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The Magnetic Fields - Distortion

The Magnetic Fields- Distortion

Nonesuch / Warner
VÖ: 25.01.2008

Unsere Bewertung: 7/10

Eure Ø-Bewertung: 7/10

Nebelschlussleuchten

Natürlich haben The Magnetic Fields längst jeden Song geschrieben, der jemals jemandem einfallen könnte. Deshalb die einzige Sache, die sie nie gemacht haben: falsche Versprechen. Das in nahezu jeder Hinsicht unbesiegbare Dreifach-Album "69 love songs" enthielt 1999 genau, was sein Titel versprach: 69 Lovesongs, selbstverständlich fast ohne überflüssige Lieder. Auf dem Nachfolger von 2004 war dann alles wieder zwei Nummern kleiner; "i" spielte sich als quer gedachte Ego-Platte des Stephin Merritt auf, brachte aber zum Glück auch kaum einen Song ohne ironische Brüche zu Ende. "Distortion" nun nimmt erneut die ganze Geschichte im Albumtitel vorweg - es ist die Magnetic-Fields-Platte, die klingt wie "Jesus & Mary Chain in Zuckerwatte gewickelt." (© mr. pink 2007)

Oder andersherum gesagt: Statt ihre kleinen, unschuldigen Songs sorgfältig auf Vordermann zu bringen, schneiden The Magnetic Fields ihren kleinen, unschuldigen Songs diesmal fröhlich die Kehlen durch. Mit sehr großen, sehr rostigen Messern. "Distortion" spielt eigentlich die gleichen Lieder wie immer - blumige, vordergründig unscheinbare, tatsächlich abgründige Popstücke, auf engstem Raum sehr klug und ausladend arrangiert. Es bleibt nur nicht viel davon übrig, weil es von links in einer Tour rauscht, von rechts dröhnt und von oben Luftschlangen, Konfetti oder Ziegelsteine regnet. Merritt und seine Leute sind diesmal alles außer zimperlich - "Distortion" nimmt seine Selbstzerstörung derart ernst, dass zwangsläufig nicht mehr als ein Häufchen Asche und vielleicht noch ein paar Rauchschwaden davon übrig bleiben.

Akkordeon, Cello, Klavier, Gitarre und Bass - alles wurde mit Klebeband an kleine, voll aufgerissene Zigarettenschachtelverstärker gefesselt, die jeden Ton, der sich überhaupt noch aus den Instrumenten heraustraut, sogleich mit Holzhammer und gut gemeinten Absichten zermanschen. Das Schlagzeug dazu nahmen The Magnetic Fields im Treppenhaus eines Gebäudes mit 17 Stockwerken auf; nur dort konnte ihm genügend Luft bleiben, um gegen das vereinigte Ohrensausen von "Distortion" anzuspielen. Der größte Trick des Albums ist trotzdem ein anderer: Die Songs tun einfach so, als bekämen sie gar nichts mit von dem Chaos, in das sie versenkt werden. Die Melodien halten tapfer durch, Merritt (Typ Whisky Sour) und Shirley Simms (Typ Sinalco) singen unbeirrt weiter. Und dann wird's halt doch wieder Popmusik.

Deshalb möglich: das unsagbar zärtliche, gleichzeitig zombiehaft-unbeteiligte Piano von "Mr. Mistletoe", hinter dem eine Feedbackwand nach der anderen abgerissen wird. Die mächtige, angemessen bösartige Beach-Boys-im-Fleischwolf-Phantasie "California girls", die in der großartigen Feststellung gipfelt, nichts als aufrichtige Verachtung für solche Mädchen zu fühlen. Das einerseits großzügig Schwung holende, andererseits tödlich betrübte "Too drunk to dream", in dem sich Merritt die eigenen Albumträume mit ordentlich Schnaps verdünnt. Und "The nun's litany", Simms' geheime Sexwunschliste aus Klosterfrauensicht, bei der es vermutlich besser ist, dass die Verzerrer das eine oder andere Detail überdecken. "Distortion" also bleibt The Magnetic Fields, so sehr es nur geht, und tut folglich eher gut als weh. Es scheint trotzdem ratsam, die Platte nur in Autos mit Nebelschlussleuchten zu hören.

(Daniel Gerhardt)

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Highlights

  • California girls
  • Too drunk to dream

Tracklist

  1. Three-way
  2. California girls
  3. Old fools
  4. Xavier says
  5. Mr. Mistletoe
  6. Please stop dancing
  7. Drive on, driver
  8. Too drunk to dream
  9. Till the bitter end
  10. I'll dream alone
  11. The nun's litany
  12. Zombie boy
  13. Courtesans

Gesamtspielzeit: 38:46 min.

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(Neueste fünf Beiträge)
User Beitrag
Soup Dragon
2008-01-16 15:00:14 Uhr
Der Mann ist an mir bisher ja immer völlig vorbeigegangen, fand ich immer schön und gut ohne das der Funken überspringen wollte. Die 69 Love Songs hab ich mir mal besorgt und leider nie oft gehört. Vielleicht klappt's ja diesmal...
Wigger sagt:
2008-01-16 14:46:36 Uhr
Mit dem spöttischen "California Girls" ist Merritt außerdem ein unerhoffter Super-Hit gelungen.
Schniepsi
2008-01-15 12:07:24 Uhr
Fundierte Kundenrezi bei amazon:

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fitzcarraldo
2008-01-15 10:44:32 Uhr
Meine Güte Bub, jetzt lern das halt mal.
Nochmal:

Drücki
fitzcarraldo
2008-01-15 10:41:30 Uhr
Für Freunde der Legalität wird das Album derzeit bei Myspace komplett gestreamt:

Drücken.
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