Adele - 19

XL / Beggars / Indigo
VÖ: 07.03.2008
Unsere Bewertung: 5/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10

Bordsteinkantengeschichten
Wenn alles schief laufen und US-Präsident Mike Huckabee nächstes Jahr die Rockmusik verbieten sollte, hat zumindest Adele Adkins ihren Platz in der Geschichte sicher. Sie wäre dann mit großer Wahrscheinlichkeit der letzte echte Popstar, den nicht MySpace, YouTube, last.fm oder Pitchfork, sondern das gute alte Radio erschaffen hat. In Großbritannien geht es schon seit Wochen so, dass man quasi nicht mehr weglaufen kann vor ihrem "Chasing pavements". Und selbst hier traut sich kaum noch jemand zum Friseur, weil das 19jährige Mädchen aus Tottenham längst dort ist, um die traurige Bordsteinkantengeschichte von ihrer Großfahndung nach dem richtigen Typen zu erzählen. Es ist also ein richtiggehend altmodischer Hype, der da gerade passiert. Interessant ist nun wie immer die Frage, ob er denn auch etwas taugt.
Adele jedenfalls ist so eine Art Amy Winehouse ohne Drogen. Das nächste britische Barhocker-Soul-Ding, das wegen seiner Jugend und Themen auch die Kundschaft von Lily Allen und Kate Nash ansprechen sollte. Ihr Debüt "19" bescherte Englands derzeit heißestem Indielabel XL bereits das zweite Nummer-Eins-Album des Jahres nach Radioheads "In rainbows" - und das ist schon allein deshalb beachtlich, weil die Platte hinter der routinierten Streicher- und Drama-Single viel mutiger und selbstbewusster ist als alles, worauf man eingestellt war. Viele der Lieder von "19" verlassen sich ganz auf Adeles Stimme; sie bauen vielleicht eine jazzige Gitarrenlinie drum herum, ein schlichtes Arrangement und höchstens an guten Tagen noch ein Schlagzeug. Die meint das halt ernst mit dem Barhocker-Soul.
Dass "19" trotz seiner Selbstlimiterungen ausgesprochen edel und elegant klingt, liegt also tatsächlich an Adeles Vocals, die Tiefe, Seele und Unverwechselbarkeit haben, sich aber niemals für eine schlichte Leistungsschau à la Mariah Carey hergeben. Man kann so eine Stimme nicht kaufen, trainieren oder im Studio zurechtmixen - man kann sie nur haben und dann mit gutem Recht ein ganzes Album darauf zuschneiden. "19" nimmt dafür billigend in Kauf, dass etwa "Daydreamer" wenig mehr bieten kann als Adeles Gesang, der selbstvergessen den Songtitel nachstellt, und dass besonders die zweite Hälfte der Platte mit zunehmender Ereignisarmut kämpft. Man fragt sich aber erst nach dem fünften, sechsten, siebten Mal, ob das Album hier einen zu hohen Preis für die absolute Konzentration auf seine eine Stärke zahlt. Und das spricht dann wieder für Adeles Stimme.
Im Idealfall eines Adele-Songs kommt sie mit einer musikalischen Gewieftheit zusammen, die der Platte zumindest noch einen zweiten Spielplatz eröffnet - was nirgendwo besser funktioniert als in "Best for last", dessen quirlige Basslinie allein schon lebendiger ist als der ganze Albumopener. Auch "Cold shoulder" erspielt sich mit Glockenklingeln, angriffslustigem Schlagzeug und einem ganzen Bienenschwarm von Streichern ein verlängertes Haltbarkeitsdatum. Es wird aber gleich wieder von "Crazy for you" ausgebremst, das dreieinhalb Minuten lang nach einem interessanten Blickwinkel auf seine von sich selbst besessene Liebesgeschichte sucht und darüber vergisst, dass es auch noch ein Song sein sollte. Für "19" kein unbekanntes Problem - man möchte sich deshalb schon mal vorfreuen auf das Coveralbum mit alten Jazz-Standards, das bei gleich bleibendem Erfolg unvermeidbar sein sollte.
Highlights
- Best for last
- Chasing pavements
- Cold shoulder
- Hometown glory
Tracklist
- Daydreamer
- Best for last
- Chasing pavements
- Cold shoulder
- Crazy for you
- Melt my heart to stone
- First love
- Right as rain
- Make you feel my love
- My same
- Tired
- Hometown glory
Gesamtspielzeit: 43:33 min.
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(Neueste fünf Beiträge)
User | Beitrag |
---|---|
leftwinger |
2009-02-27 13:13:35 Uhr
Bei "Cold Shoulder" ist mir der Vergleich zu "Unfinished Sympathy" auch schon aufgefallen. Gerade was den Beat betrifft.Bei Sia, hmm... Ist deren Album nicht später veröffentlicht worden, als das von Adele? |
Dan |
2009-02-27 13:09:50 Uhr
und "Hometown Glory" klingt wie Sia's "Breathe Me" |
Dan |
2008-03-19 19:22:05 Uhr
"Cold Shoulder" - Die Melodie erinnert an eine höher gepitchte Melodie von "Unfinished Sympathy", das Glockenklingen usw. geht es nur mir so? |
Deaf |
2008-03-07 17:30:19 Uhr
Zach Condon (Beirut) ist beispielsweile auch noch extrem jung, hat aber bereits zwei fantastische Alben aus dem Ärmel geschüttelt. |
Mirko |
2008-03-07 16:34:09 Uhr
Ich bin die Diskussionen über Durchschnittlichkeit ehrlich gesagt leid. Ich denke man sollte immer auch das Alter und die Reife eines Künstlers berücksichtigen. Wenn jemand sagt, dass Feist oder Regina Spektor viel besser sind, dann sollte man vielleicht auch mal die Erfahrung vergleichen. Feist ist beispielsweise über 30 Jahre alt, während Adele Adkins dieses Jahr erst 20 wird. Und dafür (aber auch wenn man das Alter mal außen vor lässt, hat sie ein überragendes Album abgeliefert. Ihre Stimme klingt unglaublich reif. Im Gegensatz zu vielen anderen Künstlern hat sie Ihre Songs selbst geschrieben und komponiert. Dafür hat Sie meinen Respekt. |
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Referenzen
Corinne Bailey Rae; Amy Winehouse; Jill Scott; Angie Stone; Malia; Duffy; Carole King; Cassandra Wilson; Aretha Franklin; Joss Stone; Gabrielle; Alicia Keys; Macy Gray; Lauryn Hill; Norah Jones; Katie Melua; Nellie McKay; Lizz Wright; Karen Dalton; Petula Clark; Nina Simone; Feist; Beth Orton; Joan As Police Woman; Lily Allen; Kate Nash; Erykah Badu; Mary J. Blige; Ms. Dynamite; Gabriella Cilmi; KT Tunstall; Dwele; Dusty Springfield
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