen 41-jährige David Berman verlor sich in Drogenabhängigkeit und versuchte, sich das Leben zu nehmen. Erst heute lichten sich die persönlich tragischen Hintergründe, die seine lange Pause rechtfertigten. 2005, nach vier Jahren Resozialisierung, kehrte Berman überraschend mit dem neuen Album "Tanglewood numbers" und einem Großaufgebot an Gastmusikern, wie seiner Ehefrau Cassie, Will Oldham, Bobby Barre Jr. und dem alten Weggefährten Stephen Malkmus, zurück. Sein Spaß- und Party-Album, so sollte es in die Analen des Rock'n'Roll eingehen. Mit einer Ideenvielfallt und so vielen lebensbejahenden Parolen, dass sie kaum unter einen Hut zu bringen waren. Mit "Lookout mountain, lookout sea" ist Berman nach drei Jahren Pause wieder da. Und er klingt so konzentriert und in seinen Songstrukturen erstarkt, wie zuletzt vor sieben Jahren. Auch ohne namenvolle Gäste.
Dabei geht er keinen Rückschritt, denn spartanische Miniaturen übernehmen hier zu keiner Zeit die Hauptrolle. Nur die Hektik und ausufernden Momente des Vorgängers hat er der Vergangenheit überlassen. "Strange victory, strange defeat" ist dabei nicht nur ein Paradebeispiel für die Schönheiten und vergnügten Lebensfreuden, die sich auf "Lookout mountain, lookout sea" tummeln, sondern beschreibt auch Bermans klangtechnische Wandlung sehr anschaulich. Zarte bis mutige psychedelische Dreher und ein weitläufiges Gitarrenspiel verleihen dem Track einen süßlichen Minimalismus, das folkige Korsett gibt immer den Ton an. Eine Wonne zu lauschen, wie sich Bermans stoischer, einschlägiger Bariton an den feingefühlten, sehr hellen Melodienstürmen abarbeitet und so fassungslos schöne Augenblicke zum Vorschein kommen. Wenn er anschließend gemeinsam mit Cassie zum Refrain ansetzt, dann sind alle schwarzgeränderten Erinnerungen an frühe Phasen vergessen, und man fühlt sich für den Moment erinnert an harmonischste Beat Happening, besänftigte B-52's oder gar hymnische Go-Betweens. Das anschließende "Open field" hängt dabei noch weiter oben in Wolken.
Bis auf die in sich gekehrte, kühle Abrechnung "My pillow is the threshold", zeigen Bermans Lyrics einen veränderten Menschen, der zwar immer noch gedankenverloren, tagträumerisch und assoziativ das Weltenrund für sich schlüssig macht, sich dabei aber nicht vor dem Außen verschließt. "Lookout mountain, lookout sea" ist vor allem eins: ein selbstironisches wie witziges Meisterstück an Poesie, mit klugen Geschichten absurder Charaktere. Mittendrin - ihr Schöpfer. Endgültig zurück unter den Lebenden. Einer der besten Songwriter unserer Zeit.
Highlights
- What is not but could be if
- Suffering jukebox
- Strange victory, strange defeat
- San Fransisco B.C.
Tracklist
- What is not but could be if
- Aloysius, bluegrass drummer
- Suffering jukebox
- My pillow is the threshold
- Strange victory, strange defeat
- Open field
- San Fransisco B.C.
- Candy jail
- Party barge
- We could be looking for the same thing
Gesamtspielzeit: 33:53 min.
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(Neueste fünf Beiträge)
User | Beitrag |
---|---|
Denniso |
2009-01-30 00:20:25 Uhr
Die haben sich aufgelöst, wie blöd ist das denn bitte? |
markus w. |
2008-06-10 11:44:15 Uhr
Sogar den besten Track! |
Piepi |
2008-06-10 11:25:54 Uhr
Auf www.dragcity.com gibt es schon einen Song als Free mp3. |
Dän |
2008-06-08 13:01:12 Uhr
Allein für den kaputten Nashville-Frauen-Refrain von "Suffering jukebox" hat es sich schon gelohnt, dass diese Platte gemacht wurde. Schön. |
rothausmaler |
2008-03-12 22:58:07 Uhr
fand tanglewood numbers auch super, die american water ebenso.aber warum kein nrw-termin? schade. |
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Referenzen
Bonnie 'Prince' Billy; Hefner; Fuck; Royal City; Scud Mountain Boys; Lou Barlow; Jonathan Richman; Hayden; Pavement; Lloyd Cole; Bill Callahan; Beat Happening; The Velvet Underground; The Magnetic Fields; Stephen Malkmus; Lou Reed; Frank Black; Preston School Of Industry; The Go-Betweens; R.E.M.; Yo La Tengo; Neil Young; The Vaselines; Wonderful Broken Thing; Sebadoh; Lou Reed; East River Pipe; Unrest
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