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Pluramon - The monstrous surplus

Pluramon- The monstrous surplus

Karaoke Kalk / Indigo
VÖ: 28.09.2007

Unsere Bewertung: 8/10

Eure Ø-Bewertung: 6/10

Ein fliegender Holländer

Die Psychologie beschreibt ein Déjà-vu-Erlebnis als den paradoxen Eindruck, eine gegenwärtige Situation schon einmal genau so erlebt zu haben. Die englische Fußball-Nationalelf beispielsweise hat jedes Mal ein solches Déjà-vu, wenn sie wieder einmal ein Elfmeterschießen verliert und aus einem wichtigen Turnier ausscheidet. Wobei das insofern nicht stimmt, als ein Déjà-vu-Erlebnis eine Erinnerungstäuschung ist, die Engländer aber tatsächlich stets aufs Neue verlieren. Bei "The monstrous surplus" hingegen wird man das Gefühl nicht los, eben ein Album von My Bloody Valentine in den CD-Player gelegt zu haben, obschon eindeutig Pluramon auf der Verpackung steht.

Hinter diesem Projekt, das hier den Wiedergänger der Shoegazing-Legende gibt, steckt Marcus Schmickler. Dieser äußerst umtriebige Mann hat Komposition studiert und kommt aus dem Umfeld des Kölner Labels und Plattenladens A-Musik, einem ausgewiesenen Spezialisten für experimentelle Musik. Für das vierte Pluramon-Album hat sich Schmickler nun einige Prominenz ins Boot geholt. Wie schon beim Vorgänger "Dreams top rock" von 2003 ist die Amerikanerin Julee Cruise mit dabei, die als die Stimme des Soundtracks zu Twin Peaks zu Weltruhm gelangt ist. Weitere Auftritte als Gastsängerinnen haben neben Cruise noch Julia Hummer sowie die Schriftstellerin, Künstlerin und ehemalige SPEX-Mitherausgeberin Jutta Koether. Der Text zu "Can't disappear" schließlich stammt von Felix Ensslin, dem Theaterautor, Kurator der umstrittenen Berliner RAF-Ausstellung und Sohn der RAF-Terroristin Gudrun Ensslin.

Die trockenen biographischen Fakten versprechen also einiges, was "The monstrous surplus" allerdings problemlos halten kann. Wem bei "Turn in", "Border" und "Snow blow" nicht Tränen der Rührung und des Glücks ob so viel entrückter Schönheit in die Augen treten, muss fürwahr ein Herz aus Stein haben. Obschon die Songs sich permanent in den Äther aufzulösen scheinen, berühren sie einen immer wieder wie die Erinnerung an eine längst vergessene Jugendliebe, die einem unverhofft aus einer alten Fotografie entgegentritt. Einziger Ausbruch aus der versponnenen Entrücktheit dieser Stücke ist "Fresh Aufhebung". Während Jutta Koether den von ihr selbst geschriebenen Text als Spoken-Word-Performance vorträgt, baut sich um sie herum eine einzige wüste Lärmwand auf, die sich mehr und mehr in sich selbst hineindreht wie ein Malstrom.

Das anfängliche Déjà-vu mit My Bloody Valentine relativiert sich im Übrigen wieder einigermaßen, wenn man "Loveless" noch einmal aus dem Regal holt. Wo sich bei dem irisch-britischen Quartett meterhohe Gitarrenwände auftürmten bis zum kompletten Drowning-in-sound, sind Pluramons Stücke von deutlich mehr Synthesizern durchzogen und rücken sich eher in die Nähe von M83. Freilich mit immer noch ausreichend Gitarren gesegnet, die sich dem Abdriften der Franzosen ins Überladene und Zuckrig-Kitschige erfolgreich in den Weg stellen. Paradoxerweise haben auch die engelsgleichen Stimmen diesen erdenden Effekt. Eine Art "Fliegender Holländer" bleibt "The monstrous surplus" dennoch, zumal auch noch Mazzy Stars Hope Sandoval durch die Stücke zu schweben scheint, von der man ja auch nur sporadisch Neues hört. Aber anders als beim grimmigen, zur ewigen Wiederkehr verdammten Kapitän bekommt man beim Auftauchen dieses Geisterschiffs die Gänsehaut nicht vor blanker Angst, sondern vor stiller Ergriffenheit über die elf Sonnenaufgänge, die hier am Horizont heraufziehen. Und wenn schon Wiedergänger, dann bitte wie hier - als ein versöhnliches, strahlend helles Stück Musik.

(Harald Jakobs)

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Highlights

  • Turn in
  • Border
  • Snow blow

Tracklist

  1. Turn in
  2. Border
  3. If time was on my side
  4. Drowning in you
  5. Snow blow
  6. Fresh Aufhebung
  7. K-land
  8. Can't disappear
  9. The kids are united
  10. Fishing
  11. So?

Gesamtspielzeit: 47:23 min.

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