Burial - Untrue

Hyperdub / Cargo
VÖ: 09.11.2007
Unsere Bewertung: 9/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10

Der große Unbekannte
London in einer fernen Zukunft. Wo früher eine blühende Stadt stand, herrscht mit einem Mal durchgängig Nacht. Aus dem tiefen Schwarz des Himmels prasselt permanent Regen hernieder. Gesichtslose Gestalten huschen schattengleich durch die öden Straßen, von einer Lichtinsel zur nächsten, beobachtet von tausend unsichtbaren Augen, die sie aus den schwarz gähnenden Fensterlöchern der monströsen Industrieruinen heraus anblicken, in denen die Menschen sich notdürftig eingerichtet haben. Ein geheimnisumwitterter Mann, den alle nur Burial nennen, dessen wahre Identität jedoch niemand kennt, sitzt mitten unter diesem menschlichen Strandgut in irgendeinem Keller und schraubt mit Minimalequipment den Soundtrack für den Untergang der zivilisierten Welt zusammen.
Wahr ist hieran, dass tatsächlich nur eine Handvoll Menschen weiß, wer sich hinter dem Pseudonym Burial verbirgt. Die Leute sollen sich auf die Musik konzentrieren, nicht auf den, der sie macht, so Burials Auffassung. Also baut er nachts und unerkannt auf einem Uraltrechner in Do-it-yourself-Manier seinen ganz eigenen Entwurf von Dubstep. Mit den extrem schleppend wirkenden Rhythmen des in diesem Genre aktuell dominanten Halfstep haben Burials Tracks allerdings wenig gemein. Es ist eher eine Art unglamouröser, dunkler 2Step, den er konstruiert und mit "Untrue" auf einer der besten Platten des Jahres zur Formvollendung führt.
Natürlich gibt es auch hier die typischen, grollenden Subbässe, um die herum allerdings ein beständiges Krackeln, Knacksen und Knistern flirrt wie von altem, abgenutztem Vinyl. Eigentlich soll dieses Flackern und Brutzeln nur überdecken, dass Burial keine technisch perfekten Beats bauen kann. Die klingen dann auch nicht fett und ausproduziert, sondern mechanisch-hackend und seltsam taumelnd. Es ist aber gerade dieses Unfertige, Improvisierte, das "Untrue" genauso wie dem Vorgänger "Burial" eine endzeitliche Atmosphäre des Unheimlichen, Abgründigen verleiht. Zur gespenstischen Stimmung tragen zudem die Sounds bei, die in die Tracks eingewoben wurden, aber nicht wirklich zuzuordnen sind. In "Near dark" und "Raver" scheint im Hintergrund eine Waffe durchgeladen zu werden; in Letzterem klopft zudem jemand auf leeren Flaschen herum. In "Untrue" und "Shell of light" hingegen klackt beständig der Deckel eines Sturmfeuerzeugs auf und zu.
Neu ist auf "Untrue" gegenüber der totalen Finsternis des gefeierten Debüts eine Art sanftes Glühen, das die variabel gepitchten und dadurch verfremdeten Vocals in die Tracks hineinbringen. Getragen von melancholischen Synthesizerlinien durchwehen sie sehnsuchtsvoll die Tracks, verhallend in schier endloser Ferne. Eine geisterhafte und zugleich zart-wärmende Atmosphäre entsteht dadurch, die Tracks wie das vergleichsweise eingängige "Archangel" zu einer Art postapokalyptischem, urbanem Soul macht. Trotz dieses neuartigen Hoffnungsschimmers bleibt aber auch "Untrue" ein Album, das von der Verlorenheit in der modernen Großstadt erzählt. Kein tadellos produziertes Album, auch keines, das in jedem Track eine neue Abwechslung auf Lager hätte. Aber in einer Art und Weise zusammengebaut, dass es sein Geheimnis nie ganz preisgibt. Und ausgestattet mit einer Atmosphäre, die einen nach einer Nacht im Club die Einsamkeit des endlos langen Heimwegs hinaus in die Londoner Suburbs spüren lässt. Draußen ziehen die Lichter vorbei, und der Regen prasselt monoton ans Taxifenster.
Highlights
- Archangel
- Near dark
- Shell of light
- Raver
Tracklist
- [Untitled]
- Archangel
- Near dark
- Ghost hardware
- Endorphin
- Etched headplate
- In McDonald's
- Untrue
- Shell of light
- Dog shelter
- Homeless
- UK
- Raver
Gesamtspielzeit: 50:34 min.
