Arctic Monkeys - Favourite worst nightmare
Domino / Rough Trade
VÖ: 20.04.2007
Unsere Bewertung: 6/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
Mir nichts, Dir nichts
Im Straßenverkehr ist die Sache schnell geklärt. Man sollte sich nicht hinters Steuer setzen, solange der Rausch von gestern noch nicht ausgeschlafen ist, und wenn man es doch tut, geht es entweder schief oder nur mit Glück gut. Im Musikmachergeschäft allerdings muss man schon lange suchen, um auf halbwegs plausible Parallelen zum Straßenverkehr zu stoßen. Hier ist es manchmal genau richtig, gar nicht erst runterzukommen. Hier kann man sich das Grübeln ruhig mal für später aufsparen und einfach damit weitermachen, was so erfolgreich angefangen hatte. Franz Ferdinand haben das auf "You could have it so much better" vorgespielt, einem zweiten Album, das schon da war, als einem das erste noch in den Ohren klingelte. Es funktionierte nicht zuletzt gerade deshalb. Es hatte verstanden, wie sinnvoll es sein kann, den Schwung eines erfolgreichen Vorgängers mitzunehmen.
Auch die Arctic Monkeys wollen nun ihr Debütalbum als Startrampe benutzen - 15 Monate nachdem es veröffentlicht wurde und noch kein Vierteljahr nachdem sie alle Schlüsselkategorien des hiesigen Jahrespolls gewonnen hatten und konsequenterweise auch zur meistgehassten Band des hiesigen Forums aufgestiegen waren. Wie jedem ihrer Schritte, seit "I bet you look good on the dancefloor" zur Aufsehen erregendsten Debütsingle der letzten anderthalb Jahrzehnte geworden war, hängt auch diesem etwas Trotziges, beinahe kindsköpfig Stures an. Schlecht nur: Hinter all den Unbekümmertheiten steht diesmal nicht die Erkenntnis, dass schon hinhauen wird, was die Sheffielder machen, so wie es eben immer hingehauen hat, wenn sie aus der Defensive heraus kontern konnten. "Favourite worst nightmare" wirkt gehetzt, übereilt, nicht unfertig, aber unvollendet. Es ist genau der Fehler, der den Arctic Monkeys nicht hätte passieren dürfen.
Im Folgenden geht es nun nicht darum, die Band für ihren Erfolg zu bestrafen, so einfach sollen es sich andere machen. Fragen muss man trotzdem dürfen, wieso dieses zweite Album jetzt schon kommt, obwohl die Songs dafür noch nicht da waren. Weder das Gefühl der zweifel- und doch arroganzlosen Unbesiegbarkeit, das "Whatever people say I am, that's what I'm not" umgab, konnte rübergerettet werden, noch ist den Arctic Monkeys viel mehr Neues eingefallen, als sich ein paar Tremolohaken an die Gitarren zu schrauben. Weder kann es die pflichtbewusste Joberlediger-Single "Brianstorm" mit ihrem Gegenspieler vom Debütalbum aufnehmen, noch wartet dahinter eine Platte, die abenteuerlich genug wäre, um solche Vergleiche von vornherein zu verbieten. "Favourite worst nightmare" steht in direkter Konkurrenz zu seinem Vorgänger, weil es das gleiche Album mit schlechteren Songs ist.
Es ehrt die Arctic Monkeys, dass sie dieser Herausforderung nicht aus dem Weg gehen wollten, aber es deckt auch besonders schonungslos auf, was diesmal schief gelaufen ist. Die Songs sind unbeweglicher, ihre Wege vorbestimmter, die Breaks vorhersehbarer, weil scheinbar alles tight sein sollte und unbedingt zusammen passen musste. Die Rhythmusgruppe mit dem neuen Bassisten Nick O'Malley steht noch näher beisammen, die Call-and-Response-Spiele zwischen dem atemlosen, textlich wieder sehr aufmerksamen Alex Turner und seiner Hooligan-like zurückbrüllenden Band, sind weiterhin zum Uhr-danach-stellen auf den Punkt genagelt. Man ist trotzdem froh, wenn doch mal ein Song durchs Raster fällt und die verschwommene, schlagzeuglose Hawaii-Ballade "Only ones who know" ganz gewollt nach eigenen Regeln spielt. Auf "Whatever people say I am, that's what I'm not" hätte aber auch dieser Song kein Land gesehen.
