Anaïs Mitchell - The brightness

Righteous Babe / Indigo
VÖ: 20.04.2007
Unsere Bewertung: 7/10
Eure Ø-Bewertung: 6/10

Inständig verbunden
"Come out, come on, come outside." Fordernd lässt Anaïs Mitchell ihr drittes Album mit "Your fonder heart" beginnen. Getragen von einer Stimme, die sich von den sanft gezupften Akkorden in ihrer Rastlosigkeit kaum besänftigen lassen will. Und doch ständig mit und zu ihnen spricht. Dann aber, wenn sich der Song holzgeblasen zu seinem feierlichen Refrain aufschwingt, verschlägt es Mitchell doch kurzzeitig die Sprache. Außer stürmischen Vokalen bleibt ihr nichts zu sagen. Und auch der Mund des Hörers bleibt in tonlosen Selbstlauten offen stehen. Das Bündnis ist geschlossen.
Oftmals sind es genau diese Momente einer hintergründigen Allianz von Text, Stimme und Musik, die ein Lied außergewöhnlich werden lassen. Bereits die ersten Takte von "Your fonder heart" erschaffen genau diesen Pakt scheinbar aus dem Nichts der Ruhe, die vorher herrschte. Es ist ein außergewöhnliches Lied. Eines, das anstiftet und überstrahlt. Eines, das Mitchells Forderung genügt.
Im Grunde ist dann von vorn herein klar, dass dieses Hochgefühl auf Albumlänge nicht zu halten sein wird. So geht "Hobos lullaby" mit Steelguitar und Banjo vielleicht etwas zaghaft auf Mitchells Gesang zu, und auch in "Changer" und "Out of pawn" setzen Klavier und Streicher alles daran, ihren Vortrag dezent abzuklopfen, aber möglichst nicht zu stören. Dennoch ist "The brightness" die kleine Nachtmusik für das lange Wachliegen. In all der Ruhe und Eleganz gibt es genug große Taten und kleine Nadelstiche, um die Spannung stets in Balance zu halten. "Namesake" und "Santa Fe dream" etwa werden durch einen äußert komplexen, inneren Aufruhr angetrieben, und in "Hades & Persephone" geben Bass- und Percussionatlanten passgenaue Koordinaten für die aufbrausenden und abgestoppten Intensitäten, die Mitchell aus ihrer Mundhöhle strömen lässt.
Dass ihr jener leicht schrullige, teils in der Tat an Joanna Newsom erinnernde Gesang beständig in konventionellere Gefilde entwischt, mag seinen Grund darin finden, dass Mitchell nicht die Harfe, sondern die Gitarre spielt. Dass sie ihren Stil nicht in Klassik sucht, sondern in Folk findet. Dass ihr die Harmonien direkt vom Griffbrett in die Kehle und wieder zurück hüpfen und hierbei stets eine euphorisch flackernde Übersprungshandlung im Song zurücklassen. Oder einfach daran, dass sie die im klassischen Sinne bessere Sängerin ist. Mitchell nutzt alles was sie kann, hat und weiß, weshalb sollte sie auch zurückstecken? Schließlich gibt es kaum etwas Traurigeres als verschwendetes Potenzial.
Die größte Stärke von Mitchell ist aber nach wie vor das Bündnis, das sie zu ihren Hörern herzustellen versteht. Worte, Sätze und Akkorde greifen ständig aus ihrer Musik heraus, schnappen sich Hände oder Gesichter und ziehen sie dicht zu sich heran. Ihre Musik nimmt Kontakt auf, scheint zu lauschen und zu lauern, möchte ein Atmen hören, einen Herzschlag oder vielleicht auch ein Lachen, von denen, die es trotz allem nicht gut mit ihr meinen. Mitchell selbst ist da ganz anders. Sie hofft darauf, dass die Allianz gelingen möge: "Come out, come inspired / You will not come to harm / If I cannot take you for a liar or a lover / I'll take you for my brother in arms." Mehr kann niemand erwarten. Nicht von Mitchell. Und eigentlich auch sonst und überhaupt.
Highlights
- Your fonder heart
- Namesake
- Hades & Persephone
Tracklist
- Your fonder heart
- Of a friday night
- Namesake
- Shenandoah
- Changer
- Song of the Magi
- Santa Fe dream
- Hobo's Lullaby
- Old-fashioned hat
- Hades & Persephone
- Out of pawn
Gesamtspielzeit: 39:38 min.
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(Neueste fünf Beiträge)
User | Beitrag |
---|---|
Armin |
2007-04-12 14:23:53 Uhr
Mein ich doch. |
gir |
2007-04-05 15:13:49 Uhr
Das Lied heißt aber "Your Fonder Heart" |
Armin |
2007-04-05 14:21:29 Uhr
"Your fonder eyes" finde ich überragend, den Rest mindestens schön. |
Dän |
2007-04-05 13:43:11 Uhr
Wie eben schon um Update-Thread angemerkt: Meiner Meinung nach eher Rosie Thomas als Joanna Newsom. Klingt hübsch, aber begeistert mich jetzt nicht auf Anhieb. |
MJK |
2007-04-05 13:31:06 Uhr
Durchaus schön auf myspace. Wird im Auge behalten! |
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Referenzen
Ani DiFranco; Rosie Thomas; Lily Holbrook; Rickie Lee Jones; Sophie Zelmani; Gemma Hayes; Joanna Newsom; Joni Mitchell; Eleni Mandell; Natalie Merchant; Rachael Yamagata; Liz Phair; Sarah McLachlan; Kristin Hersh; Tara Jane O'Neil; Shannon Wright; Alana Davis; Lisa Germano; Tanya Donelli; Tori Amos; Fiona Apple; Damien Jurado; Mark Lanegan; Mark Kozelek; Dan Littleton; Bob Dylan; Naysayer; Retsin; Ida; Holopaw
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