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Hans-Joachim Roedelius & Tim Story - Inlandish

Hans-Joachim Roedelius & Tim Story- Inlandish

Grönland / Cargo
VÖ: 29.02.2008

Unsere Bewertung: 7/10

Eure Ø-Bewertung: 5/10

Die Entdeckung der Langsamkeit

Ausgerechnet im österreichischen Klagenfurt gibt es einen "Verein zur Verzögerung von Zeit". Sein Ziel: Entschleunigung auf allen Ebenen. Diese Haltung, die stets agile Turbokapitalisten moderner Prägung eher mit Kopfschütteln quittieren werden, scheint auch für Hans-Joachim Roedelius eine unumgängliche Lebenseinstellung zu sein. Denn Roedelius sieht seine Musik als Klangkino oder Horchtheater, für dessen Besuch man Zeit und Muße braucht. Zeit mitbringen sollte man auch, um das Gesamtwerk des mittlerweile 73-jährigen zu überschauen. Über 100 Alben, solo oder in unterschiedlichen Gruppen, Kompositionen für Theater und Choreografien, zudem literarische und fotografische Arbeiten. In den vier Jahrzehnten, die die Karriere des ehemaligen Krankengymnasten mittlerweile währt, hat sich eben zwangsläufig so einiges angesammelt. Angefangen hat Roedelius zu Beginn der 70er in Bands wie Kluster, Cluster und Harmonia, mit denen er Krautrock definierte. Es folgten immer neue musikalische Experimente und zahllose Zusammenarbeiten mit beinahe allen großen Namen avantgardistischer und improvisierter Musik wie Dieter Moebius, Conrad Schnitzler, Brian Eno, Michael Rother, Holger Czukay oder Konrad Plank.

Auch "Inlandish" ist wieder das Ergebnis einer Zusammenarbeit, diesmal mit dem amerikanischen Komponisten Tim Story, mit dem Roedelius bereits unter dem Namen Lunz zwei Alben aufgenommen hat. Obschon eigentlich Roedelius als der Pionier in Sachen elektronisch generierter und bearbeiteter Geräusche gilt, spielte er für das dritte gemeinsame Album innerhalb von zehn Tagen lediglich die Pianopassagen ein, um die herum Story anschließend in fünfmonatiger Detailarbeit ausgefeilte, aber jederzeit luftige elektronische Klanglandschaften in Cinemascope schuf, denen man seine Erfahrung als Komponist von Soundtracks merklich anhört.

Dramatisch gibt sich zu Beginn "As it were", in dem eine klagende Violine mit langen Schwüngen über die Landschaft hinweg schwebt. Auch die folgenden Stücke beziehen ihre geheimnisvolle Spannung aus der unterschwelligen Dunkelheit, durch die hindurch sich Roedelius' maßvoll-ruhige Melodien schlängeln wie ein Fluss. Ein eher regengraues Stück ist "Downrivers", in dem Pianotupfer wie einzelne Regentropfen auf die Oberfläche eines Sees fallen, während Story Wind aufziehen lässt, der durch das Schilf am Ufer fährt. Spannungsgeladen hingegen ist "Riddled", das als einziges Stück Andeutungen von Beats einsetzt. Einziger wirklicher Kritikpunkt an diesem meditativen Album ist das bei dieser Art klassisch inspiriertem Ambient stets drohende Abdriften in Richtung Kitsch, der denn auch bei den Stücken in der Albummitte wie "Ripple and fade" oder "The orchardist" nicht weit ist. Dennoch ist "Inlandish" als Ganzes betrachtet, und nur diese Sichtweise hat hier Sinn, meilenweit entfernt von der esoterischen Beliebigkeit irgendwelcher New-Age-Chillout-Compilations.

Eigentlich müsste man dem Klischee entsprechend diese stille Musik mit Slow-Motion-Videos von weitläufigen Wäldern, spiegelglatten Seen und einer bis zum Horizont reichenden Tundra kombinieren, deren unbewegliche Ruhe ihren Gegenpol in den ständig neuen, fein abgestuften Schattierungen findet, in denen die Landschaft dank der wechselnden Lichtverhältnisse erscheint. Aber selbst wer derlei Naturverbundenheit etwas zu dick aufgetragen findet, wird hoffentlich entdecken, dass man auch als postmoderner, multitaskingfähiger Mensch unter 73 Jahren diese Musik als das empfinden kann, was sie in ihrer Schlichtheit ist: zeit-los schön.

(Harald Jakobs)

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Highlights

  • As it were
  • Downrivers
  • Riddled

Tracklist

  1. As it were
  2. Inlandish
  3. Trouvé
  4. Downrivers
  5. Ripple and fade
  6. Rooftree
  7. Serpentining
  8. House of glances
  9. The orchardist
  10. Riddled
  11. Beforst
  12. Intermittent haiku

Gesamtspielzeit: 50:08 min.

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