Listen




Banner, 120 x 600, mit Claim


Atlas Sound - Let the blind lead those who can see but cannot feel

Atlas Sound- Let the blind lead those who can see but cannot feel

Kranky / Southern / Cargo
VÖ: 25.01.2008

Unsere Bewertung: 7/10

Eure Ø-Bewertung: 6/10

Hell sehen

Wollte man den geschickten Selbstdarsteller Bradford Cox mit einem aktuellen Schauspieler vergleichen, fiele einem da bestimmt jemand ein. Aber man will ja gar nicht. Es reicht schon, dass die Rockmusik endlich wieder eine wirklich polarisierende Figur hat. Einen, der die Leute nicht durch Skandale oder großmäulige Aussagen spaltet, sondern tatsächlich durch das, was er tut. Seine Band Deerhunter hat vor einem Jahr das Album "Cryptograms" veröffentlicht, eine der forderndsten und selbstsichersten Platten aus 2007, weil sie immer wieder ihr Popverständnis und Gefühl für richtige Songs andeutete, nur um einen Track später doch wieder im weißen Rauschen der Unendlichkeit abzutauchen. Liveshows folgten und glichen Grenzerfahrungen; Deerhunter steigerten sich nochmals mit ihrer "Fluorescent grey"-EP, und eigentlich fehlt jetzt nur noch das Fußvolk zum New-Psychedelic-Movement, an dessen Spitze man sie setzen möchte.

Cox vergnügt sich bis dahin mit sich selbst. Als Atlas Sound hat er die Platte hervorgeholt, die seit einem guten halben Jahr fertig in seiner Nachttischschublade liegt, ein Soloalbum im besten Wortsinn, bei dem höchstens etwas enttäuschend ist, dass es nahezu vollständig dem entspricht, was man von einem Alleingang des Deerhunter-Frontmanns erwarten würde. Nachdem er das letzte Jahr vor allem auf Provokations- und Konfrontationskurs verbracht hat, war das vielleicht die letzte Option, die Cox blieb, um die Leute noch zu überraschen - einfach mal ihre Hoffnungen/Befürchtungen zu bedienen. Es ist aber wahrscheinlicher, dass das hier lediglich die Musik ist, mit der er sich im Moment am wohlsten fühlt. Ausgedacht am eigenen Laptop, aufgenommen im eigenen Schlafzimmer.

"Let the blind lead those who can see but cannot feel" pflegt das gleiche Verhältnis zu Drone und Acid wie "Cryptograms". Trotzdem bleibt bei Atlas Sound alles durchsichtiger, weniger verworren und abgründig. Es ist eben einer allein, der einem diesmal den Presslufthammer an die Schläfe hält, und selbst wenn Cox ohne Anhang nicht viel orientierter klingt als mit Band, kann man sich wenigstens leichter einbilden, auf der Höhe zu sein. Der siebenjährige Junge, der zum Auftakt eine alte Geistergeschichte vorliest, wäre bei Deerhunter niemals mit einer solch vermurksten Vorstellung davongekommen. Hier passt er ganz hervorragend rein, weil sich auch die 13 Tracks danach nicht lange mit Fehlern und Ungenauigkeiten aufhalten. Für die große Sache lässt Cox diesmal Fünfe gerade sein.

Ohne umständliches Rumeiern erklärt er auf dem Album sein Innenleben. Sechs der Texte bestehen aus fünf oder weniger Zeilen, viele davon scheinen bezugslos im Raum zu schweben, und doch ist die Stoßrichtung eindeutig. Cox beschreibt Isolation, Verunsicherung, Suche und Erhalt von Freundschaft und Liebe nicht explizit, sondern macht nachvollziehbar, wie sie sich aus der Entfernung anfühlen. Die Musik dazu funktioniert ähnlich intuitiv, egal ob sie Ambient-Teppiche ausrollt, mit laufstärkeren Beats in Bewegung bleibt oder ihre diversen Schlaginstrumente nachbearbeitet, bis doch wieder alles verwackelt und verwischt klingt. Eine stichelnde Gitarre und Cox' scheinbar desinteressierte Stimme erheben sich einige Male über das Grundrauschen - letztlich funktioniert Atlas Sound aber, weil sich keines der Einzelteile für wichtiger hält als das Album selbst. Alles hier spielt füreinander - man könnte auch "blindes Vertrauen" dazu sagen.

(Daniel Gerhardt)

Bei Amazon bestellen / Preis prüfen für CD, Vinyl und Download
Bei JPC bestellen / Preis prüfen für CD und Vinyl

Bestellen bei Amazon / JPC

Highlights

  • Recent bedroom
  • River card
  • Quarantined
  • Scraping past

Tracklist

  1. A ghost story
  2. Recent bedroom
  3. River card
  4. Quarantined
  5. On guard
  6. Winter vacation
  7. Cold as ice
  8. Scrapping past
  9. Small horror
  10. Ready, set, glow
  11. Bite marks
  12. After class
  13. Ativan
  14. Let the blind lead those who can see but cannot feel

Gesamtspielzeit: 50:10 min.

Bestellen bei Amazon

Weitere Rezensionen im Plattentests.de-Archiv

Threads im Plattentests.de-Forum

Anhören bei Spotify