No Kids - Come into my house

Tomlab / Indigo
VÖ: 22.02.2008
Unsere Bewertung: 7/10
Eure Ø-Bewertung: 8/10

Tom Sawyer und Huckleberry Finn
Es gibt Bands, die könnten auch stundenlang auf einem Kamm blasen, es würde sich trotzdem interessant anhören. No Kids sind so eine Band. Zwölf Songs hat ihr Debütalbum "Come into my house", das wie ein sonniger Tag ans Fenster klopft und zu einem Ausflug ins Ferienhaus draußen auf dem Land einlädt. Der Himmel ist blau, die Blumen duften, es gibt Obstsalat und später ein paar Drinks, die noch nie so gut geschmeckt haben wie heute. Alle guten Freunde sind da, man quatscht, spielt ein bisschen Federball, macht einen Spaziergang hinunter zum See, und überhaupt ist alles wunderbar leicht. Mit anderen Worten: ein perfekter Tag.
Zumindest könnte es ein perfekter Tag sein. Einer, an dem man neugierig Abenteuer erlebt wie einst Tom Sawyer und Huckleberry Finn. Wenn, ja wenn man nicht einsam in dieser viel zu großen Villa säße und durch das Panoramafenster hinaus auf den See starren würde, dessen Oberfläche genauso glatt daliegt wie das eigene Leben. Eines, dessen einzige Höhepunkte die Dinnerpartys sind, bei denen man Leute trifft, deren Namen man mit dem nächsten Schluck Bourbon schon wieder vergessen hat. Denn so beschwingt und unbekümmert "Come into my house" auch zunächst klingen mag, es ist im Hintergrund auch immer von Melancholie durchzogen und erzählt von äußerlich glücklichen Figuren, die jedoch tief im Inneren von einem erfüllteren Leben träumen.
Stilistisch sind No Kids, anders als ihre in barocker Opulenz schwelgenden kanadischen Kollegen von Arcade Fire oder die lärmig schraddeligen Broken Social Scene, vor allem eines: purer Pop, der die Melodieverliebtheit der Beach Boys ohne Surfbrett mit Soul, R’n’B, lateinamerikanischer Musik, Jazz, Broadway Musicals und wohl noch einem halben Dutzend anderer Einflüsse ineinander webt. Doch obwohl so viele Stile zusammenkommen, und obwohl eine beeindruckende Menge an Instrumenten und Klangfarben verwendet wird, zerfasern die Songs nie. Alles hat Luft zum Atmen, und jeder noch so unbedeutende Klang sitzt genau da, wo er hingehört, und jedes Zupfen, Klopfen, Tuten oder Brummen hat das gleiche Recht, gehört zu werden. Nichts drängt sich vor, nichts drängt sich auf.
So ermöglicht "For Halloween" zwischen seinen Streichern, Uhs und Ahs mittendrin einem dieser hinterbänklerischen Blasinstrumente einen kurzen, aber effektvollen Auftritt im Rampenlicht. So setzen in "The beaches all closed" die Streicher über dem Klackern der Klanghölzchen zu einer ebenso kurzen Jubelarie an. Auch "I love the weekend" klopft wieder auf allen Stöckchen herum, die irgendwie zur Rhythmuserzeugung geeignet sind. Dann kommen Flöten und eine ganze Bigband herein, um eine kleine Sommerparty zu feiern, nach der sich "Four freshmen locked out as the sun goes down" erst einmal bei Kaffee und Kuchen und Barbershop-Gesang auf der Veranda erholen muss.
In dieser bunten, überbordenden Fülle geht es weiter bis zum Ende. Wie bei einem großen Picknickkorb, aus dem immer noch eine neue Leckerei hervorgeholt wird. So auch bei "Listen for it / Courtyard music", in dem über einem spartanischen Rhythmus den Stimmen nachgehorcht wird, als höre man sie zum ersten Mal im Leben. Oder dem Wechselgesang in "Neighbour’s party", der zum Ende hin zu einem Wechselspiel zwischen Gesang und Trompeten wird. Und immer perlt das Piano, und immer legt der Falsettgesang einen zarten Schmelz auf alles. Vielleicht ist das Leben hinter Panoramascheiben in sterilen Villen ja am Ende doch nicht so schlimm. Denn solange die unaufdringlichen Songkunstwerke der No Kids noch ans Ohr dringen, kann man sich in eine buntere, leichtfüßige Welt hineinträumen, in der man noch mal kindlich unbeschwert sein darf. Wie damals bei Tom Sawyer.
Highlights
- For Halloween
- The beaches all closed
- Four freshmen locked out as the sun goes down
Tracklist
- Great escape
- For Halloween
- The beaches all closed
- Bluster in the air
- I love the weekend
- Four freshmen locked out as the sun goes down
- Old iron gate
- You look good to me
- Listen for it / Courtyard music
- Dancing in the stacks
- Neighbour's party
- The puddle
Gesamtspielzeit: 41:27 min.
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(Neueste fünf Beiträge)
User | Beitrag |
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smörre |
2010-01-14 15:23:39 Uhr
demnächst aus diesem umfeld das ganz wunderbare gigi-album. auch via tomlab. |
Soup Dragon |
2008-03-13 00:18:05 Uhr
In diesem Zusammenhang auch noch unbedingt erwähnenswert: p:ano http://www.myspace.com/darkhills |
gawain |
2008-03-05 17:08:16 Uhr
"For Freshmen Locked Out As The Sun Goes Down" wird mein lied für den beginnenden frühling. das ist ja wunderschön! |
Soup Dragon |
2008-02-26 00:21:30 Uhr
myspace-Sachen klingen gut. Erinnern mich auch etwas an Phoenix auf Alphabetical. Bin gespannt auf das Album. |
smörre |
2008-02-16 14:29:22 Uhr
sehr schöne, unaufdringliche Platte. Es fehlt der ein oder andere Hit - den sie aber bewusst nicht schreiben wollten. Sonntagmorgenfrühstücksalbum. |
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Referenzen
P:ano; The Beach Boys; Steely Dan; Scritti Politti; Burt Bacharach; Belle & Sebastian; Hot Chip; Cornelius; Beck; Architecture In Helsinki; Psapp; Au Revoir Simone; Erlend Øye; The Whitest Boy Alive; Schneider TM; Console; Phoenix; Tahiti 80; Euroboys; Nouvelle Vague; Herbert; International Pony; Erobique; Four Tet; Turner; Prince; Phantom/Ghost; Junior Boys; Tiger Tunes; St. Vincent; Arthur Russell; The Beta Band; Stephen Malkmus; Pavement; Joe Jackson; Ben Folds; Marvin Gaye; Grovesnor; Joakim; James Figurine
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- No Kids - Come into my house (6 Beiträge / Letzter am 14.01.2010 - 15:23 Uhr)