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Nick Cave & The Bad Seeds - Dig, Lazarus, dig!!!

Nick Cave & The Bad Seeds- Dig, Lazarus, dig!!!

Mute / EMI
VÖ: 29.02.2008

Unsere Bewertung: 8/10

Eure Ø-Bewertung: 7/10

Lichterloh

Lazarus, der alte Höllenhund. Kaum segnete die biblische Gestalt das Zeitliche, eilte Freund Jesus herbei und übte an ihm den Akt der Auferstehung ein. Lazarus, fortan ein Vertrauter der Unterwelt und Vermittler zwischen Leben und Tod, empfahl sich mit dieser Bewerbung für das zentrale Thema eines Langspielers bei Nick Cave. Der Primus des sakralen Balladentums nutzt die Steilvorlage und philosophiert auf seinem 14. Album über den Bestand des Guten im Bösen, des Animalischen im Menschlichen und des Heroischen im Alltäglichen. Die neu aufgezogenen Saiten der Bad Seeds kommen dabei glücklicherweise mehr zur Geltung als die erneut modifizierte Rotzbremse des Altmeisters.

Cave absolvierte in den letzten drei Jahren ein beeindruckendes Programm: Er kam offenkundig über den Bad-Seeds-Abgang Blixa Bargelds hinweg, veröffentlichte das laue Doppellüftchen "Abattoir blues / The lyre of Orpheus", stellte ein Live- und B-Seiten-Album zusammen, kreierte mit Warren Ellis zwei Western-Soundtracks, verfasste ein Drehbuch und hob die dreckige Bluescombo Grinderman aus der Taufe. Gleichzeitig unterzog er sich einem dezenten Imagewechsel, der neben seiner Gesichtsgardine auch aufgewühlte, rotzige und berstende musikalische Phantasien sprießen lies. Cave wurde im Jahre 2007 50 Jahre alt. Und hat sich für sein Jubiläum offenbar eine zweite Jugend genehmigt.

Denn "Dig, Lazarus, dig!!!" hat Spurenelemente der mittlerweile schon 25 Jahre ruhenden Birthday Party im Blut und den brachialen Krach des Grinderman-Debüts im Kopf. Es ist ungestüm, wild, laut, bissig und biestig. Von der Kunst, elegische, schwermütige, morbide Seelenerkundungen zu komponieren, machen Cave und seine Mannen eineinhalbmal Gebrauch. Im Zentrum stehen hier Bluesrock, Gitarrensägen und kreischende Feedbacks. Ja, auch einige Loops vernimmt man, aber ebenso eine Flöte und sentimentalen Sprechgesang. "Dig, Lazarus, dig!!!" ist ein glasklarer Ausguss von Nick Cave & The Bad Seeds, die diesmal mit Feuer experimentieren.

Mag sich der Eröffnungssong "Dig, Lazarus, dig!!!" sein melodisches Hauptmotiv auch beim David-Bowie-Klassiker "Breaking glass" gemopst haben, balanciert er doch angemessen arrogant zwischen Pop-Opportunismus und vorsichtigem Bluesstandard. Wegen der leichten Orgel unter dem euphorischen Refrain von "Today's lesson" mag man zunächst irritiert die Nase hochziehen wollen. Aber hat der Song erst mal die letzten Poren seiner Hörer eingenommen, will man hüpfen und laut im Männerchor mitgrölen: "We're gonna have a real cool time". "Moonland" kühlt das hitzige Gefecht schnell auf Zimmertemperatur ab, holt die Bongos aus dem Keller, groovt zu Rasseln und sengendem Gitarrensound. Neben all den Entfesselungen vergisst Cave auch diesmal nicht den Abstecher über die griechische Mythologie: "Night of the lotus eaters" hört sich nach Mark Lanegan und den Soulsavers an. Ein höllischer Abgrund.

Dass mit "Jesus of the moon" eine ersehnte Sentimentalität doch noch einmal um den Ofen schleicht, die sich anschmiegt und im Auge des Sturms als ruhende See gelten darf, lässt die Kritiker der Veränderung verstummen. Der federleichte Abgang "More news from nowhere" kommt mit seinem bequemen Refrain an richtiger Stelle und lässt den Zyniker Cave seinen Hut heben. Mit unverkennbarem Stil erweist er sich als Inkarnation eines musikalischen Lazarus, der an Orte vorstoßen kann, die selten erreicht, niemals so selbstsicher dargeboten und schon gar nicht mit dem Staub der Erde vertraut worden sind. Ein gesegnetes Gleichnis.

(Christian Preußer)

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Highlights

  • Today's lesson
  • Night of the lotus eaters
  • More news from nowhere

Tracklist

  1. Dig, Lazarus, dig!!!
  2. Today's lesson
  3. Moonland
  4. Night of the lotus eaters
  5. Albert goes west
  6. We call upon the author
  7. Hold on to yourself
  8. Lie down here (and be my girl)
  9. Jesus of the moon
  10. Midnight man
  11. More news from nowhere

Gesamtspielzeit: 53:39 min.

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(Neueste fünf Beiträge)
User Beitrag
noise
2010-10-20 23:00:27 Uhr
Im Zuge der Grinderman Veröffentlichung auch mal wieder auf den Geschmack von den Bad Seeds gekommen. Habe die Scheibe bei Erscheinen irgendwie "aus den Augen verloren". Jetzt nachgekauft und verstehe gar nicht warum ich sie mir nicht schon beim Erscheinen geholt
habe.
Auf jeden Fall ein absolutes Klasse Album.
Third Eye Surfer
2010-10-16 11:32:07 Uhr
Naja, an Let Love In und Murder Ballads kommt's auf keinen Fall ran. Ist aber definitiv in den vorderen Rängen der Bad Seeds Alben einzuordnen.
Wolffather
2010-10-15 22:47:56 Uhr
was für ein fantastisches Album - stelle ich immer wieder fest... wohl mein Lieblingsalbum von den Bad Seeds
sugrayrob
2008-10-09 09:51:50 Uhr
Nick Cave ist (für mich) der größte, lebende Künstler. In meinen All-Time Lieblingsalben TOP10 sind mal mind. 2 NC&TBS-Alben

Dig Lazarus Dig ist 8 Monate nach Erscheinen aber eher nicht zu einem seiner besten Werke gereift, obwohl ich Songs wie "Moonland" und "Jesus of the Moon" auf jede NC&TBS-Best Of packen würde.

Ich hab die Bad Seeds im Mai in Wien gesehen und das war grandios. Hoffentlich kommt nächstes Jahr mal eine Deutschland-Tour, denn live ist der Typ echt ein Erlebnis.

Und dann dürfen wir uns wohl auch schon auf seinen nächsten Roman freuen und, nicht zu vergessen, die neue Grinderman...
VelvetCell
2008-10-09 09:15:21 Uhr
Hier! Hier! Ich ! Ich!
Einer der größten, lebenden Künstler; soviel steht fest. Jede Platte ist mindestens gut, einige sind echte Klassiker. Wobei "Lazarus" wohl zu ersterem gehört: Also wirklich gut, die Platte.
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