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The Twilight Sad - Fourteen autumns & fifteen winters

The Twilight Sad- Fourteen autumns & fifteen winters

Fat Cat / PIAS / Rough Trade
VÖ: 04.05.2007

Unsere Bewertung: 8/10

Eure Ø-Bewertung: 7/10

Brave hearts

Niemand bezweifelt den Kampfgeist von Mel Gibsons wilder Horde, die in "Braveheart" den einen oder anderen Engländer um Kopf und Kragen brachte und sich ansonsten durch historisches Fünfe-gerade-sein-Lassen hervortat. Was diesen mit all ihrer Schminke und schottischen Traditionskluft sehr männlichen Männern fehlte, war der weiche Kern, das Herz in der Brust, die Träne im Rockloch. Was sie gut hätten gebrauchen können, ist eine Band wie The Twilight Sad auf ihrer Seite. Von den schrofferen Seiten des Lebens gezeichnet, vom Ganzkörperexperiment zum Rocksong gekommen. 2003 wurde sie nahe Glasgow gegründet, 2007 endlich sind ihre zerfurchten, abgezehrten Lieder ausgereift. Es gibt keine Versprechen, kein Manifest und auch sonst nicht viel zu wissen von dieser Band. Es gibt nur die Gewissheit, dass ihr bärtiger Gefühlsbonzenrock selbst Mel Gibson zum Weinen gebracht hätte.

Dass man sie so selbstverständlich mit ihrer Heimat in Verbindung bringt und The Twilight Sad eine gewissen Raubeinigkeit unterstellen will, ohne jemals ein Foto von ihnen gesehen zu haben, verdanken sie ihrem Sänger James Graham. Wenn dieser Mann im breitestmöglichen Schottenakzent ausholt, um seine Geschichten aus nicht ganz alltäglichen Kinderzimmern zu erzählen, schlagen Englischlehrer die Hände überm Kopf zusammen. Wenn dieser Typ singt, wirken seine auch nicht gerade der Kratzbürstigkeit unverdächtigen Landsleute Craig B. (Aereogramme) und Simon Neill (Biffy Clyro) plötzlich wie Bohemiens aus der schicksten Pariser Modegegend. Trotzdem: Eine geeignetere Stimme hätte diese Musik für besonders aufmerksame Shoegazer nicht vervollständigen können.

Graham kann kaltblütig bis an die Grenze zur Teilnahmslosigkeit sein, wenn er sinistre Zeilen wie "The kids are on fire in the bedroom." oder "See that you're all mine / With a knife in your chest." singt. Er versteht es aber auch, seine Erzählungen aus dem bedrückenden 15. Winter eines Jungenlebens an die Songs seiner Band anzupassen, wird aufbrausend über sorgfältig geschichtete My-Bloody-Valentine-Gitarren und findet sich immer wieder umstellt von Akkordeon und Klavier als zuverlässigen Hilfsinstrumenten. Erstaunlich ist allein schon, dass The Twilight Sad ihre Ehrfurcht einfordernden Hymnen mit den ältesten und einfachsten Mitteln der Rockmusik hochziehen. Die eigentliche Geschichte von "Fourteen autumns & fifteen winters" aber muss immer sein, wie gut diese Songs über allem sind.

Die Platte ist noch nicht mal fehlerfrei - sie reitet stur auf den immer gleichen Schlagzeugmustern herum und lässt viele Songs auf dieselbe Weise ausglühen. Daraus aber ein Problem für The Twilight Sad stricken zu wollen, würde bedeuten, sich in Kleinigkeiten zu verlieren, während sehr viel größere Sachen direkt vor der eigenen Nase passieren. Schon von "Cold days at the bird house" und der tapfersten Klaviernote des ganzen Albums kann man sich den Anorakkragen hochkrempeln lassen. Noch fixierter und selbstsicherer aber nimmt "That summer, at home I had become the invisible boy" die thematischen und musikalischen Auswüchse vorweg, die einem mit diesen acht Songs und ihrem Raschel- und Waber-Outro passieren können. Kratzige Teenage Angst von erwachsenen Männern - und ein Debütalbum, das auch im kommenden Winter noch da sein wird.

(Daniel Gerhardt)

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Highlights

  • Cold days from the birdhouse
  • That summer, at home I had become the invisible boy

Tracklist

  1. Cold days from the birdhouse
  2. That summer, at home I had become the invisible boy
  3. Walking for two hours
  4. Last year's rain didn't fall quite so hard
  5. Talking with fireworks / Here, it never snowed
  6. Mapped by what surrounded them
  7. And she would darken the memory
  8. I'm taking the train home
  9. Fourteen autumns & fifteen winters

Gesamtspielzeit: 44:37 min.

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