Immerhin nimmt die Platte nach diesem Riss im Fundament nicht mehr alles so genau, gewinnt in der zweiten Hälfte ein paar Prozent der alten Lockerheit zurück und fängt sich am Ende des faul herumtuenden "Do me a favour" die eigene aufgestaute Wut als rechten Aufwärtshaken ein. Besonders mit der abschließenden, wiederum leise angefangenen und laut beendeten Wüstenstaub-Abfahrt "505" - ausgehfertig für den Soundtrack des nächsten "El mariachi"-Films - und dem außer Kontrolle gerasselten "This house is a circus" zeigt sich, dass den Arctic Monkeys und ihrer zweiten Platte mehr Türen offen gestanden hätten, als sie selbst wahr haben wollten. Ob nun die Geduld, die Inspiration oder doch die Abgezocktheit gefehlt hat, ist dann auch egal. "Favourite worst nightmare" bleibt in jedem Fall eine ernüchternd gute Platte, mit der niemandem geholfen ist.
Highlights
- Fluorescent adolescent
- This house is a circus
- 505
Tracklist
- Brianstorm
- Teddy picker
- D is for dangerous
- Balaclava
- Fluorescent adolescent
- Only ones who know
- Do me a favour
- This house is a circus
- If you were there, beware
- The bad thing
- Old yellow bricks
- 505
Gesamtspielzeit: 37:34 min.
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(Neueste fünf Beiträge)
User | Beitrag |
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Voyage 34 Postings: 958 Registriert seit 11.09.2018 |
2020-01-10 12:54:25 Uhr
Für mich ist das halt ne richtig langweilige Britpop radionummer. Nicht mein Ding:-) |
Mr. Fritte Postings: 831 Registriert seit 14.06.2013 |
2020-01-10 10:45:10 Uhr
"Was kann man denn bloß gegen "Fluerescent Adolescent" haben?! Ein astreiner Pop-Hit." -> So isses! Ich mag das Album ja auch insgesamt sehr gerne. Finde das mindestens mal besser als die beiden direkten Nachfolger. |
eric Mitglied der Plattentests.de-Chefredaktion Postings: 2869 Registriert seit 14.06.2013 |
2020-01-10 09:37:45 Uhr
Für mich auch die nachhaltigste Band der "Class of 2005", das herrlich rotzige Debüt funktioniert heute noch super. "AM" war auch spitze. Alex Turner ist ein verdammt guter Songwriter - und traut sich was. Selbst wenn das "Casino"-Album auf Dauer dann manchmal ein wenig drüber experimentiert scheint. Was kann man denn bloß gegen "Fluerescent Adolescent" haben?! Ein astreiner Pop-Hit. Ansonsten sehe ich diese hier auch im Mittelfeld ihrer Diskografie. |
MartinS Plattentests.de-Mitarbeiter Postings: 1395 Registriert seit 31.10.2013 |
2020-01-09 19:37:42 Uhr
Funktioniert als Album komischerweise irgendwie so gar nicht, hat aber mit "Do me a favour", "This house is a circus" und "505" so richtig gutes Zeug dabei. |
Hand Solo Postings: 4 Registriert seit 09.01.2020 |
2020-01-09 19:28:29 Uhr
Die nachhaltigste Band sind sie auf jeden Fall, und mit den frühen Stokes auch die besten imo. Die Libertines wirken dagegen wir pubertierende Poser z. B., so im Rückblick. |
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Referenzen
Milburn; Bromheads Jacket; The Rakes; The Rifles; The View; The Others; Dogs; Mother And The Addicts; Five O'Clock Heroes; Eastern Lane; The Libertines; Dirty Pretty Things; The Paddingtons; The Strokes; Kilians; Blur; Razorlight; We Are Scientists; Franz Ferdinand; Art Brut; The Futureheads; Maximo Park; The Subways; Graham Coxon; The Jam; The Buzzcocks; The Clash; Gang Of Four; Talking Heads; Babyshambles; The Kinks; The Cribs; Mando Diao; The Films; The Kooks; Kaiser Chiefs
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