Zoot Woman - Living in a magazine
Wall Of Sound / Labels / Virgin / EMI
VÖ: 07.05.2001
Unsere Bewertung: 8/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
Kraftwerk, Koks und Kabelbrand
Soviel steht jetzt schon fest: Die Droge 2001 ist Kokain. Der trendbewußte Drogenkonsument kann sich sorgfältiges Tütenbasteln, schmuddeliges Pilzepflücken oder zeitraubendes Venenabschnüren fortan sparen und macht sich vorsorglich schon mal ans Spiegelflächenabstauben oder läßt Gillette Risikokapital zukommen. Während sich in kollektiver Distanziertheit die Nasenscheidewände der ehemaligen Young Urban Professionals langsam zersetzen, flackern vor dem Auge Erinnerungen an eine Zeit auf, als Neon und Chrom das maximale Ausmaß an Chic bedeuteten.
Den kühlen Soundtrack dazu liefern Zoot Woman, bestehend – wie es sich für eine anständige Band gehört – aus zwei Brüdern und einem alten Bekannten, namentlich Johnny Blake, Adam Blake sowie Stuart Prince alias Jacques Lu Cont. Letzterer schmuggelte sich vor zwei Jahren mit alarmroten Haaren, dem Decknamen Les Rythmes Digitales und einem angenehmen Faible für Klangdetails und Songwriting der Achtziger im Gepäck als falscher Franzose gleichermaßen in heimische Plattenschränke und die paneuropäische Clublandschaft. Doch Zoot Woman ist nicht nur ein weiteres Prince'sches Projekt – Zoot Woman ist eine ausgewachsene Band, die etwas zu bedeuten haben will und ganz abgesehen davon höchstwahrscheinlich der heiße Scheiß 2001, was die Plattenfirma folgerichtig euphorisch zur Formulierung "Konsensband der Saison" greifen läßt.
"Living in a magazine" nennt sich Zoot Womans erstes Album, auf dessen Cover sich die drei Herren als hochglanzpoliert-gleissende, lebende Modestrecke präsentieren, den distanzierten Blick eines Hochfinanzanalysten in den Augen, dessen Tripple-A-IT-Aktien gerade ins Bodenlose absacken. Diese Kühle und Geschmackssicherheit ist es, die das gesamte Album konzeptgleich trägt, sich als fruchtbaren Nährboden für Episoden und Biographien rund um Models, Glamour, Synthetik, und nicht zuletzt Distanzen erweist.
Etwas verhalten startet das Album wie die Cocktailparty danach. Gut durchchoreographierter Small Talk beherrscht das Tagesgeschehen, bietet die richtige Basis für den nachfolgenden Titeltrack und schafft es auch, ein paar Eiswürfel genau dorthin hinüberzuretten, zu "Living in a magazine", der Killersingle zum Album schlechthin. Beherrscht von dezenten Chören, leichtem Industriefrickeln und einem gutmütigen Baß wird klargemacht, wie die Spur läuft: Das Konzept der digitalen Rhythmen wird auf der Suche nach neuen Grenzen weitergetrieben und auf Bandebene gehoben. Dabei ein musikalischer Klangkosmos geschaffen, der dank Stilsicherheit und Selbstvertrauen die reine Retro- und Nostalgiesympathie bei weitem zu überflügeln vermag. Gebrochen wird dieser Rausch erst zur Halbzeit, in dem für einen Track Geschwindigkeit und Gesang zurückgepackt werden, um danach mit einer Coverversion von Kraftwerks Modell das Publikum zurückzuerobern. In der weiteren zweiten Hälfte bleiben Kurzvisiten die Regel, bis der Hörer schließlich mit "Holiday home" wieder da abgeliefert wird, wo die Platte abgehoben ist – hoffentlich einigermaßen resozialisiert und ohne Jetlag.
Highlights
- Living in a magazine
- Information first
- The model
- Losing sight
Tracklist
- It's automatic
- Living in a magazine
- Information first
- You and I
- Nobody knows (part one)
- Nobody knows (part two)
- The model
- Jessie
- Chicago, Detroit, L.A.
- Losing sight
- Holiday home
Gesamtspielzeit: 39:48 min.
Referenzen
Hall & Oates; ABC; Heaven 17; Cause & Effect; Real Life; Howard Jones; Thomas Dolby; John Foxx; The Human League; Ladytron; TokTok; Mirwais; Modjo; Stardust; Les Rythmes Digitales; Dakar & Grinser; Avril; Fischerspooner; Scissor Sisters; Red Flag; Iris; Psyche; Limahl; Kajagoogoo; Re-Flex; Go West; Kraftwerk
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