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(Neueste fünf Beiträge)
User | Beitrag |
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making of |
2018-01-09 21:11:38 Uhr
https://www.youtube.com/watch?v=Et5B-zfAIIo |
Felix H Mitglied der Plattentests.de-Chefredaktion Postings: 8776 Registriert seit 26.02.2016 |
2017-11-06 18:04:37 Uhr
Aktiv ist er ja schon wieder, in den letzten 12 Monaten kamen die EPs "Young Death" und "Subtemple" raus (beide aber je unter 20 Minuten) sowie noch 2 Singles.Hatte aber alles nicht die Klasse der EPs bis 2013. |
Watchful_Eye User Postings: 2721 Registriert seit 13.06.2013 |
2017-11-06 17:50:57 Uhr
@PirxEs müsste auch nicht unbedingt wieder ein "Klassiker" werden. Wobei ich oft auch Releases von Künstlern abfeiere, die die Fans gar nicht als so toll empfinden - also wer weiß. Ich hoffe auf eine interessante, ambitionierte Neuinterpretation seines Sounds, aber in konsequenterer Ausführung als auf seinen letzten EPs. Eine längere EP von 25-30 Minuten würde mir da auch erstmal wieder reichen. @Unangemeldeter Also zumindest gab es seit "Rival Dealer" keine Releases mehr, die mich und seine Fans in der Masse begeistern konnten. Man muss aber auch sagen, dass er seitdem auch mehr ausprobiert und gewagt hat. Natürlich ist der Typ immer noch ein sehr talentierter Produzent, und das hört man auch bei allen seinen neueren Releases. Jedes davon hat seine Fans. Sie wirken nur oft irgendwie.. unvollendet, imo. |
Pirx |
2017-11-06 17:44:18 Uhr
Also die EP's fand ich auch allesamt super, ausser die Rival Dealer. Interessant, dass er da mal was halbwegs Neues ausprobiert hat, aber irgendwie ist die mir zu emo mit zuviel Piano und Weihnachtsglöckchengebimmel. Ich mag seinen hazy Sound einfach lieber. Soweit ich weiss, waren die Releases danach alle nur kurze Einzeltracks und Vinyl/Download-Only. Die letzte Nummer, in die ich reingehört habe, wurde auf watmm treffend mit "an old Underworld track played through Grandmothers Grammophone" beschrieben. Zuviel "Clubatmosphäre" für meinen Geschmack , unterlegt mit dem obligatorischen Vinylknistern. |
Unangemeldeter Postings: 1037 Registriert seit 15.06.2014 |
2017-11-06 17:32:05 Uhr
Ich mochte diesen zwischenzeitlichen Veröffentlichungsrhythmus von Burial total, jedes Jahr eine coole EP (die EPs sind für mich alle - mit Ausnahme vllt von Truant - mindestens auf Augenhöhe mit Untrue gewesen) zur Weihnachtszeit war genau richtig für mich. Ab Rival Dealer (danach gab's ja erstmal ne längere Pause, oder?) hab ich aber entweder nichts mehr angehört oder gar nicht mitbekommen. Hätte tatsächlich auch mal wieder Lust auf einen Release von ihm, scheinbar gäbe es ja sogar Nachholbedarf, ist aber alles nich so dolle, oder wie? |
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Referenzen
El-B; Groove Chronicles; MJ Cole; The Artful Dodger; Roy Davis Jr.; Zed Bias; 2562; Kode 9; Shackleton; Horsepower Productions; Hatcha; Digital Mystikz; Benga; Skream; Loefah; Mala; Coki; Cotti; Elemental; Milanese; Boxcutter; Pinch; Appleblim; Rhythm & Sound; Pole; Basic Channel; Deadbeat; Rockers Hi-Fi; Goldie; Photek; 4Hero; A Guy Called Gerald; TeeBee; The Streets; So Solid Crew; Wookie; Craig David; Dizzee Rascal; Wiley; Kano; Roll Deep Crew; Todd Edwards; Luomo; Aphex Twin; Autechre; Farben; Trentemöller; DJ Shadow; Massive Attack; Tricky; Portishead; Kid Loco; DJ Cam; Bowery Electric; The Future Sound Of London; Air; The Cinematic Orchestra; Fila Brazillia; Noiseshaper; Digital Jockey
Surftipps
- http://www.myspace.com/burialuk
- http://hyperdubrecords.blogspot.com/2007/10/burial-untrue-no vember-2007.html
- http://www.cargorecords.co.uk/release_zoom.php?item=4683
- http://en.wikipedia.org/wiki/Burial_%28musician%29
- http://www.discogs.com/artist/Burial
- http://www.factmagazine.co.uk/da/61991
- http://blackdownsoundboy.blogspot.com/2006/03/soundboy-buria l.html
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