The Cardigans - Best of
Stockholm / Universal
VÖ: 07.03.2008
Unsere Bewertung: 7/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
Mama Melancholie
Nina Persson ist möglicherweise der einzige weibliche Popstar. Halt, der Satz geht noch weiter: Nina Persson ist möglicherweise der einzige weibliche Popstar, dem sein gutes Aussehen zu Karrierebeginn eher geschadet als geholfen hat. So. Seit 16 Jahren singt sie jetzt bei den Cardigans und war mitverantwortlich für die moderaten Erfolgserlebnisse ihrer Frühphase. Als eine von nicht sehr vielen Bands schafften sie es aber auch, sich vom verfluchten One-Hit-Wonder-Dasein zu erholen und an dieses Schicksal eine Weltkarriere dranzuhängen, die sich doch sehr ordentlich gewaschen hat. Unter dem Decknamen A Camp veröffentlichte Persson außerdem schon vor sechseinhalb Jahren ein bemerkenswertes Soloalbum - und trotzdem mussten die Cardigans erst ihr leises, trauriges (selbstverständlich weitgehend unterschätztes) Meisterwerk "Long gone before daylight" machen, um wirklich ernst genommen zu werden. "Die Nina" ist halt einfach zu süß dafür.
Dabei steckte selbst der unbeschwerte Pop der jungen Cardigans schon voll mit souverän zurechtgebogenen Refrains und Melodien, die überall haften blieben. Das Debütalbum "Emmerdale" hatte deshalb nicht nur einen Hund mit Ständer auf dem Backcover, sondern auch Songs wie "Rise & shine", die sich mit großem Vergnügen jede Naivität raus nahmen, die einer ersten Platte zusteht. Das zweite Album "Life" setzte die gleichen Vorstellungen schon ein Jahr später mit ehrgeizigeren, weniger formelhaften Liedern um - und das nun veröffentlichte "Best of" der Cardigans kennt deshalb völlig zu Recht keine falsche Scham, wenn es um die ersten Gehversuche der Band geht. In chronologischer Reihenfolge werden die Singles und essenziellen Stücke aufgelistet; im Booklet steht außerdem eine kurze Geschichte zu jedem Song.
Anspruchsvolle Fans sind deshalb bei der Profi-Edition von "Best of" besser aufgehoben, die auf einer zweiten CD ein weniger offensichtliches Programm fährt. Wer die Cardigans aber über ihre erfolgreichste Single "Lovefool" vom vergleichsweise düsteren Album "First band on the moon" kennen gelernt hat und auch kein weiteres Interesse mitbringt, bekommt hier die Juniortüte mit kleinem Extraspielzeug. Natürlich folgt "Erase/Rewind" auf "My favourite game". Selbstverständlich wird von zaghaften Hardrock-Anleihen über dünnflüssigen Streicher-Kitt bis zum Beinahe-Gospel von "Higher" die ganze Bandbreite der Cardigans angedeutet. Und ganz bestimmt lässt man sich für das Talking-Heads-Cover "Burning down the house" auch noch mal mit Eigentestosteron aus Tom Jones' Gartenschlauch bespritzen - obwohl der heute ja auch nur noch Las Vegas' Antwort auf eine Frage ist, die Roberto Blanco nie gestellt hat.
Dann schon interessanter: dass "Best of" eines der wenigen Alben seiner Art ist, auf dem die jüngeren Stücke die besten sind. Mindestens drei der vier Beiträge von "Long gone before daylight" sind die Sorte Song, nach der Chris Martin fürs letzte Coldplay-Album vergeblich gesucht hat - hymnisch und sentimental, aber in ihrer Empfindsamkeit niemals billig oder auf Effekthascherei aus. Persson singt hier die Zeilen "Oh it's healing / Bang bang bang" und klingt wie die Mutter der Melancholie, nur um sich ein Album später auf "Super extra gravity" als fataler Vamp schon wieder neu zu erfinden. Allein im Refrain von "I need some fine wine and you, you need to be nicer" bringt sie Wut und Trotz und Wehmut in eben dieser Reihenfolge unter - während die Jungs durch ihren ersten Hit brettern, der auch in fünf Jahren noch funktionieren wird. Die Cardigans haben also Zukunft. Und damit mehr, als ihnen vor 16 Jahren irgendjemand zugetraut hätte.
Highlights
- Rise & shine
- My favourite game
- For what it's worth
- You're the storm
- Communication
- I need some fine wine and you, you need to be nicer
Tracklist
- Rise & shine
- Sick & tired
- After all...
- Carnival
- Daddy's car
- Lovefool
- Been it
- Losers
- War
- My favourite game
- Erase/Rewind
- Hanging around
- Higher
- For what it's worth
- You're the storm
- Live and learn
- Communication
- I need some fine wine and you, you need to be nicer
- Don't blame your daughter (Diamonds)
- Godspell
- Bonus track
- Burning down the house (feat. Tom Jones)
Gesamtspielzeit: 78:40 min.
Referenzen
A Camp; Briskeby; Lake Placid; Ephemera; Catatonia; Cerys Matthews; Susanna Hoffs; The Bangles; The Sounds; Texas; Sixpence None The Richer; The Corrs; Lene Marlin; Natalie Imbruglia; Michelle Branch; KT Tunstall; The Pretenders; Hazeldine; Itchycoo; Alisha's Attic; Hidalgo; Vanessa Paradis; Sophie Zelmani; Sophie B. Hawkins; Sheryl Crow; Beangrowers; Bettie Serveert; Rilo Kiley; Land Of Talk; Metric; Rainer Maria; The Concretes; The Long Blondes; The Pipettes; Camera Obscura; Shout Out Louds; Swan Lee; Garbage; Republica; No Doubt; Wir Sind Helden
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