The Most Serene Republic - Population
Arts & Crafts / Al!ive
VÖ: 29.02.2008
Unsere Bewertung: 8/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
Die Mauerspechte
Zuerst ist da diese Mauer. Es ist eine schöne Mauer. Sie ist breit und hoch und eindrucksvoll. Das sollte sie auch gefälligst sein, denn es brauchte immerhin gleich drei Anläufe, bis Vordenker Ryan Lenssen endlich zufrieden war mit dem neuen Werk von The Most Serene Republic. Schließlich waren zahlreiche Melodiebögen, Texturschnörkel, Takterker und Harmoniefundamente so kunstvoll ineinander geschachtelt, dass jetzt kaum jemals ein Durchdringen der Mauer möglich scheint. Dabei ist "Population" keine komplizierte Kunsthandwerksangeberei, für die ein Studium der höheren Kompositionslehre zum Verständnis zwingend vorauszusetzen wäre. Es ist alles so hübsch und formschön und glitzernd, dass man erst einmal unweigerlich von soviel lustvollem Wohlklang geblendet wird.
Das geschulte Ohr hört konzentriert an solchem Gefunkel vorbei, als liefe das Album im Tarnkappenmodus. Schon könnte das Lamentieren darüber beginnen, dass den bauenden Vorzeigenerds aus Milton, Ontario das Fingerspitzenspitzengefühl beim Sichselbstüberfordern abhandengekommen sein könnte. Dass das Mischungsverhältnis von Jazz, Indierock und abstrahiertem Pop, das bei "Underwater cinematographer" ein so hüftbiegsam schepperndes Wunderwerk ergab, dieses Mal missraten sei. Oder dass womöglich vor lauter gleißendem Wohlklang vergessen wurde, den schönen Schein für memorable Songs zu nutzen. Man könnte all das aber auch bleiben lassen und bestaunen, wie die glänzende Oberfläche der Mauer Risse bekommt und das Bröckeln lernt.
Ähnlich wie steter Tropfen den Stein höhlt oder unvorsichtiges Hobeln die Fingerkuppen kürzt, fräst sich die niedlich betupfte und formvollendet verknotete Musik nach und nach ihren Weg ins Gehör. Songs wie "The men who live upstairs" und "Sherry and her butterfly net" hinterlassen keine leicht zu entdeckenden Kratzspuren. Sie hobeln Millimeter um Millimeter einer vermeintlichen Hornhaut ab, die ihnen im Wege steht, und fließen dann plötzlich hinein, als wären sie dort - und genau dort - zuhause. Die sprintende Rhythmusgruppe von "Compliance" oder die stolpernde "Mission: impossible"-Riffvariante in "Career in shaping clay" sind für das perplexe Gefühl genauso verantwortlich wie das tänzelnde Klavier mitten in "Why so looking back", das dem sanften Hintergrundstrahlen einer jaulenden Gitarre weichen soll und sich einfach weigert.
Plötzlich geht einem auf, dass die ganzen Löcher ja gleich in der mutmaßlichen Mauer eingebaut waren. Die wackelnden Takte nicht nur von "Multiplication desks", mit denen selbst Legastheniker die Bruchrechnung endlich lernen sollten. Die sorgfältig eingearbeiteten Schrammen in den gelackten Verschalungen und die sich umarmend voreinander weglaufenden Stimmen von Emma Ditchburn und Adrian Jewitt. All das schiefe Moll, die schnatternden Rhythmen und der aufbrausende Lärm. So gelingen Songs wie das choralierte "Present of future end", das The Polyphonic Spree selbst dann nicht hinbekämen, wenn man ihre aufgeblasenen Crescendi mal platzen ließe. Auch das zwielichtige Strahlen "Sherry and her butterfly net", die mondäne Single "The men who live upstairs" oder der subtile Albumeinstieg "Humble peasants", der dermaßen vor Musikalität strotzt, dass er nicht einmal mehr Gesang braucht, können nicht anders, als zu begeistern. Nachdem man "Population" in Zeitlupe, im Zeitraffer, in verschiedenen Zoomfaktoren und zahlreichen Blickwinkeln erleben durfte, ohne eine Fernbedienung auch nur ansehen zu müssen, ist es endlich Gewissheit: Das Schönste an dieser Mauer ist ihr effektvoll inszenierter Einsturz.
Highlights
- Humble peasants
- Present of future end
- Battle hymn of the republic
- Sherry and her butterfly net
- Career in shaping clay
Tracklist
- Humble peasants
- Compliance
- The men who live upstairs
- Present of future end
- A mix of sun and cloud
- Battle hymn of the republic
- Why so looking back
- Sherry and her butterfly net
- Agenbite of inwit
- Career in shaping clay
- Solipsism millionaires
- Multiplication desks
- Neurasthenia
Gesamtspielzeit: 53:50 min.
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(Neueste fünf Beiträge)
User | Beitrag |
---|---|
jaja |
2011-04-11 18:51:51 Uhr
smörre 14.09.2007 - 15:04 UhrGroßartige Songs, super Atmo. Und bei dem wunderschönen Cover muss man sich das eigentlich auf Vinyl holen. Ja, leider ist die Pressung echt mies... |
Manus |
2008-09-05 15:38:16 Uhr
Grandioses Album!! |
m.caliban |
2008-09-05 15:21:27 Uhr
es scheppert schon, muss sich halt reinhören, aber sind schon einige Perlen drauf. |
Senior Twilight Stock Replacer |
2008-09-05 15:18:24 Uhr
Zwei Fragen:1. scheppert das schön wie der Vorgänger? 2. nuschelt der Sänger immer noch ein bisschen? |
sonic |
2008-03-26 19:14:26 Uhr
fand ich entäuschend und langweilig. |
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Referenzen
Apostle Of Hustle; Broken Social Scene; Broken Social Scene Presents: Kevin Drew; Minus Story; The Besnard Lakes; American Analog Set; The Polyphonic Spree; Architecture In Helsinki; The Hidden Cameras; Guillemots; Yes; Steely Dan; The Sea And Cake; Fleetwood Mac; +/-; Mates Of State; Get Him Eat Him; Mazarin; Caribou; Sunset Rubdown; Metric; The Helio Sequence; The Dismemberment Plan; 31Knots; Of Montreal; Islands; Deerhoof; The Flaming Lips; The Magnetic Fields; The Postal Service; Dntel; M83; Stars; Memphis; Young Galaxy; Arcade Fire; A Northern Chorus; Joan Of Arc; Do Make Say Think; Fly Pan Am; Giardini Di Mirò; João Gilberto; Gilberto Gil; Antonio Carlos Jobim; Nouvelle Vague
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