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The Mountain Goats - Heretic pride

The Mountain Goats- Heretic pride

4AD / Beggars / Indigo
VÖ: 29.02.2008

Unsere Bewertung: 7/10

Eure Ø-Bewertung: 9/10

Atempause

Die Welt ist voller Meinungen. Nicht wenige davon werden mit dem eisernen Eifer vertreten, den auch die Kirche in Sachen Bibel anwendet. Dank des lieben neuen Freunds Internet und seinen Tausenden von Anwendungsmöglichkeiten wurde auch die Musikkritik im letzten Jahrzehnt unter einem inflationären Erdrutsch solcher Meinungen begraben. Zu jedem Thema wird ohne Wenn und Aber eine ordentliche Portion geistiger Senf absorbiert. Wirkliches Hintergrundwissen und wahre Begeisterung sind da nur noch zweitrangig. Hauptsache schnell, unbeirrbar und in großer Zahl. Wer da auf der Strecke bleibt, sich sogar Zeit lässt zur konzentrierten Verarbeitung, hat unweigerlich verloren. Dank fragwürdiger Errungenschaften wie dem illegalen Download gibt es gar die Möglichkeit, noch einen Tick schneller an handfeste Ergebnisse zu kommen. Das einigen Hörern bei solch einem Leistungsdruck der Blick aufs Wahre verwehrt bleibt, zeigt "Heretic pride", das neue Album der Mountain Goats.

Das Instrumentarium der Backing Band entwaffnet auf ganzer Linie. Die emotionale Neutralität, mit der John Darnielle und Peter Hughes ihre Hintermänner agieren lassen, steht im Gegensatz zu den erwarteten Gemütsschwankungen. "Heretic pride" geht schon grundsätzlich andere Wege. Nach acht Jahren und der letzten 4-Spur-Gerät-Großtat "The coroner's gambit", verzichtet Darnielles Songwriting auf den tiefen Blick hinter die eigenen Kulissen und Konzeptionskunst und versteckt sich wieder hinter absurden Charakteren, wie einem buchstäblich zerschossenen Reggae-Künstler oder zweifelnden chinesischen Geheimagenten. Die immer weiter voranschreitendene Professionalität, die schon auf dem Vorgänger "Get lonely" in Teilen anklang, findet auf dem offiziell zwölften Album der Bergziegen ihren Höhepunkt. Man erinnere sich und vergleiche es mit den hochschaukelnden Emotionen der letzten autobiographischen Zustandsbeschreibungen Darnielles: die tiefschürfenden Seelenverlertzungen und den hörbaren Befreiungsschlag von "The sunset tree" oder das sarkastische, Gift spritzende "Tallahassee".

Auf "Heretic pride" paart sich die kryptische Erzähltechnik vergangener Tage mit einer immer weiter fortschreitenden, versierteren Musikalität, geleitet von Produzent John Vanderslice. Ein zweiter, dritter oder gar vierter Blick ist nun von Nöten, um hinter das eng geschnürte instrumentale Korsett zu blicken und die überströmenden Gefühle zu finden, die sich zwischen den perfekt positionierten Notenständern und fein instruierten Tonfolgen der Kammerfolkband versteckt haben. Nicht jede Sekunde dieser subitilen Suche ist von Erfolg gekrönt, wie das rockige "Lovecraft in Brooklyn" beweist, das der bekannten Zügellosigkeit der Mountain Goats zu viel grobklötzige Fesseln anlegt. Die hektische Perle "In the craters of the moon", die sich immer weiter zuspitzt und die Kehle langsam verschnürt und der ekstatische Opener "Sax Rohmer #1" sind weit lebendigere Vorbilder.

Minimalistisch gibt sich "San Bernadino" und krönt sich mit seinem herzerwärmenden Lebenswillen selbst zur Venus des Albums. "And flaming swords may guard the Garden of Eden / But we consulted maps from earlier days." Darnielle verweist seine literarischen Referenzen wie immer auf die Plätze. "Heretic pride" ist nach dokumentierter, aufwühlender Selbstreflexion und Lebensneuorientierung eine wunderschöne Atempause, die ihre Kraft aus der Subtilität der Instrumente und emotionaler Ausgewogenheit zieht. Nie himmelhochjauchzend, zu keiner Zeit zu Tode betrübt. Ein bewusstes Innehalten, um dem Außen wieder mehr Bedeutung zu schenken. Meine Meinung.

(Markus Wollmann)

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Highlights

  • Sax Rohmer #1
  • San Bernadino
  • Heretic pride

Tracklist

  1. Sax Rohmer #1
  2. San Bernadino
  3. Heretic pride
  4. Autoclave
  5. New zion
  6. So desperate
  7. In the craters of the moon
  8. Lovecraft in Brooklyn
  9. Tianchi Lake
  10. How to embrace a swamp creature
  11. Marduk T-shirt men's room incident
  12. Sept 15 1983
  13. Michael Myers resplendent

Gesamtspielzeit: 44:39 min.

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(Neueste fünf Beiträge)
User Beitrag
FBC
2009-01-04 20:19:42 Uhr
Mag den Titeltrack ziemlich, toller Text auch.
Dorschbert
2008-05-28 11:38:37 Uhr
habe auch irgendwie schwierigkeiten mit heretic pride. die großen momente fehlen irgendwie. san bernardino meinetwegen. es gibt keine grundstimmung, in die man bei anderen mountain goats alben gleich eintauchen kann. na ja, noch öfter hören hilft manchmal.
arnold apfelstrudel
2008-03-04 21:26:50 Uhr
Ich hatte bisher kaum was mit dieser Band zu tun, aber dieses Album gefällt mir auf Anhieb verdammt gut. In The Craters On The Moon finde ich bis jetzt am besten.
Pure_Massacre
2008-02-28 17:12:43 Uhr
1 Sax Rohmer #1 (9/10)
2 San Bernardino (10/10)
3 Heretic Pride (9/10)
4 Autoclave (8/10)
5 New Zion (6/10)
6 So Desperate (7/10)
7 In the Craters on the Moon (9/10)
8 Lovecraft in Brooklyn (8/10)
9 Tianchi Lake (6/10)
10 How to Embrace a Swamp Creature (7/10)
11 Marduk T-Shirt Men's Room Incident (9/10)
12 Sept 15 1983 (6/10)
13 Michael Myers Resplendent (7/10)

Joar, ergibt insgesamt ne knappe 8/10.
Pure_Massacre
2008-02-27 17:22:33 Uhr
Für mich bisher das beste, was 2008 zu bieten hatte.
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